OGH 7Ob16/88

OGH7Ob16/8816.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anton M***, Pensionist, Lienz, Apothekergasse 2 a, vertreten durch Dr. Heinz Walther, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei C*** Versicherung auf Gegenseitigkeit, Wien 1., Lichtenfelsgasse 7, vertreten durch Dr. Herbert Machatschek, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 16.000 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 12. Februar 1988, GZ 1 R 26/88-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 11. November 1987, GZ 15 C 1655/87-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat bei der beklagten Partei eine Krankenversicherung, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskostenversicherung und Krankenhaustagegeldversicherung, Fassung 1985 (im folgenden nur AVB), zugrunde liegen. Nach § 5 B Abs. 12 der AVB werden für eine stationäre Heilbehandlung unter anderem in Anstalten (oder Abteilungen von Anstalten), in denen neben stationärer Heilbehandlung auch Rehabilitationsmaßnahmen oder Kurbehandlungen durchgeführt werden, Leistungen nur insoweit erbracht, als der Versicherer diese vor Beginn schriftlich zugesagt hat. Der Kläger war vom 3. August 1986 bis 31. August 1986 (29 Tage) in stationärer Behandlung im Landeskrankenhaus Laas. Es ist nicht strittig, daß es sich beim Landeskrankenhaus Laas um eine Anstalt handelt, in der neben stationärer Heilbehandlung auch Rehabilitationsmaßnahmen oder Kurbehandlungen durchgeführt werden. Eine schriftliche Leistungszusage der beklagten Partei vor Beginn der Behandlung des Klägers ist nicht erfolgt.

Der Kläger behauptet einen Anspruch auf Versicherungsleistungen von insgesamt S 34.800 und begehrt, abzüglich der von der beklagten Partei erbrachten Teilleistung von S 18.800, die restliche Versicherungsleistung.

Die beklagte Partei beruft sich auf die Ausschlußklausel des § 5 B Abs. 12 AVB. Bei dem Krankenhausaufenthalt des Klägers habe es sich überdies um einen Kuraufenthalt gehandelt. Sie habe aus Entgegenkommen den Aufenthalt des Klägers als Krankenhausaufenthalt gewertet und hiefür die tariflich vorgesehenen Leistungen erbracht. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach seinen Feststellungen erfolgte der Krankenhausaufenthalt des Klägers vom 3. August 1986 bis 31. August 1986 aufgrund einer ärztlichen Einweisung. Bei dem Krankenhausaufenthalt handelte es sich um eine medizinisch indizierte Heilbehandlung. Der Kläger befand sich bereits im Jänner 1985 drei Wochen im Krankenhaus Laas in stationärer Behandlung. Auch damals wurde von ihm keine schriftliche Leistungszusage der beklagten Partei eingeholt. Der Direktor der Landesdirektion Kärnten der beklagten Partei erklärte ihm damals, dieser Vorgang sei bei Vorliegen einer ärztlichen Einweisung nicht nötig. Damals wurden dem Kläger die Versicherungsleistungen von der beklagten Partei erbracht.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes habe der Kläger durch die Nichteinholung einer schriftlichen Leistungszusage eine Obliegenheit verletzt. Diese Obliegenheitsverletzung habe jedoch nicht die Leistungsfreiheit der beklagten Partei zur Folge. Eine solche Sanktion sei weder im Versicherungsvertragsgesetz noch in den AVB vorgesehen. Die beklagte Partei habe auch bereits einmal bei einem Aufenthalt des Klägers in derselben Anstalt die Versicherungsleistungen erbracht. Die Bestimmung des § 5 B Abs. 12 AVB sei überdies gemäß § 879 Abs. 3 ABGB nichtig. Durch diese Bestimmung der AVB werde es dem Versicherer überlassen, ob er Versicherungsschutz gewähren wolle, und dem Versicherten die Erlangung der ihm zustehenden Versicherungsleistung erschwert. Diese Klausel stelle somit eine gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Der Kläger habe demnach Anspruch auf ein Taggeld von S 350 und eine Rückvergütung von S 850 je für 29 Tage, zusammen sohin auf S 34.800.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und erklärte die Revision für zulässig. Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes handle es sich bei der Bestimmung des § 5 B Abs. 12 AVB um eine Risikobegrenzung und nicht um eine Obliegenheit. Diese Vertragsbestimmung stelle auch keine gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar. Es gebe zahlreiche Krankenhäuser in Österreich, zwischen denen der Versicherungsnehmer wählen könne, ohne sich in eine gemischte Anstalt begeben zu müssen. Dem Versicherungsnehmer sei zuzumuten, im Falle einer medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung nicht gerade eine gemischte Anstalt aufzusuchen, wenn er die schriftliche Zusage des Versicherers nicht einholen wolle. Die Tatsache, daß der Kläger bereits einmal für einen Aufenthalt im Landeskrankenhaus Laas ohne vorherige schriftliche Leistungszusage der beklagten Partei die Versicherungsleistung erhalten habe, habe den Kläger nicht von der Verpflichtung entbunden, eine schriftliche Zusage einzuholen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Zur behaupteten Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit ist darauf zu verweisen, daß die im § 503 Abs. 1 ZPO genannten Revisionsgründe im Zulassungsbereich inhaltlich eingeschränkt sind. Sie können nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie die zusätzliche Bedingung erfüllen, daß durch das Vorliegen eines allgemeinen Revisionsgrundes die im Urteil des Berufungsgerichtes erfolgte Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes, der erhebliche Bedeutung zukommt, unrichtig ist (3 Ob 565/84 ua). Dies trifft hier nicht zu, wobei auf die folgenden Ausführungen verwiesen werden kann. Eine Aktenwidrigkeit (die hier überdies nicht vorliegt) betrifft die Tatfrage und kommt daher schon deshalb im Rahmen des § 503 Abs. 2 ZPO als Revisionsgrund nicht in Betracht (5 Ob 590/84 ua).

Beizupflichten ist dem Berufungsgericht darin, daß es sich bei § 5 B Abs. 12 AVB nicht um eine verhüllte Obliegenheit, sondern um eine Risikobeschränkung handelt. Ob eine Obliegenheit oder eine Risikobeschränkung anzunehmen ist, ist nach dem Zusammenhang mit anderen Bedingungen und dem damit verfolgten Zweck zu beurteilen (VersR 1967, 774; 7 Ob 1/83 ua). Aus § 5 B Abs. 11 AVB ergibt sich, daß Versicherungsleistungen nur für stationäre Heilbehandlungen in Krankenanstalten, nicht aber auch für Rehabilitationsmaßnahmen oder Kurbehandlungen gewährt werden. Durch den Abs. 12 soll die nachträgliche Erörterung, ob gerade im konkreten Fall nicht eine Rehabilitationsmaßnahme oder eine Kurbehandlung vorlag, ausgeschlossen werden. Daran hat der Versicherer unter dem Gesichtspunkt der Risikobeschränkung ein berechtigtes Interesse (vgl. Prölss-Martin VVG24 1237). Zweck und Bedingungszusammenhang sprechen somit für das Vorliegen einer Risikobeschränkung. Für diese Auslegung spricht auch ein Vergleich mit der im wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des § 4 Abs. 5 (der deutschen) MBKK. Auch diese Bestimmung wird nach herrschender Ansicht nicht als verhüllte Obliegenheit aufgefaßt. Es wird insbesondere darauf hingewiesen, daß eine solche Auslegung auch nicht stets im Interesse des Versicherungsnehmers wäre (Prölss-Martin aaO 1240). Handelt es sich aber bei der in Rede stehenden Vertragsbestimmung nicht um eine Obliegenheit, erübrigt sich ein Eingehen auf die Revisionsausführungen zu den Fragen des Kausalitätsgegenbeweises, des Verschuldens und des Verzichtes auf die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung.

Steht fest oder ist es, wie im vorliegenden Fall, gar nicht strittig, daß es sich bei der Krankenanstalt um eine gemischte Anstalt im Sinne des § 5 B Abs. 12 AVB handelt und daß eine schriftliche Leistungszusage durch den Versicherer vor Beginn der Behandlung nicht abgegeben wurde, kommt es nicht mehr darauf an, ob eine stationäre Heilbehandlung oder nur eine Rehabilitations- oder Kurbehandlung erfolgte, weil durch die obgenannte Bestimmung, wie schon vorhin dargelegt wurde, gerade die nachträgliche Prüfung dieser Fragen ausgeschlossen werden soll.

Zu Recht hat das Berufungsgericht auch den Standpunkt des Klägers abgelehnt, daß die in Rede stehende Vertragsbestimmung gemäß § 879 Abs. 3 ABGB nichtig sei. Unerörtert bleiben kann in diesem Zusammenhang die Frage, ob durch diese Vertragsbestimmung noch die Hauptleistung des Versicherers festgelegt wird und sie daher der Inhaltskontrolle entzogen ist (vgl. hiezu Krejci in Rummel, ABGB, Rz 238 f zu § 879; JBl. 1987, 118). Zutreffend hat nämlich das Berufungsgericht schon dargelegt, daß eine gröbliche Benachteiligung des Versicherungsnehmers jedenfalls nicht gegeben ist. Es gibt so viele Krankenhäuser, zwischen denen der Versicherungsnehmer wählen kann, sodaß ihm zuzumuten ist, im Falle einer medizinisch notwendigen stationären Heilbehandlung nicht gerade eine gemischte Anstalt aufzusuchen (Prölss-Martin aaO). Die Rechtsposition des Versicherungsnehmers wird durch § 5 B Abs. 12 AVB gegenüber der des Versicherers nicht in sachlich nicht gerechtfertigter Weise verschlechtert. Wie schon oben gesagt wurde, liegt ein berechtigtes Interesse des Versicherers vor. Das Interesse des Versicherungsnehmers wird hingegen durch die Wahlmöglichkeit zwischen vielen Krankenanstalten hinreichend gewahrt. Es kann daher auch keine Rede davon sein, daß durch die Risikobeschränkung der vom Versicherungsnehmer verfolgte Vertragszweck geradezu vereitelt würde. Aus der von der Revision zitierten Entscheidung VersR 1978 615 ist für ihren Standpunkt deshalb nichts zu gewinnen, weil in jenem Fall die Behandlung nicht in einer gemischten Anstalt erfolgte. Bei der Äußerung des Direktors der Landesdirektion Kärnten der beklagten Partei anläßlich des Krankenhausaufenthaltes des Klägers im Jahre 1985 handelte es sich nur um eine Wissenserklärung, die nur den vormaligen Aufenthalt des Klägers im Landeskrankenhaus Laas betraf. Sie konnte nach ihrer Art und den Umständen, unter denen sie abgegeben wurde, vom Kläger nicht auch auf weitere Fälle bezogen und als generelle Zustimmung für weitere Krankenhausaufenthalte verstanden werden. Auch aus der vom Revisionswerber bezogenen deutschen Rechtsprechung zur Vertragsumgestaltung durch Erklärungen des Versicherungsagenten ist daher für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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