OGH 7Ob167/04s

OGH7Ob167/04s8.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Abwesenheitspflegschaftssache der am 14. März 1965 geborenen Galina W*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Einschreiterin Dr. Gerda Kostelka-Reimer, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 23. März 2004, GZ 44 R 73/04t-13, womit der Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss der Bezirksgerichtes Döbling vom 7. November 2003, GZ 2 P 66/03t-10, zurückgewiesen wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die antragstellende Rechtsanwältin strebt die Bestellung eines von ihr namhaft gemachten Rechtsanwaltes gemäß § 276 ABGB zum Abwesenheitskurator für die von ihr als Verfahrenshelferin (in zwei Ehescheidungs- [Klage und Widerklage] und einem Unterhaltsverfahren) vertretene, bis 16. 10. 2001 an der oa Adresse polizeilich gemeldete und tatsächlich wohnhafte Galina W***** an. Die Betroffene sei seither unbekannten Aufenthaltes und könne weder selbst, noch über ihre Mutter erreicht werden. Aufgrund des beträchtlichen Streitwertes und des Kostenrisikos sei es für die Verfahrenshelferin "weder möglich noch verantwortbar", ohne weitere Rücksprache Prozesshandlungen vorzunehmen. Ohne die Kuratorenbestellung wären die Interessen der Betroffenen gemäß § 276 ABGB durch Verzug gefährdet. Das Erstgericht wies den Antrag ab. Nach einer Rechtsmittelentscheidung im Scheidungsverfahren, habe die Verfahrenshelferin die ihr bereits erteilten Informationen und Prozessergebnisse (abgelegte Parteiaussage) schon bisher für ihr Vorbringen, umfangreiche Beweisanträge und ihre im Namen der Abwesenden erhobenen Rechtsmittel verwerten können. Die Interessen der Betroffenen seien daher durch die Verfahrenshilfe umfassend gewahrt, sodass ein zusätzlicher Schutz durch die Bestellung eines Abwesenheitskurators in der Person eines (weiteren) von der Verfahrenshelferin namhaft gemachten Rechtsanwaltes nicht notwendig sei.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Einschreiterin gegen diesen Beschluss zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da nur demjenigen ein Antragsrecht betreffend die Bestellung eines Abwesenheitskurators zukomme, der die Hemmung eigener Rechte dartue, sei der gegenständliche "Antrag", in dem lediglich eine Gefährdung der Rechte der Abwesenden behauptet werde, nur als Anregung zu verstehen. Der Einschreiterin fehle daher die Parteistellung und die Rekurslegitimation. Außerdem habe das Rekursgericht die Bestellung eines Kurators gemäß § 276 ABGB zutreffend verweigert, weil nach leg cit idF KindRÄG 2001 nunmehr vorrangig ein Prozesskurator gemäß § 116 ZPO zu bestellen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Einschreiterin ist nicht berechtigt.

§ 14 Abs 1 AußStrG macht keinen Unterschied zwischen Beschlüssen des Rekursgerichts, mit denen in der Sache selbst erkannt, und solchen, mit denen nur formell über ein Rechtsmittel entschieden wird. Ein Revisionsrekurs gegen den vorliegenden Zurückweisungsbeschluss wäre daher nach stRsp nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 14 Abs 1 AußStrG abhinge (RIS-Justiz RS0007130 und RS0007169; 1 Ob 58/03s; zuletzt: 5 Ob 33/04w mwN). Rechtsfragen dieser Qualität zeigt das ao Rechtsmittel der Einschreiterin jedoch nicht auf:

Auch im Verfahren außer Streitsachen steht ein Rekursrecht nur demjenigen zu, dessen rechtlich geschützte Interessen durch den angefochtenen Beschluss beeinträchtigt worden sind (RIS-Justiz RS0006497; RS0006641; zuletzt: 7 Ob 123/04w mwN). Materielle Beschwer bedeutet nach herrschender Ansicht, dass (nur) derjenige ein Rechtsmittel erheben kann, der behauptet, dass seine rechtlich geschützten Interessen durch den angefochtenen Beschluss unmittelbar beeinträchtigt werden, das heißt in dessen Rechtssphäre nachteilig eingegriffen wird (Kodek in Rechberger² Rz 10 Vor § 461 ZPO; Klicka/Oberhammer Außerstreitverfahren³ Rz 57; (8 Ob 32/04w mwN). Ein derartiger Eingriff in die Rechtssphäre der Einschreiterin (samt einer daraus abzuleitenden Rechtsmittellegitimation) ist jedoch auch nach der von ihr selbst wiedergegebenen Rechtsprechung grundsätzlich zu verneinen; wird doch auch in der im Rechtsmittel zitierten Entscheidung folgendes ausgesprochen:

"Nach § 9 Abs 1 AußStrG kann Rekurs erheben, wer sich durch die Verfügung der ersten Instanz über einen Gegenstand der Gerichtsbarkeit außer Streitsachen beschwert erachtet. Voraussetzung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist daher ein Eingriff in die geschützte Rechtssphäre. Der in seinen Rechten Verletzte ist zugleich Beteiligter des Verfahrens. Derjenige, dessen rechtlich anerkannte Interessen durch eine Entscheidung nicht berührt werden, hat keine Rechtsmittellegitimation" (6 Ob 163/97g).

"Anders als nach § 276 zweiter Fall ABGB, in dem das Pflegschaftsgericht in der Regel auf Antrag desjenigen tätig wird, dessen Rechte durch die Abwesenheit gehemmt werden, also unmittelbar Rechte des Antragstellers berührt werden, kommt nach dem ersten Fall der zitierten Gesetzesstelle einem - aus welchem Grund immer - Interessierten an der Bestellung eines Abwesenheitskurators zur Wahrung gefährdeter Rechte des Abwesenden zwar eine Antrags-(Anregungs-)legitimation zu, weil dem Pflegschaftsgericht hiedurch die Kenntnis von der Gefährdung der Rechte des Anwesenden verschafft werden soll, rechtlich anerkannte Interessen des Antragstellers (Anregers) werden aber durch die Bestellung oder Ablehnung der Bestellung eines Abwesenheitskurators aus diesem Grund aber nicht berührt. Die Rechtsmittellegitimation der Antragstellerin ist daher zu verneinen." (RIS-Justiz RS0108946 = 6 Ob 163/97g mwN; Hervorhebungen durch den erkennenden Senat).

Die im ao Revisionsrekurs bekämpfte Verneinung der Rechtsmittellegitimation eines "an der Bestellung eines Abwesenheitskurators zur Wahrung gefährdeter Rechte des Abwesenden Interessierten" - also auch der hier als "Einschreiterin" auftretenden Verfahrenshelferin - steht mit der zitierten stRsp daher in Einklang, während der im ao Rechtsmittel weiters bestrittenen Subsidiarität der Bestellung eines Abwesenheitskurators nach § 276 ABGB idF KindRÄG 2001 gegenüber der Bestellung eines Prozesskurators nach § 116 ZPO (vgl dazu bzw zur Rsp nach früherer Rechtslage:

Stabentheiner in Rummel³ I/1 [2003] Rz 6 zu § 276 ABGB bzw RIS-Justiz RS0049227 und RS0049239) keine entscheidungswesentliche Bedeutung für die angefochtene formelle Erledigung (Zurückweisung) des Rekurses der Einschreiterin zukommt.

Mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 14 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte