Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.490,-- (darin enthalten S 2.415,-- an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hatte zum Zeitpunkt des hier maßgeblichen Unfalles am 23. 8. 1996 für seinen Traktor Marke Steyr 760 mit dem pol. Kennzeichen O 177577 bei der Beklagten zu einer Pauschalversicherungssumme von 30,000.000 S eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen. Nach dem Versicherungsvertrag wies der Traktor neben dem Fahrer noch einen Beifahrersitz auf. Tatsächlich hatte sich der Kläger auf dem Traktor aber eine Sicherheitskabine, die die Montage eines Beifahrersitzes ausschließt, einbauen lassen, sodass dieser zwar für zwei Personen behördlich zugelassen war, aber dem Typenschein entsprechend nur einen Sitz hatte. Im Unfallszeitpunkt fuhren außer ihm noch zwei seiner Enkel auf dem Traktor (offenbar auf den Kotflügeln der Hinterräder sitzend) mit, wobei einer der Enkel verunglückte und schwer verletzt wurde. In einem Vorverfahren zwischen den Streitparteien wurde der Kläger als damaliger Beklagter zur Regresszahlung von S 33.333 an die beklagte Versicherung - die damalige Klägerin - verurteilt und festgestellt, dass er verpflichtet ist, der Klägerin ihre Aufwendungen aus dem Schadensfall bis zum Höchstbetrag von S 150.000 zu ersetzen. Dabei ging das Erstgericht damals davon aus, dass der Kläger - der damalige Beklagte - eine Obliegenheitsverletzung im Sinne des § 6 Abs 2 Z 3 der AKHB 1988 - Personenbeförderung "nur unter Einhaltung der betreffenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften" - zu verantworten hat. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens nahm das Gericht damals an, dass auch unter Zugrundelegung der Haftung des Beklagten nur zu einem Drittel anzunehmen sei, dass die Obergrenze von S 150.0000 jedenfalls erreicht werde.
Es ist auch anzunehmen, dass in Zukunft derzeit noch nicht annähernd abschätzbare Forderungen des Verletzten gegen den Kläger entstehen und erhoben werden.
Der Kläger begehrt nunmehr mit seiner Klage die Feststellung, dass die Beklagten ihm auf Grund des Haftpflichtversicherungsvertrages für den Schadensfall vom 23. 8. 1996 Schutz bis zu einem Betrag in Höhe von S 23,333.333 zu gewähren habe. Die Beklagte vertrete unberechtigt den Standpunkt, dass nur ein Deckungsbetrag von S 4,000.000 zur Verfügung stehe. Entsprechend der Berechnung nach § 6 Abs 4 der AKHB 1988 verringere sich die vereinbarte Versicherungssumme von 35,000.000 S um einen Betrag von S 11,666.667, sodass (seiner Ansicht nach) noch eine Deckung im Ausmaß von S 23,333.333 zur Verfügung stehe. Der Kläger habe berechtigt einen weiteren Mitfahrer befördert, da sowohl der Versicherungsvertrag als auch die Zulassung das Fahrzeug für zwei Personen vorgesehen habe. Auch sei dem Vertreter der Beklagten, dem Schwiegersohn des Klägers, durchaus bewusst gewesen, welches Fahrzeug versichert werde. Im Unfallszeitpunkt sei auch entsprechend § 41 Abs 2 lit i des KFG vor der 19. KFG-Novelle im Zulassungsschein die größte Anzahl der Personen, die mit dem KFZ befördert werden durften, einzutragen gewesen.
Die beklagte Versicherung beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete zusammengefasst ein, dass kein Sitzplatz für einen allfälligen Beifahrer auf dem Traktor zugelassen worden sei. Entsprechend § 6 Abs 4 der AKHB 1988 sei, da der Kläger zwei Personen zu Unrecht befördert habe, die Deckungssumme der Versicherung um zwei Drittel zu vermindern, und zwar sei von der gesetzlichen Versicherungssumme sohin 15,000.000 S auszugehen, weshalb die Deckungssumme nur 5,000.000 S betrage.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit der Feststellung des Deckungsschutzes bis zu einem Betrag in Höhe von S 15,000.000 statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren ab. Es folgerte rechtlich, dass zwar entsprechend § 5 Abs 1 Z 6 KHVG die vertragliche Versicherungssumme von 30,000.000 S auf 10,000.000 S zu reduzieren sei, dass aber jedenfalls die gesetzliche Haftpflichtversicherungssumme von S 15,000.000 nicht unterschritten werden dürfe.
Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil erhobenen Berufung der Beklagten und den klagsabweisenden Teil erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Dabei ging es rechtlich davon aus, dass die in § 6 Abs 2 Z 3 der AKHB 1988 festgehaltene Obliegenheit, wonach mit dem Fahrzeug nur die Anzahl von Personen, die nach den betreffenden kraftfahrrechtlichen Vorschriften befördert werden durften, der Regelung des § 5 Abs 1 Z 6 KHVB 1994 entspreche.
§ 106 KFG lege in seinem Absatz 1 allgemein fest, dass mit Kraftfahrzeugen und Anhängern Personen nur befördert werden dürften, wenn deren Sicherheit gewährleistet sei. Schon dagegen habe der Kläger durch die Beförderung seiner Enkel ohne jegliche Anhalte- oder Sicherheitsvorrichtung verstoßen. Die Eintragungen im Zulassungsschein müssten in Übereinstimmung mit dem Typenschein verstanden werden, wonach hier ein Mitfahrersitz einer besonderen Ausgestaltung bedürfe. Allerdings könnten entsprechend § 24 KHVG 1994 die Rechte des geschädigten Dritten selbst bei Leistungsfreiheit dem Versicherungsnehmer gegenüber hier nicht eingeschränkt werden. Nur wegen des über der Mindestversicherungssumme liegenden Mehrbetrages könne sich der Versicherer auf die Leistungsfreiheit berufen. Nur darüber komme die Aliquotierungsregel des § 6 Abs 4 AKHB 1988 bzw des § 5 Abs 2 KHVG 1994 zur Anwendung.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht zur Frage, ob der Versicherer dem geschädigten Dritten auch im Falle des § 6 Abs 4 AKHB 1988 bzw des § 5 Abs 2 KHVG 1994 jedenfalls zur gesetzlichen Versicherungssumme hafte, als zulässig.
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Aliquotierung nach § 5 Abs 2 KHVG bzw § 6 Abs 4 AKHB 1988 insbesondere aber zu dem Verhältnis dieser Bestimmung zu § 7 KHVG liegt nicht vor.
§ 5 Abs 1 Z 6 KHVG 1994 sieht es als eine zulässigerweise vereinbarte Obliegenheit an, dass mit dem Kraftfahrzeug vom Versicherungsnehmer nicht "eine größere Anzahl von Personen" befördert werden darf, als nach den "kraftfahrrechtlichen Vorschriften zulässig ist". Nach § 5 Abs 2 KHVG ist bei Verstoß gegen diese Obliegenheit die Leistungsfreiheit mit höchstens dem Teil der Entschädigung, der dem Verhältnis der Anzahl der zu Unrecht beförderten Personen zur Anzahl der insgesamt beförderten Personen entspricht, beschränkt (vgl zu der insoweit anderen Rechtslage in Deutschland Stiefel/Hofmann Kraftfahrtversicherung17, 343).
§ 6 Abs 4 der AKHB 1988 das sind die gegenständlich vereinbarten Versicherungsbedingungen (der im Übrigen, da er gemäß § 36 Abs 1 der KHVG 1994 nicht den Bestimmungen des 2. Abschnittes der letztzitierten Norm widerspricht, nach wie vor verbindlich wäre) sah bei Verletzung der Obliegenheit nach § 6 Abs 1 Z 1 AKHB (Beförderung von mehr Personen im Kraftfahrzeug als der Zulassung entspricht) vor, dass der Versicherer nur hinsichtlich des Teiles der von ihm geleisteten Entschädigung, der dem Verhältnis der Anzahl der zu Unrecht beförderten Personen zur Anzahl der insgesamt beförderten Personen entspricht, leistungsfrei ist. Da diese Bestimmung nach der generellen Begrenzung der Leistungsfreiheit nach Abs 1 leg cit mit S 100.000,-- in Abs 3 leg cit erfolgte, stellte sie eine weitergehende Einschränkung des Regressrechtes des Versicherers zugunsten des Versicherungsnehmers auf Grund der Aliquotierungsregel dar (vgl Petrasch Obliegenheitsverletzung und Leistungsfreiheit in den Kfz-Versicherungen ZVR 1985, 68 f; im Ergebnis gleich Baran/Braumüller die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung 173 und 178 sowie Grubmann, Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung3 (1988) § 6 Anm 11 und Grubmann MGA KHVG (1995) § 5 Anm 7). § 5 Abs 1 Z 1 und Abs 2 KHVG 1994 haben § 6 Abs 4 bzw § 6 Abs 1 Z 1 der AKHB 1988 inhaltsgleich übernommen. § 6 Abs 3 der AKHB 1988 erfuhr durch § 7 Abs 1 KHVG 1994 nur hinsichtlich der Höchstsumme für die einzelne Obliegenheitsverletzung mit S 150.000,-- und für mehrere Obliegenheitsverletzungen mit insgesamt S 300.000,-- eine inhaltliche Änderung. Zutreffend verweist auch Schauer (Das österreichische Versicherungsvertragsrecht3, 434) darauf hin, dass § 5 Abs 2 KHVG 1994 als lex spezialis die allgemeine Regel in § 6 Abs 1a Satz 1 VersVG verdrängt und dass die Betragsgrenzen von S 150.000,-- bzw 300.000 absolute Obergrenzen der Leistungsfreiheit seien. Eine Reduktion der vereinbarten Höchstversicherungssumme, bzw der Mindestversicherungssumme, kann weder der Vorläufer noch der nunmehr geltenden Nachfolgebestimmung entnommen werden. Leistungsfreiheit wegen Gefahrenerhöhung wurde von der beklagten Versicherung gar nicht eingewendet.
Die Ansicht der Beklagten, dass die gesamte - gesetzliche - Mindest -Versicherungssumme entsprechend § 5 Abs 2 KHVG zu aliquotieren wäre, geht an der klaren Zielrichtung des § 7 KHVG vorbei. Sie würde auch zu einer völligen Ungleichgewichtung der Obliegenheitsverletzungen führen. Während etwa selbst bei schwerer Alkoholisierung des versicherten Lenkers die Leistungsfreiheit bei einem Schaden von 15,000.000 S mit S 150.000 beschränkt ist (vgl § 5 Abs 1 Z 5 iVm § 7 Abs 1 KHVG) hätte jener versicherte Lenker, der statt einem drei Fahrgäste befördert mit einer Leistungsfreiheit der Versicherung von S 10,000.000 zu rechnen. Es ist daher davon auszugehen, dass vorweg unter den allgemeinen Voraussetzungen für die Relevanz einer Obliegenheitsverletzung die Leistungsfreiheit nach der Aliquotierungsregel des § 5 Abs 2 KHVG bezogen auf die konkrete Entschädigung zu berechnen ist, dass diese Leistungsfreiheit aber entsprechend § 7 Abs 1 KHVG keinesfalls die S 150.000 bzw bei mehreren Obliegenheitsverletzungen die S 300.000 übersteigen kann (vgl Schauer aaO in Petrasch aaO).
Mangels Differenzierung in den §§ 5 und 7 KHVG hat dies aber auch für eine vertragliche Höherversicherung zu gelten. Anders als § 24 Abs 3 KHVG (vgl SZ 51/188) stellen doch diese Bestimmungen nicht nur auf die gesetzliche Versicherungssumme im Sinne des § 9 KHVG ab.
Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO.
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