OGH 7Ob174/17i

OGH7Ob174/17i20.12.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** H*****, vertreten durch Dr. Gunther Huber, Rechtsanwalt in Traun, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. Herbert Laimböck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.070,25 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. Juni 2017, GZ 14 R 93/17w‑14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 23. März 2017, GZ 10 C 855/16p‑10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00174.17I.1220.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise abgeändert, sodass die Entscheidung insgesamt zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 4.987,08 EUR samt 4 % Zinsen seit 13. 10. 2015 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei den Betrag von 1.083,17 EUR samt 4 % Zinsen seit 13. 10. 2015 zu zahlen, wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.998,85 EUR (darin enthalten 450,40 EUR an USt und 1.277,56 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Gebäudeversicherungsvertrag, dem die „10T‑Allgemeine Bedingungen für die Sachversicherung (ABS) Fassung 1995“, „Allgemeine Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden/AWB“, „12T‑Allgemeine Bedingungen für die Sturmschadenversicherung (AStB)“ und die „Besonderen Bedingungen für die Eigenheimversicherung System Plus“ zugrunde liegen. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

Allgemeine Bedingungen für Versicherungen gegen Leitungswasserschäden (AWB)

Artikel 1

Versicherte Gefahren und Schäden

1. Der Versicherer bietet Versicherungsschutz gegen Schäden, die an den versicherten Sachen dadurch entstehen, dass Wasser aus Zu‑ oder Ablaufleitungsrohren oder angeschlossenen Einrichtungen von Wasserleitungs‑, Warmwasserversorgungs‑ oder Zentralheizungsanlagen sowie aus Etagenheizungen austritt. Zu ersetzen sind Schäden, die in der Zerstörung oder Beschädigung der versicherten Sachen bestehen, wenn sie auf der unmittelbaren Einwirkung von ausgetretenem Leitungswasser beruhen und die unvermeidliche Folge eines solchen Ereignisses sind.

2. Bei der Versicherung von Gebäuden umfasst der Versicherungsschutz ferner:

[…]

d) Suchkosten; darunter sind Aufwendungen zur Auffindung der Schadensstelle an den versicherten Rohren anlässlich eines ersatzpflichtigen Schadens zu verstehen.

[…]

4. Mitversichert sind:

a) Aufräumungskosten; darunter sind Aufwendungen für das Ausräumen der Schadenstätte und für die Abführung des Schuttes und nicht mehr verwendbarer Re ste bis zur nächsten geeigneten und gestatteten Ablagerungsstätte zu verstehen, soweit sie die versicherten Sachen betreffen

b) Abbruchkosten; darunter sind die Kosten für eine n im Schadenfall notwendig werdenden Abbruch stehengebliebener Teile versicherter Sachen und deren Abführung bis zur nächsten geeigneten und gestatteten Ablagerungsstätte zu verstehen

c) Reinigungs‑ und Abdeckkosten; unter Reinigungskosten sind Aufwendungen zur Schlussreinigung an den versicherten Sachen, unter Abdeckkosten Aufwendungen zur Vermeidung von Verunreinigungen oder Verschmutzungen anlässlich der Behebung eines versicherten Schadens zu verstehen

d) De‑ und Remontagekosten; darunter sind Aufwendungen für die unvermeidbare Entfernung und Wiedermontage von Einrichtungen zur Behebung eines entschädigungspflichtigen Schadens zu verstehen

[…]

Art 3

Nicht versicherte Gefahren und Schäden

1. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf

[…]

d) Schäden durch Grundwasser, Hochwasser, Wasser aus Witterungsniederschlägen oder dadurch verursachten Rückstau

[…]

Art 7

Obliegenheiten des Versicherungsnehmers i m Schadenfall

[…]

2. Der Versicherungsnehmer hat alle schriftlichen und mündlichen Angaben im Zuge der Schadenerhebung dem Versicherer richtig und vollständig zu machen

3. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehenden Obliegenheiten, so ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, es sei denn, dass die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht.

[…]“

Allgemeine Bedingungen für die Sturmschaden‑Versicherung (AStB)

Art 1

Versicherte Gefahren und Schäden

1. Der Versicherer gewährt nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Versicherungsschutz gegen Schäden durch Sturm, Hagel, Schneedruck, Felssturz, Steinschlag und Erdrutsch

[…]

7. Der Versicherer haftet nicht

[…]

e) für Schäden, die dadurch entstanden sind, dass sich die versicherten Gebäude in einem baufälligen Zustand befanden bzw ganz oder teilweise mangelhaft instandgehalten wurden oder dass im Zuge von Umbauten Baubestandteile aus der üblichen Verankerung oder Befestigung gelöst wurden oder noch nicht entsprechend mit dem sonstigen Bauwerk verbunden worden sind; diese Ersatzpflicht des Versicherers besteht aber, wenn der Versicherungsnehmer nachweist, dass der Schaden mit diesen Mängeln in keinem ursächlichen Zusammenhang steht.

[…]

Art 4

Sicher heitsvorschriften

Ergänzung zu Art 3 ABS:

Der Versicherungsnehmer ist verpflichtet, die versicherten Gebäude, vor allem das Dach laufend instand zu halten.

Diese Sicherheitsvorschrift gilt als vereinbart e Sicherheitsvorschrift iSd Art 3 ABS.“

Besondere Bedingungen für die Eigenheimversicherung System Plus

„[…]

Spezielle Deckungsverbesserungen

[…]

7. Leitungswasserschadenversicherung

[…]

7.2 Erweiterung des Versicherungsschutzes (Dichtungsschäden an Rohren, Schäden an angeschlossenen Einrichtungen und Armaturen, Verstopfungsschäden)

In Erweiterung des Art 1 Abs 2 lit a AWB umfasst der Versicherungsschutz auch die Kosten für die Behebung von Dichtungsschäden an Zu‑ und Ableitungsrohren, nicht jedoch an angeschlossenen Einrichtungen und Armaturen, innerhalb des versicherten Gebäudes.

[…]

Erweiterte r Elementargefahrenschutz

12. Schäden durch Überschwemmung, Oberflächenwasser, Vermurung, Rückstau, Lawinen‑ und Lawinenluftdruck sowie Erdbeben.

12.1 Schäden am Gebäude

In Erweiterung von Art 1 AStB sind Schäden durch Überschwemmung, Oberflächenwasser, Vermurungen und Rückstau als Folge von Witterungsniederschlägen und Hochwasser, Lawinen‑ und Lawinenluftdruck sowie durch Erdbeben mitversichert.“

Im September/Oktober 2014 wurden beim Waschbecken im Kinderbadezimmer ein neuer Mischer, eine neue Ablaufgarnitur und ein neuer Siphon montiert.

Im April 2015 bemerkte die Klägerin einen Wasserschaden im Mansardenbereich des Gebäudes, und zwar in der Diele, im Kinderzimmer, im Bereich der Mauer vor dem Kinderbad und im Parterre im Bereich der Schleuse zwischen Garage und Dach des Wohnhauses.

Unmittelbar nach Schadenseintritt wurden die Wasserschäden von einem Professionisten begutachtet. „Es kann nicht festgestellt werden, ob der Siphon im Kinderbadezimmer gelockert war und in weiterer Folge fixiert wurde.“

Danach wurde über Auftrag der Klägerin das Dach überprüft und repariert, die Fenster wurden ausgeputzt, Lüfter und Garage abgedichtet, wofür die Klägerin 1.083,17 EUR leistete.

Ab 2. 6. 2015 beauftragte die Klägerin eine Leckortung, anlässlich der drei Druckproben im Badezimmer durchgeführt wurden, die Druckverluste im Rohrsystem ergaben.

Zur Feststellung des Schadens und zur Schadensbewertung wurde in der Folge von der Beklagten die S***** GmbH (in weiterer Folge: S GmbH) beigezogen.

Am 12. 6. 2015 erfolgte eine weitere Besichtigung, bei welcher auch ein Sachverständiger der S GmbH und die Klägerin anwesend waren. Sie schloss diesem gegenüber aus, dass Ursache für die Wasserschäden ein Fehler am Flachdach der Garage sein könnte. Die Klägerin teilte auch nicht mit, dass nach Eintritt des Wasserschadens eine Überprüfung des Flachdachs erfolgt und Abdichtungsarbeiten durchgeführt worden waren. Zur Ermittlung der Schadensursachen wurden „dabei“ zerstörende Maßnahmen zur Freilegung der Rohrleitungen im Kinderbadezimmer durch die S GmbH angeordnet. Nachdem Rohrleitungen und Dusche freigelegt waren, fanden am 18. Juni 2015 erneut Leckortungsarbeiten statt. Bei einer Druckprobe der Wasserleitungen wurde kein Druckverlust festgestellt. Im Bereich des Mischers der Dusche wurden erhöhte Feuchtigkeitswerte gemessen. An den restlichen Mauerwerken im Bereich um das Kinderbadezimmer konnte ein Rückgang der Feuchtigkeit festgestellt werden. Das Flachdach der Garage wurde ebenfalls überprüft, wobei keine Fehlerquellen gefunden wurden.

Am 6. Juli 2015 fanden erneut Feuchtigkeitsmessungen statt, wobei ein Rückgang der Feuchtigkeit verzeichnet wurde. Lediglich im Bereich des Mischers der Dusche und im Mauerwerk des Kinderbadezimmers waren die Feuchtigkeitswerte höher.

Am 14. Juli 2015 wurden weitere Rohrleitungen im Kinderbadezimmer, welche zuvor freigelegt worden waren, überprüft. Diese waren frei von Mängeln. Die Feuchtigkeitswerte bei den in weiterer Folge durchgeführten Feuchtigkeitsmessungen waren weiterhin rückläufig.

Mit Rechnungsprüfungsbericht vom 12. Juli 2016 teilte die S GmbH der Beklagten mit, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Mängel an der Verblechung des Garagenflachdachs ursächlich für den Wassereintritt aufgrund Niederschlags in das Kinderbadezimmer gewesen seien und andere Schadensursachen ausgeschlossen würden.

„Es kann nicht festgestellt werden, welches Ereignis für den Eintritt des Wasserschadens im Bereich des Kinderbadezimmers ursächlich war.“

Im Mai 2016 wurde das Kinderbadezimmer „saniert“. Die Kosten dafür betrugen 4.987,08 EUR und wurden von der Klägerin beglichen.

Das Erstgericht traf diese Feststellungen ohne Einholung von Sachverständigengutachten und ohne Begründung dazu, warum es dem Beweisantrag der Klägerin nicht folgte.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 6.070,25 EUR sA. Im Frühjahr 2015 sei in ihrem Wohnhaus ein Wasserschaden aufgrund ausgetretenen Leitungswassers aufgetreten. Im Oktober 2014 seien die Armaturen im Bad erneuert worden, weshalb sie als Schadensursache ein gelockertes Anschlussrohr unterhalb des Waschbeckens vermutet habe. Nach Kontaktierung einer Sanierungsfirma und nach Besichtigung durch diese sei das Anschlussrohr mit Dichtmaterial fixiert worden. Als mögliche weitere Schadensursache sei der Klägerin ein Wassereintritt über das Dach genannt worden. Die Klägerin habe sodann die Durchsicht des Dachs beauftragt. Dabei seien Stellen im Bereich des Hauptdachs und des Garagenflachdachs nachsilikoniert und Lüfter abgedichtet worden. Die Kosten dafür hätten 1.083,17 EUR betragen. In weiterer Folge seien zur Leckortung Dusch‑ und Brausetasse demontiert und Rohrleitungen freigelegt worden. Nachdem bis zur letzten Überprüfung am 13. Juli 2015 alle Feuchtigkeitswerte rückläufig gewesen seien und kein Rohrgebrechen habe festgestellt werden können, seien die Leckorter von einem einmaligen Wassereintritt über das Dach nach Niederschlägen ausgegangen. Hilfsweise liege daher ein Elementarschaden durch Oberflächenwasser infolge Witterungsschäden vor. Die Sanierung und Wiederherstellung des zerstörten Duschbereichs samt Wandverfliesung und Wandanstrich habe 4.987,08 EUR gekostet. Die Beklagte habe für diese Kosten einzustehen. Es liege kein die Leistungsfreiheit begründender Risikoausschluss und keine schuldhafte Obliegenheitsverletzung vor.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe der Beklagten einen Gebäudeschaden durch Niederschlagswasser gemeldet, welcher sich am 12. Juni 2015 ereignet haben soll. Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige habe festgestellt, dass kein Schaden an Druckleitungen oder dem Ablauf des Duschbereichs vorgelegen habe. Ursache für die Feuchtigkeitsschäden sei vielmehr eine Undichtheit des Flachdachs gewesen. Schadenskausal sei nicht ein Leitungsrohrgebrechen oder Oberflächenwasser, sondern das baufällige oder mangelhafte Dach der Klägerin. Es bestehe daher Leistungsfreiheit aufgrund des Risikoausschlusses gemäß Art 1.7e AStB oder aufgrund der grob schuldhaften Verletzung der Instandhaltungspflicht gemäß Art 4 AStB. Im Übrigen sei die Beklage leistungsfrei, weil die Klägerin ihre Auskunftsobliegenheit im Zuge der Schadenerhebung schuldhaft verletzt habe, indem sie den Sachverständigen der Beklagten nicht über die bereits am Dach durchgeführten Sanierungsarbeiten in Kenntnis gesetzt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beweislast für die anspruchsbegründende Voraussetzung des Eintritts des Versicherungsfalls treffe den eine Versicherungsleistung beanspruchenden Versicherungsnehmer. Die Negativfeststellung zum Schadenereignis gehe zu Lasten der Klägerin.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Klägerin habe das Vorliegen eines Versicherungsfalls nicht unter Beweis gestellt. Soweit die Klägerin die Kosten für die Durchführung der Arbeiten am Dach als Aufwendungen im Sinne der §§ 63 Abs 1 und 66 Abs 1 VersVG ersetzt wissen möchte, scheitere dies daran, dass der Anspruch auf Ersatz dieses Aufwands – sollte ein solcher tatsächlich vorliegen – das rechtliche Schicksal des Anspruchs auf Ersatz des Grundschadens teile. Im Übrigen habe die Klägerin dem Sachverständigen der Beklagten nicht mitgeteilt, dass nach Eintritt des Wasserschadens und vor dem Besichtigungstermin am 12. Juni 2015 bereits eine Überprüfung des Flachdachs der Garage und Abdichtungsarbeiten durchgeführt worden seien. Damit habe sie ihre Obliegenheit gemäß Art 7.2 AWB schuldhaft verletzt. Die Nichterwähnung der Reparatur des Dachs sei wesentlich für die weiteren Anordnungen des Sachverständigen gewesen.

Das Berufungsgericht erklärt die Revision nachträglich für zulässig. Die Klägerin werfe dem Berufungsgericht einen Verstoß gegen die Bestimmungen der §§ 182, 182a ZPO insoweit vor, als es einen falschen Maßstab an die Bestimmtheitserfordernisse eines Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens angelegt haben soll.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist teilweise berechtigt.

1. Die Gebäudeversicherung umfasst hier eine Elementarschaden‑ und eine Leitungswasserschadenversicherung. Die Klägerin geht vorrangig vom Eintritt eines Schadens durch austretendes Leitungswasser aus; hilfsweise von einem in der Elementarschadenversicherung gedeckten Eintritt von Oberflächenwasser nach Niederschlägen über das Dach. Die Beklagte hält dem entgegen, Ursache des Schadenfalls sei ein Wassereintritt aufgrund einer Undichtheit des Dachs gewesen, wofür nach Art 1.7e bzw Art 4 AStB kein Deckungsschutz bestehe.

2.1 Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab, weil die zum Schadenereignis getroffene Negativfeststellung zu Lasten des Versicherungsnehmers gehe, den die Beweislast für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalls treffe.

2.2 Nach ständiger Rechtsprechung wird eine Rechtssache unrichtig beurteilt, wenn der Entscheidung unzulässige überschießende Feststellungen zugrunde gelegt werden (RIS‑Justiz RS0040318 [T2]; RS0036933 [T10, T11, T12]; RS0037972 [T11]; RS0112213 [T1, T4]). Das Gericht darf grundsätzlich die bei einer Beweisaufnahme hervorgekommenen Umstände nur soweit berücksichtigen, als sie im Parteivorbringen Deckung finden. Darüber hinausgehende „überschießende“ Feststellungen dürfen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagsgrundes oder der erhobenen Einwendungen halten (RIS‑Justiz RS0037972 [T9]; RS0036933 [T7]).

2.3  Das Prozessvorbringen im vorliegenden Fall beinhaltet den Schadenseintritt durch Leitungswasser (Klägerin) oder durch den Eintritt von Niederschlagswasser über das Dach (Beklagte; hilfsweise auch die Klägerin). Soweit damit die Negativfeststellung des Erstgerichts auf die Möglichkeit einer weiteren, von diesem Parteivorbringen der Streitteile nicht umfassten, und auch gar nicht indizierten anderen Ursache abzielt, ist dies als überschießend nicht zu berücksichtigen. Damit kommt der „Negativfeststellung“ des Erstgerichts lediglich die Bedeutung zu, dass der Schadensfall entweder durch den Austritt von Leitungswasser oder durch über das Dach eintretendes Niederschlagswasser verursacht wurde.

3. Der Versicherungsnehmer, der eine Versicherungsleistung beansprucht, muss die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des Eintritts des Versicherungsfalls beweisen (RIS‑Justiz RS0080003).

Dies ist der Klägerin hier insoweit gelungen, als sie bewiesen hat, dass entweder der Versicherungsfall nach Art 1.1 AWB oder jener nach Art 12.1 der Besonderen Bedingungen für die Eigenheimversicherung System Plus eingetreten ist.  Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin vor dem Hintergrund des Bestehens des Versicherungsschutzes für beide in Frage kommenden Risiken bei nicht eindeutiger Schadensursache Such‑ und Kontrolltätigkeiten entfaltete.

4. Zu diesem Zweck beauftragte sie eine Firma mit der Überprüfung des Dachs. Dabei wurde dieses kontrolliert, repariert, die Fenster ausgeputzt, Lüfter und Garage abgedichtet, wofür sie 1.083,17 EUR aufwendete.

Erkennend, dass aufgrund der Bedingungslage in der Elementarschadenversicherung für derartige Aufwendungen keine Deckungspflicht vereinbart wurde, begründet die Klägerin ihren Ersatzanspruch hier mit § 63 Abs 1 VersVG (Rettungskosten) oder § 66 Abs 1 VersVG (Ermittlungs‑ und Feststellungskosten).

4.1 Nach § 62 VersVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalls den Schaden möglichst abzuwenden oder zu mindern. Er hat unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Rettungsaufwands durch den Versicherer. Mit dem Beginn eines Ereignisses, das in seiner Folge wahrscheinlich den Schaden herbeiführen wird, beginnt die Abwendungs‑ und Minderungspflicht (RIS‑Justiz RS0080451 [T3]). Nach § 63 Abs 1 VersVG fallen dem Versicherer auch erfolglose Aufwendungen des Versicherungsnehmers gemäß § 62 VersVG zur Last, soweit sie der Versicherungsnehmer den Umständen nach für geboten halten durfte. Voraussetzung für die Anwendung der §§ 62 ff VersVG ist aber, dass der Versicherungsfall unmittelbar bevorstand oder der Versicherungsnehmer subjektiv dies annehmen durfte, wofür stets den Versicherungsnehmer die Beweislast trifft (7 Ob 307/00y).

In der Regel nicht zu den Rettungskosten iSd § 63 VersVG zählen demgegenüber Sacherhaltungs‑ bzw Schadensverhütungskosten, die vom Versicherungsnehmer nicht in Kontext mit der Abwehr (oder zumindest Minderung) eines der versicherten Sache unmittelbar drohenden Schadens aufgewendet werden. Dies hat die Ursache darin, dass derartige Aufwendungen vom – grundsätzlich auf den Ersatz des Primärschadens gerichteten – Versicherungsschutz nicht umfasst sind ( Vonkilch in Fenyves/Schauer VersVG § 63 Rz 22).

Die Klägerin hat nicht dargetan, inwieweit die von ihr getätigten Aufwendungen geboten waren, um einen unmittelbar bevorstehenden Schaden abzuwenden oder sie dies annehmen durfte, sodass ein Ersatz als Rettungskosten nicht in Betracht kommt.

4.2 Nach § 66 Abs 1 VersVG hat der Versicherer die Kosten, die durch die Ermittlung und Feststellung des ihm zur Last fallenden Schadens entstehen, dem Versicherungsnehmer insoweit zu ersetzen, als die Aufwendungen den Umständen nach geboten waren.

Ermittlung bedeutet die Erforschung des Schadens als technischen Sachverhalt; Feststellung ist dagegen auf den Schaden im Hinblick auf die Entschädigungspflicht bezogen und umfasst insbesondere jede Tätigkeit, die auf die Konstatierung der Schadenshöhe gerichtet ist ( Beckmann in Honsell Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 66 Rn 6 mwN; vgl auch Ertl in Fenyves/Schauer VersVG § 66 Rz 9). Typische Ermittlungs- und Feststellungskosten sind Auslagen für Sachverständige oder Spesen für die Beschaffung von Urkunden ( Ertl aaO Rz 10).

Inwieweit die geltend gemachten Aufwendungen, für die die Klägerin hier Ersatz begehrt, der Ermittlung bzw der Feststellung dienten, lässt der bloße Verweis auf die Gesetzesstelle nicht erkennen. Eine Ersatzpflicht der Beklagten wurde auch hier nicht dargelegt.

4.3 Der Ersatz der Aufwendungen in Höhe von 1.083,17 EUR gebührt demnach nicht, sodass es einer weiteren Prüfung des Vorliegens der geltend gemachten Ausschlusstatbestände des Art 1.7e und Art 4 AStB nicht bedurfte.

5.1 Anders verhält es sich mit den Aufwendungen im Zusammenhang mit den Leckortungen und der De‑ und Remontage des Kinderbadezimmers in Höhe von 4.987,08 EUR. Diese Kosten stehen im Zusammenhang mit der Suche nach einer Schadensstelle an den versicherten Rohren, wobei die Durchführung der mit diesen Aufwendungen verbundenen Tätigkeiten über ausdrückliche Weisung der Beklagten erfolgte. Dass diese Kosten grundsätzlich vom Versicherungsschutz umfasst sind, wird von der Beklagten auch nicht bezweifelt.

5.2 Die Beklagte beruft sich aber darauf, dass die Klägerin ihre Auskunftsobliegenheit im Zuge der Schadenerhebung verletzt habe, indem sie den Sachverständigen nicht auf bereits erfolgte Arbeiten am Dach hingewiesen, sondern vielmehr einen Fehler am Dach als Ursache für den Wassereintritt sogar ausgeschlossen habe.

5.3 Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RIS‑Justiz RS0116978). Der Versicherer braucht nur den objektiven Tatbestand einer Obliegenheitsverletzung nachzuweisen, während es Sache des Versicherungsnehmers ist, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen habe. Dass – bei grob fahrlässiger Begehung einer Obliegenheitsverletzung – die Verletzung weder auf die Feststellung eines Versicherungsfalls noch auf die Feststellung und den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen Einfluss gehabt hat, ist vom Versicherungsnehmer im Verfahren erster Instanz zu behaupten und zu beweisen (RIS‑Justiz RS0081313). Eine nur leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (RIS‑Justiz RS0043728 [T4]). Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen. Unter Kausalitätsgegenbeweis ist der Nachweis zu verstehen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat. Dies kann für den Gesamtschaden oder einen Teil des Schadens gelingen (RIS‑Justiz RS0116979).

5.4 Die Revision zieht die vom Berufungsgericht bejahte Verletzung der Auskunftsobliegenheit nicht in Zweifel, sie verweist jedoch darauf, dass die Obliegenheitsverletzung auf leichter Fahrlässigkeit beruhe.

Der Versicherungsnehmer kann davon ausgehen, dass ein Versicherer, dem das Weisungsrecht zukommt, gerade bei nicht eindeutiger Schadensursache – wie hier – selbst entscheidet, welche Kontroll‑ und Suchtätigkeiten er entfalten will und er sich dabei nicht auf die laienhafte Meinung des Versicherungsnehmers oder auf Meinungen oder Handlungen von nicht von ihm beauftragten Handwerkern verlassen wird, ohne sich selbst über die Situation eine Meinung durch seine Sachverständigen zu bilden. Das heißt, es war zu erwarten, dass der Versicherer das Dach kontrollieren lässt, wenn er dort die Schadensursache vermutet, unabhängig davon, ob ihm die Klägerin die vermisste Aufklärung erteilt hat oder nicht. Der Versicherer muss entscheiden, was er aufgrund der jederzeit zu begutachtenden unklaren Situation für zweckmäßig hält. Ordnet er daher von sich aus an, dass zuerst Abbrucharbeiten im Kinderbadezimmer zur Leckortung vorgenommen werden sollen, bevor er das Dach kontrollieren lässt, dann kann das Unterbleiben der Aufklärung nur leichte Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers begründen.

5.5 Die geltend gemachte Leistungsfreiheit infolge Obliegenheitsverletzung ist daher zu verneinen, die Beklagte hat den Betrag von 4.987,08 EUR zu ersetzen.

6. Der Revision ist damit teilweise Folge zu geben, ein Eingehen auf die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erübrigt sich.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des erstgerichtlichen Verfahrens auf § 43 Abs 1 ZPO, hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens auf die §§ 50, 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin obsiegte mit 82 %. Sie erhält 64 % ihrer Kosten ersetzt. Die Gerichtsgebühren sind im Ausmaß des tatsächlichen Obsiegens zu ersetzen.

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