Spruch:
Aus Anlass des Revisionsrekurses werden sowohl der angefochtene Beschluss des Rekursgerichtes als auch jener des Erstgerichtes als nichtig aufgehoben und die Pflegschaftssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung
Der am 21. 8. 1999 geborene Minderjährige ist österreichischer Staatsbürger. Sein außerehelicher Vater ist deutscher Staatsbürger, seine Mutter Österreicherin mit Wohnsitz in Österreich, wo das Kind auch lebt.
Am 21. 9. 2000 stellte der Unterhaltssachwalter den Antrag auf Verpflichtung des Vaters zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von S 1.800 ab 1. 5. 2000. Der Vater, der teilweise inhaftiert gewesen sei, beziehe Sozialhilfe und überdies ein Kindergeld von monatlich DM 270; er sei verpflichtet, seine Kräfte entsprechend anzuspannen, um ehestmöglich eine Arbeit zu bekommen.
Nachdem in einem zeitgleich beim Erstgericht behängenden Verfahren zur Feststellung der unehelichen Vaterschaft und des Unterhalts (3 C 231/00p) ein Rechtshilfeersuchen des Erstgerichtes ua zur niederschriftlichen Befragung des Vaters (dort als Beklagter) auch zur Unterhaltsforderung gegenüber seinem minderjährigen Sohn unerledigt retourniert worden war, weil der Genannte laut Rückleitungsnote des deutschen Amtsgerichtes Kamen trotz mehrfacher Versuche samt Verhängung eines Ordnungsgeldes und schließlich auch eines Vorführversuches am 10. 11. 2000 nicht stellig gemacht habe werden können (Unterlagen in ON 2), sah das Erstgericht in der vorliegenden Pflegschaftssache von jeglicher weiteren Beweisaufnahme, insbesondere Versuchen, eine (neue) ladungsfähige Anschrift des Vaters zu ermitteln und diesem den Unterhaltsfestsetzungsantrag überhaupt zuzustellen, ab; vielmehr verpflichtete es sogleich mit Beschluss vom 4. 1. 2001 den Vater antragsgemäß zur Zahlung des begehrten monatlichen Unterhaltsbeitrages von S 1.800 rückwirkend ab 1. 5. 2000. Der zugesprochene Betrag liege unter dem Regelbedarf für Kinder bis zu drei Jahren (derzeit S 2.030 netto), entspreche dem von ihm (laut Mitteilung des Unterhaltssachwalters) bezogenen Kindergeld und wäre letztlich auch bei Anwendung der Anspannungstheorie gerechtfertigt.
Über Rekurs des Vaters, dem die Entscheidung in der Strafvollzugsanstalt Hamm, in welcher er seit 1. 11. 2000 (bis voraussichtlich 1. 11. 2001) eine Strafhaft zu verbüßen hat, zugestellt worden war, wurde er noch vor Vorlage seines Rechtsmittels an das Rekursgericht mit weiterem Beschluss des Erstgerichtes - diesfalls im Einvernehmen mit dem Unterhaltssachwalter - für die Dauer seiner Inhaftierung vom 1. 11. 2000 bis 31. 10. 2001 von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem minderjährigen Sohn (rechtskräftig) befreit.
Das Rekursgericht gab dem hierauf vorgelegten Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nach § 14 Abs 1 AußStrG zulässig sei. Das Rekursgericht schloss sich der Auffassung des Erstgerichtes über den Bezug eines auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage anrechenbaren Kindergeldes durch den Rekurswerber in Höhe von monatlich DM 270 sowie ab Juni 2000 auch einer Sozialhilfe von zusätzlich DM 168 an und führte in rechtlicher Hinsicht (zusammengefasst) aus, dass es in Anbetracht der Zielsetzungen des Kindergeldes (vergleichbar der österreichischen Familienbeihilfe) sachgerecht sei, den Vater zumindest in Höhe desselben zur Leistung eines Unterhaltsbeitrages zu verpflichten. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig erkannt, weil für die über den Einzelfall hinausgehende bedeutsame Frage, ob ein Unterhaltspflichtiger, der Familienbeihilfe bezieht, ohne die Betreuung eines Kindes auch tatsächlich durchzuführen, jedenfalls in Höhe dieses Bezuges zu einer Unterhaltsleistung zu verpflichten sei, keine höchstgerichtliche Judikatur habe aufgefunden werden können.
Gegen diese Entscheidung richtet sich das vom Vater als "Revision" (richtig: Revisionsrekurs) bezeichnete Rechtsmittel mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss "in seinem Sinne" (gemeint: im Sinne einer Abweisung des Unterhaltsfestsetzungsbegehrens) abzuändern. Inhaltlich wird hiezu - wie bereits sinngemäß im Rekurs - nochmals wiederholt, dass der im Sozialhilfebescheid der Stadt Bergkamen ausgewiesene Kindergeldbezug nichts mit seiner Unterhaltspflicht gegenüber seinem österreichischen außerehelichen Sohn zu tun habe, sondern vielmehr seine eigene Mutter, die für ihn kindergeldberechtigt (gewesen) sei, betreffe.
Rechtliche Beurteilung
Ohne auf diese Ausführungen im Einzelnen inhaltlich eingehen zu können, hatte der Oberste Gerichtshof aus Anlass des vorgelegten Revisionsrekurses eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit, die sowohl die Entscheidung des Rekursgerichtes als auch damit zusammenhängend jene des Erstgerichtes betrifft, aufzugreifen. Dem Vater wurde nämlich durch den eingangs wiedergegebenen Vorgang, wonach er weder - im Sinne des vom Erstgericht in der (streitigen) Unterhaltssache gestellten Rechtshilfeersuchens - einvernommen wurde noch ihm - zumindest - der Unterhaltsfestsetzungsantrag des Unterhaltssachwalters (mit oder ohne Aufforderung nach § 185 Abs 3 AußStrG) zugestellt wurde, das Erstgericht sich vielmehr mit dem Fehlbericht des Amtsgerichtes Kamen in der Parallelrechtssache begnügte und daraufhin auch ohne weitere Erforschung des Sachverhaltes seine Entscheidung sogleich im antragsstattgebenden Sinne traf, das auch verfassungsrechtlich (Art 6 Abs 1 MRK) verankerte (SZ 69/20; 6 Ob 121/00p; 7 Ob 147/01w; EGMR in ÖJZ 2001,
516) rechtliche Gehör im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO entzogen. Diese Verletzung begründet auch im außerstreitigen Verfahren grundsätzlich Nichtigkeit (RIS-Justiz RS0005982; 7 Ob 80/91t; 7 Ob 147/01w). Die davon betroffenen Entscheidungen beider Vorinstanzen waren deshalb von Amts wegen als nichtig aufzuheben (RIS-Justiz RS0042158, 0041896; 7 Ob 147/01w). Da dem Vater (und nunmehrigen Rechtsmittelwerber) das entsprechende Tatsachenvorbringen im Zusammenhang mit dem von ihm schon im Rekurs (freilich erfolglos) behaupteten Nichtbezug eines Kindergeldes nach dem Vorgesagten im Verfahren erster Instanz nicht möglich war, verstoßen seine diesbezüglichen Ausführungen erst in den Rechtsmitteln auch nicht gegen das Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0110773).
Im fortgesetzten Verfahren wird es sich als zweckdienlich erweisen, dem Vater im Rahmen einer während seiner Strafhaft in der deutschen Justizvollzugsanstalt möglichen Rechtshilfeeinvernahme zur Bestreitung des von ihm bezogenen Kindergeldes insbesondere das vom Unterhaltssachwalter vorgelegte Schreiben des Sozialamtes der Stadt Bergkamen vom 15. 9. 2000, in dem dieser Bezug ausdrücklich ebenfalls bestätigt wird (AS 73), vorzuhalten, wobei auch darauf hinzuweisen ist, dass der Revisionsrekurswerber in seinem Rechtsmittel ausdrücklich erklärt hat, den zuständigen Sachbearbeiter von dessen Schweigepflicht zu entbinden (AS 107). Da die diesbezügliche Sachverhaltsgrundlage derzeit somit noch völlig ungeklärt ist, kommen seitens des erkennenden Senates keine darüber hinausgehenden Ausführungen in Betracht. Solche wären angesichts der noch zu verbreiternden Sachverhaltsgrundlage rein spekulativ und obiter dictum. Dabei wird - worauf abschließend ebenfalls hingewiesen werden soll - im Falle einer neuerlichen beschlussmäßigen Verpflichtung des Vaters zu Unterhaltszahlungen auch auf die sich aus dem weiteren (rechtskräftigen) Beschluss des Erstgerichtes vom 15. 3. 2001 (ON 8) ergebenden zeitlichen Einschränkungen Bedacht zu nehmen sein.
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