OGH 7Ob16/86

OGH7Ob16/8624.4.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** Stahlkonstruktionen Gesellschaft m.b.H Nachfolger KG, Ebreichsdorf, Linke Bahnzeile 24, vertreten durch Dr. Erwin Dick, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei I*** Internationale Unfall- und Schadensversicherungs AG, Wien 1., Tegetthoffstraße 7, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 244.494,82 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Jänner 1986, GZ. 4 R 212/85-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 19. Juni 1985, GZ. 21 Cg 494/84-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 10.983,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.920 S Barauslagen und 823,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat bei der Beklagten am 6. Oktober 1982 den Abschluß einer Firmenrechtsschutzversicherung beantragt, welcher Antrag von der Beklagten angenommen wurde. Auf die Schadensmeldung der Klägerin betreffend die von ihr beabsichtigte Geltendmachung einer Forderung gegen Josef K*** aus einem mit diesem abgeschlossenen Mietvertrag antwortete die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 21. Dezember 1983 dahin, daß sie weder für die bereits eingetretenen noch für die in Zukunft eintretenden Schadensfälle eine Versicherungsleistung erbringen werde. Sie habe nämlich in Erfahrung gebracht, daß mit der Klägerin bereits vor Abschluß des gegenständlichen Firmenrechtsschutzversicherungsvertrages ein solcher mit einem anderen Versicherer bestanden habe, der aber von diesem gekündigt worden sei. Die Klägerin habe in ihrem Versicherungsantrag die entsprechende Frage fälschlich verneint. Infolge Verschweigung von Tatsachen, die für die Beklagte von Bedeutung gewesen wären, müsse diese gemäß § 870 ABGB den zwischen den Streitteilen geschlossenen Vertrag nicht einhalten. Die Beklagte trete vom Versicherungsvertrag zurück und fechte diesen an. Abschließend wurde die Klägerin darauf hingewiesen, daß sie den vermeintlichen Anspruch auf Versicherungsleistung innerhalb einer Frist von 6 Monaten gerichtlich geltend zu machen habe und daß nach Ablauf dieser Frist die Leistungsfreiheit der Beklagten unanfechtbar feststehe (§ 12 VersVG).

Mit ihrer am 22. Juni 1984 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin zunächst nur die Deckung für ihren gegen Josef K*** wegen 244.494,82 S anhängig gemachten Prozeß. Diesbezüglich wurde das Klagebegehren inzwischen rechtskräftig abgewiesen. Im Zuge dieses Verfahrens stellte die Klägerin am 29. April 1985 (ON 9) ein Eventualbegehren auf Feststellung, daß der Firmenrechtsschutzversicherungsvertrag mit einer Versicherungsdauer vom 6. Oktober 1982 bis 6. Oktober 1992 aufrecht bestehe und die Beklagte im Rahmen dieses Versicherungsvertrages der Klägerin Versicherungsschutz zu leisten habe.

Die Vorinstanzen haben dem Eventualbegehren stattgegeben, wobei sie von folgenden Feststellungen ausgingen:

Die Klägerin war im Jahre 1982 bei der Versicherung "DAS" rechtsschutzversichert, doch kam es zu Unstimmigkeiten, weil die "DAS" im Hinblick auf den hohen Schadensverlauf vom Versicherungsnehmer höhere Prämien verlangen wollte, wozu die Klägerin nicht bereit war. Zwecks Abschluß eines neuen Versicherungsvertrages wandte sich hierauf der Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft Ing. K*** an seinen Versicherungsvertreter Erich K***, der bei der B*** V*** angestellt war. K*** wußte, daß seine Versicherung keine Rechtsschutzrisken übernimmt und wandte sich seinerseits an den ihm bekannten selbständigen Versicherungsmakler Z***. Dieser trat zu dem für das Maklerwesen im Bereich der Beklagten zuständigen Bediensteten der Beklagten F*** in Kontakt.

Z*** war bereits von K*** dahin informiert worden, daß die Klägerin zwar noch bei der "DAS" rechtsschutzversichert war, daß jedoch wegen Unstimmigkeiten eine Beendigung des Vertragsverhältnisses in Aussicht stehe. Dies teilte er F*** mit, der ihm wiederum den Rat gab, einen entsprechenden Versicherungsantrag der Beklagten ausgefüllt und unferfertigt an ihn zu übermitteln, wobei jedoch die Frage nach dem Bestand einer Vorversicherung nicht ausgefüllt werden möge, vielmehr in einem Beiblatt der tatsächliche Sachverhalt geschildert werden solle. Auf Grund dieser Auskunft kam es zu einem Zusammentreffen zwischen Ing. K*** und Z***, wobei das Antragsformular der Beklagten auf Abschluß eines Firmenrechtsschutzes mit einem Gesamtstreitwert von 200.000 S ausgefüllt wurde. Die Frage "Besteht oder bestand bereits eine Rechtsschutzversicherung" wurde nicht ausgefüllt.

Z*** hat gemeinsam mit dem Versicherungsantrag ein Schreiben an die Beklagte zu Handen des Bearbeiters Gerhard F*** gerichtet, in dem er auf die vorherige telefonische Absprache bezüglich der Fragen nach der Vorversicherung hinwies und den tatsächlichen Sachverhalt, nämlich den vorläufigen Bestand einer Vorversicherung mitteilte. Nicht festgestellt werden konnte, daß ein derartiges Schreiben bei der Beklagten nicht eingelangt wäre.

Die Vorinstanzen vertraten die Rechtsansicht, von einer unvollständigen oder irreführenden Information der Beklagten durch die Klägerin könne keine Rede sein, weil der für die Beklagte verhandelnde Beamte über den wahren Sachverhalt ausreichend in Kenntnis gesetzt worden sei und die Vorgangsweise der Klägerin der Vereinbarung mit diesem Beamten entsprach. Der Versicherungsantrag sei nicht unrichtig, sondern im Einvernehmen mit dem Beamten der Beklagten unvollständig ausgefüllt worden, doch sei im Hinblick auf die besprochene Vorgangsweise eine entsprechende Aufklärung mit dem Versicherungsantrag an die Beklagte abgegangen. Demnach hätte die Klägerin keine vorvertragliche Aufklärungspflicht verletzt oder die Beklagte in Irrtum geführt. Die Beklagte könne daher Deckungen im Rahmen des Versicherungsvertrages nicht verweigern. Da die Beklagte jedoch grundsätzlich eine Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag bestreite, bestehe ein rechtliches Interesse der Klägerin an der alsbaldigen Feststellung des Aufrechtbestehens dieses Vertrages. Die Tatsache, daß das Eventualbegehren erst nach Ablauf von 6 Monaten ab Ablehnung des Versicherungsschutzes für einen bestimmten Versicherungsfall gestellt worden sei, stehe einem Erfolg dieses Begehrens nicht entgegen, weil § 12 Abs. 3 VersVG nur für konkrete Leistungsansprüche, nicht aber für die Klärung der grundsätzlichen Frage des aufrechten Bestehens eines Versicherungsverhältnisses gelte.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt. Es hat die Revision für zulässig erklärt. Hiebei erachtete es lediglich die Frage, ob die Ausschlußfrist des § 12 Abs. 3 VersVG auch für die Feststellung des aufrechten Bestandes des Versicherungsvertrages gelte, für revisionswürdig.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes (offensichtlich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung) erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt. Zur neuerlich in der Revision aufgeworfenen Frage einer Prämienzahlung hat schon das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß eine diesbezügliche Einwendung der Beklagten im Verfahren erster Instanz nicht vorlag. Es hat diesbezüglich eine Verletzung der Anleitungspflicht durch den Erstrichter verneint. Demnach wird nunmehr ein bereits vom Berufungsgericht verneinter Verfahrensmangel neuerlich aufgerollt. Dies ist schon bei ordentlichen Revisionen unzulässig, umso mehr also bei Revisionen, deren Zulässigkeit sich lediglich aus § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO ergibt.

Was die Frage des Zugangs der entsprechenden Aufklärung an die Beklagte anlangt, so ist darauf zu verweisen, daß nach den getroffenen Feststellungen die Verneinung der entscheidenden Frage nicht durch die Klägerin erfolgte, demnach in dieser Hinsicht keine unrichtige Information vorlag. Die unvollständige Ausfüllung des Versicherungsantrages entsprach einer mit einem Angestellten der Beklagten getroffenen Vereinbarung. Inwieweit auf Grund dieser Vereinbarung eine allfällige Nichtabsendung der Aufklärung eine Verletzung vorvertraglicher Anzeigepflichten begründen könnte sowie wen das Risiko des Zugangs einer solchen Aufklärung traf, muß hier nicht näher geprüft werden, weil die konkreten Umstände des vorliegenden Falles erkennen lassen, daß diese Frage nur für den Einzelfall von Bedeutung ist. Es kann nämlich nicht erwartet werden, daß ein gleichgelagerter Sachverhalt auch in anderen Fällen in so erheblichem Umfang vorliegen wird, daß man von einer grundsätzlichen Rechtsfrage sprechen könnte. Demnach liegen bezüglich dieser Frage die Voraussetzungen des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vor. Zu prüfen war demnach nur, ob die Bestimmung des § 12 Abs. 3 VersVG auch für Klagen der vorliegenden Art gilt oder nicht. Dies ist hier deshalb von entscheidender Bedeutung, weil das entsprechende Klagebegehren erst nach Ablauf der sechsmonatigen frist, gerechnet vom Zugang des Ablehnungsschreibens der Beklagten, gestellt worden ist.

Nach § 12 Abs. 3 VersVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Anspruch auf die Leistung nicht innerhalb von 6 Monaten gerichtlich geltend gemacht wird. Die Frist beginnt erst, nachdem der Versicherer dem Versicherungsnehmer gegenüber den erhobenen Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen schriftlich abgelehnt hat. Vor der Erhebung von Ansprüchen ist eine Ablehnung unwirksam und kann den Versicherungsnehmer nicht zur Klage zwingen (Prölss-Martin VVG 23 , 122). "Anspruch auf die Leistung" ist enger als "Anspruch aus dem Versicherungsvertrag" (Prölss-Martin VVG 23 , 121). Daraus ergibt sich aber, daß die Behauptung des grundsätzlichen Zurechtbestehens des Versicherungsvertrages nicht die Geltendmachung eines Anspruchs auf die Leistung ist. Ein Anspruch auf die Leistung kann demnach immer nur ein ganz konkreter, aus dem Versicherungsvertrag abgeleiteter Anspruch sein. Dies entspricht dem Zweck der genannten Bestimmung, derzufolge die Rechtmäßigkeit der Deckungsablehnung im Interesse des Versicherers möglichst rasch endgültig geklärt werden soll, da "durch jede Verzögerung in der Erledigung zeifelhafter Ansprüche die zuverlässige Feststellung der maßgebenden Tatsachen erschwert und zugleich die Übersicht über den wahren Stand des Vermögens des Versicherers beeinträchtigt wird" (Prölss-Martin VVG 23 , 121).

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zunächst einen konkreten Versicherungsanspruch geltend gemacht. Diesen Anspruch hat die Beklagte im Sinne des § 12 Abs. 3 VersVG abgelehnt. Demnach mußte die Klägerin bei Gefahr des sonstigen Verlustes bezüglich dieses Anspruches eine Klage innerhalb von 6 Monaten ab der Ablehnung einbringen. Daß die Beklagte bei dieser Gelegenheit auch ganz allgemein die Wirksamkeit des Versicherungsvertrages an sich bestritt, hatte lediglich die Wirkung, daß die Klägerin auch zur Einbringung einer Feststellungsklage zwar berechtigt nicht aber, daß eine solche Feststellungsklage innerhalb von 6 Monaten einzubringen war. Die Bestimmung des § 12 Abs. 3 VersVG steht demnach dem nunmehrigen Begehren nicht entgegen.

Darüber hinaus ist auch noch zu bemerken, daß an das Schreiben des Versicherers, mit dem die Gewährung des Versicherungsschutzes nach § 12 Abs. 3 VersVG abgelehnt wird, besonders strenge Anforderungen gestellt werden müssen. Die Ablehnungserklärung muß demnach klar und unzweideutig sein und - bei Bestehen mehrerer Versicherungen - erkennen lassen, welcher Versicherungsanspruch abgelehnt wird (SZ 52/3, VersR 1981, 95, SZ 54/22 u.a.). Demnach muß aber auch klar erkennbar sein, welcher konkrete Anspruch abgelehnt wird.

Abgesehen davon, daß für das Begehren auf Feststellung, daß ein Versicherungsverhältnis grundsätzlich aufrecht besteht, die Bestimmung des § 12 Abs 3 VersVG gar nicht anwendbar ist, würde auch das Ablehnungsschreiben der Beklagten (Beilage C) bezüglich dieses Anspruches den oben aufgezeigten Voraussetzungen nicht entsprechen, weil dort ein "vermeintlicher Anspruch auf Versicherungsleistung" genannt ist, woraus die Klägerin keinesfalls entnehmen hätte können, daß sich die Ablehnung und die damit verbundene Fristsetzung auch auf das Begehren auf Feststellung des aufrechten Versicherungsvertrages erstrecken soll.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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