European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00017.18B.0221.000
Spruch:
Die Revision wird in Ansehung der Klagsforderung von 10.272,96 EUR sA zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Mit Beschluss vom 27. September 2017, 7 Ob 155/17w, hat der Oberste Gerichtshof die Revision in Ansehung konkret bezeichneter Klagsforderungen als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher nur mehr die Klagsforderung in Höhe von 10.272,96 EUR sA.
Die vom Berufungsgericht in diesem Umfang nachträglich zugelassene Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
2. Die ständige Rechtsprechung geht zwar von der analogen Anwendung des Handelsvertreterrechts auf Vertragsverhältnisse zwischen Markenherstellern und deren Vertragshändlern aus (vgl RIS‑Justiz RS0110369); ob die Beklagte hier Vertragshändlerin oder Handelsvertreterin ist, kann aber dahingestellt bleiben. Auch in diesem Fall würde sich die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Vertragsauflösung danach beurteilen, ob ein wichtiger Grund für die Auflösung des Dauerschuldverhältnisses gegeben ist (vgl 7 Ob 292/98m, 8 Ob 295/99m).
3. Dauerschuldverhältnisse können ohne Rücksicht auf Kündigungstermine und Kündigungsfristen aufgelöst werden, und zwar in der Regel ohne Nachfristsetzung (RIS‑Justiz RS0018305), wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt (RIS‑Justiz RS0027780). Als wichtige Gründe kommen Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bindungen nicht zumutbar erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0018305 [T57], RS0018377 [T20]; RS0027780 [T47]).
4. Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0018305 [T52, T65], RS0042834, RS0111817), die hier von den Vorinstanzen im Rahmen der Judikatur bejaht wurde:
Trotz der Beanstandungen der Klägerin kam es wiederholt zu Zahlungsrückständen in beträchtlicher Höhe, deren Ausgleich die Beklagte zwar zusagte, aber nicht durchführte. So resultieren allein die hier klageweise geltend gemachten – von der Beklagten unbestrittenen – Beträge aus den Rechnungslegungen in den der Vertragsauflösung vorangegangenen Monaten. Selbst nach der Umstellung der Klägerin auf Vorauskasse langten keine Zahlungen für – bereitgestellte – Lieferungen ein, Gespräche über die Zukunft der Geschäftsbeziehungen wurden von der Beklagten abgelehnt, zumindest ein Kunde wurde unzureichend betreut, eine mit der Klägerin und einem Dritten vereinbarte Gebietsaufteilung wurde untergraben, indem die Beklagte dem neuen Vertriebspartner Daten vorenthielt und zu ihm weiterhin in Konkurrenz trat, bis sie letztlich von der Vereinbarung (einseitig) zurücktrat. Vor diesem Hintergrund bildet die Annahme der Vorinstanzen, die Klägerin habe das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund wirksam aufgelöst, weshalb auch die von der Beklagten erhobene Gegenforderung, gegründet auf der Auflösung nachfolgende Gewinneinbußen, nicht berechtigt sei, keine im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmende Fehlbeurteilung.
6. Richtig ist zwar, dass wichtige Gründe, die die vorzeitige Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses rechtfertigen könnten, bei sonstigem Verlust unverzüglich geltend gemacht werden müssen. Bei langer Duldung des den Auflösungsgrund bildenden Sachverhalts kann ein stillschweigender Verzicht nach § 863 ABGB angenommen werden, wenn das Zuwarten mit der Auflösungserklärung unter Umständen erfolgt, aus denen mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig bleibt, dass der Sachverhalt nicht mehr als wichtiger Auflösungsgrund geltend gemacht werden soll (8 Ob 97/16x mwN, vgl RIS‑Justiz RS0111862). Die Klägerin beanstandete die schleppenden Zahlungen durch die Beklagte regelmäßig und setzte zunehmend schärfere Maßnahmen (Vorauskasse) gegen die Beklagte. Vor diesem Hintergrund konnte die Beklagte nicht im Sinn der dargelegten Judikatur darauf schließen, dass die Klägerin das Verhalten nicht als unzumutbar empfinde und auf die Geltendmachung des wiederkehrenden Zahlungsverzugs als Kündigungsgrund verzichte.
7. Der Vollständigkeit halber wird darauf hingewiesen, dass der Urteilsspruch zwar den Ausspruch über die Berechtigung der (unstrittigen) Klagsforderungen und die Nichtberechtigung der Gegenforderungen, aber keinen Leistungsbefehl enthält. Eine derartige Vorgangsweise ist im Gesetz nicht vorgesehen. Es handelt sich tatsächlich auch um kein „Zwischenurteil“, da die Klagsforderungen auch der Höhe nach als zu Recht bestehend festgestellt wurden. Dagegen wendet sich die Revision aber nicht, sodass dies vom Obersten Gerichtshof hier infolge Zurückweisung der Revision nicht aufgegriffen werden kann.
8. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, die Klägerin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
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