Normen
Mietengesetz §5
Mietengesetz §6
Mietengesetz §5
Mietengesetz §6
Spruch:
Zur Frage der Reparatur und Errichtung eines Personenaufzuges (§§ 5, 6 MietG.).
Entscheidung vom 29. Juni 1955, 7 Ob 170/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Innere Stadt Wien; II. Instanz:
Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.
Text
Die Mietkommission beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien wies das Begehren der Antragsteller, die behaupten, Mieter im Hause Wien I., G 12, zu sein, den Antragsgegnern als Hauseigentümern aufzutragen, die Reparatur des vorhandenen Personenaufzuges, allenfalls die neue Herstellung eines solchen, binnen einer angemessenen Frist in Angriff zu nehmen und durchzuführen, ab. Das Beschwerdegericht wies das Begehren wegen Unzuständigkeit der Mietkommission zurück. Es vertrat die Auffassung, daß ein Anspruch der Mieter nach § 6 Abs. 1 MietG. nicht vorliege und daher ein Auftrag an die Hauseigentümer nach § 8 MietG. durch die Mietkommission nicht erteilt werden könne. Die Zuständigkeit der Mietkommission sei daher nicht gegeben. Die Antragsteller des Verfahrens vor der Mietkommission begehren nunmehr als Kläger, die beklagten Hauseigentümer schuldig zu erkennen, den Personenaufzug aus den Mitteln des Instandhaltungszinses instandsetzen zu lassen und den klagenden Parteien die Benützung dieses Aufzuges einzuräumen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Unbestritten sei folgender Sachverhalt: Die Wohnungen der Kläger befinden sich im dritten, vierten und fünften Stockwerk des Hauses. Bei Abschluß aller Mietverträge sei die Mitbenützung eines Aufzuges mit inbegriffen gewesen, und habe der Aufzug bis zum Jahr 1949 funktioniert. Die Hausverwalterin habe einem ihr am 3. Juli 1949 erteilten Auftrag zur Generalreparatur nicht entsprochen, vielmehr den Betrieb des Aufzuges einstellen lassen. Für die Deckung der Kosten der Inbetriebsetzung des Aufzuges sei die nötige Zinsreserve vorhanden. Die beklagten Parteien weigern sich, den Instandhaltungszins für die Inbetriebsetzung des Aufzuges aufzuwenden. Das Erstgericht meint nun, daß die Generalreparatur eines Aufzuges als Ausgestaltung einer der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden, einer zeitgemäßen Wohnkultur entsprechenden Anlage anzusehen sei. Die Beklagten seien daher verpflichtet, den hiefür notwendigen Aufwand aus den Hauptmietzinsen zu decken.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es stellte allerdings ergänzend fest, daß der Aufzug, wie sich aus dem Parteivorbringen und dem Schreiben der Hausverwaltung vom 3. November 1953 ergebe, völlig unbenützbar und so verbraucht sei, daß er nicht repariert werden könne. Es müsse daher ein neuer Aufzug mit einem Erfordernis von über 80.000 S installiert werden. Unter dieser Annahme stelle sich das erhobene Begehren als ein solches im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. a MietG. dar. Da die Zinsreserve zur Deckung des Erfordernisses ausreiche und Auslagen für die ordnungsgemäße Erhaltung und Verwaltung des Hauses, welche die gegebene Deckung schmälern würden, gar nicht behauptet worden seien, sei das Erstgericht mit Recht zur Stattgebung des Klagebegehrens gelangt.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten Folge, hob die Urteile der Untergerichte auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Nach der derzeitigen Aktenlage kann, wie das Berufungsgericht richtig ausführt, von einem stillschweigenden Verzicht auf die Wiederinstandsetzung des Aufzuges, also auf einen aus den Bestandrechten der Mieter fließenden Anspruch, keine Rede sein; denn der bloße Ablauf der Zeit läßt eine solche Annahme nicht gerechtfertigt erscheinen. Besonders bei der Beurteilung, ob die Unterlassung der Ausübung eines Rechtes einen stillschweigenden Verzicht auf dieses Recht bedeutet, ist Vorsicht am Platz. Irgendwelche Umstände außer dem Zeitablauf, die die Annahme eines Verzichtes auf die Instandsetzung oder den Betrieb eines Aufzuges rechtfertigen würden, haben die Beklagten nicht angeführt.
Die Kosten des Betriebes und der Instandhaltung eines Personen- oder Lastenaufzuges sind nach § 5 Abs. 1 MietG. als besondere Aufwendungen zugunsten der Personen anzusehen, die auf die Benützung Anspruch erheben. Nach § 6 Abs. 1 Z. 3 MietG. sind allfällige Verbesserungen des Hauses aus den Hauptmietzinsen zu bestreiten. Als solche Verbesserung ist die Errichtung oder Ausgestaltung von der gemeinsamen Benützung der Bewohner dienenden, einer zeitgemäßen Wohnkultur entsprechenden Anlagen zu verstehen. Der Oberste Gerichtshof pflichtet dem Berufungsgericht darin bei, daß die Errichtung eines Personenaufzuges unter diese Bestimmung fällt. Denn auch dann, wenn nicht alle Personen auf seine Benützung Anspruch erheben, ist er doch geeignet, ihren Bedürfnissen als Mieter des Hauses jederzeit zu dienen (siehe auch die Neufassung des § 5 Abs. 1 MietG.). Der Errichtung eines Aufzuges ist seine technische Umgestaltung gleichzuhalten, wenn dadurch eine Sache hergestellt wird, die mit der vor der Instandsetzung vorhanden gewesenen nicht mehr als wesensgleich angesprochen werden kann. In einem solchen Fall liegt die Ausgestaltung einer Anlage, wie sie § 6 Abs. 1 Z. 3 lit. a MietG. im Auge hat, vor. Andere Kosten des Betriebes und der Instandhaltung von Aufzügen können im Wege von Zuschlägen zum Mietzins eingehoben werden (§ 5 Abs. 1 MietG.). Der zweite Satz des § 5 Abs. 1 MietG. kann nicht aus dem Zusammenhang mit dem ersten Satz dieser Gesetzstelle herausgehoben und für sich allein einer Beurteilung unterzogen werden, wie dies die beklagte Partei tut. Es ist auch nicht richtig, daß die Anlage, die errichtet oder ausgestaltet werden soll, von allen Mietern benützt werden müsse. Es genügt, daß sie der Benützung der Hausbewohner dient. Da das Gesetz die zuletzt angeführten Worte selbst gebraucht (§ 6 Abs. 1 Z. 3 MietG.), kann von einer ausdehnenden Auslegung keine Rede sein. Ebensowenig liegt eine analoge Anwendung dieser Gesetzesbestimmung durch das Berufungsgericht vor. Das Berufungsgericht füllt ja nicht eine Gesetzeslücke aus, sondern legt eine bestimmte Vorschrift des Gesetzes aus.
Nach dem Inhalt der Prozeßbehauptungen der Kläger wird mit der Instandsetzung des Aufzuges die Installierung eines neuen Aufzuges verlangt. Ob diese allerdings notwendig ist, weil der bestehende Aufzug nicht mehr repariert werden kann oder seine Reparatur als unwirtschaftlich anzusehen ist, wurde in erster Instanz nicht erörtert. Aus diesem Gründe erweist sich aber eine Aufhebung der Urteile der Untergerichte und eine Rückverweisung der Sache an die erste Instanz als notwendig.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)