OGH 7Ob153/00a

OGH7Ob153/00a12.7.2000

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Theresia A*****, vertreten durch den Sachwalter Christoph L*****, über den von Christoph L***** (noch als einstweiliger Sachwalter der Betroffenen) erhobenen Revisionsrekurs gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgericht vom 18. April 2000, GZ 55 R 66/00b, 67/99z-73, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Abtenau vom 22. Februar 2000, GZ P 18/99p-52, und vom 25. Februar 2000, GZ P 18/99p-58, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Betroffene leidet an einer wahnhaften Störung. Die in Phasen verlaufende Erkrankung setzte etwa 1992 ein und erforderte mehrfach stationäre Krankenhausaufenthalte. Zu P 36/96f BG Abtenau wurde der Betroffenen bereits einmal ein Sachwalter bestellt, der sie in familien- und pflegschaftsgerichtlichen Angelegenheiten sowie in diesbezüglichen Verfahren vor Ämtern, Behörden und Gerichten zu vertreten hatte. Infolge völliger Rückbildung der Erkrankung wurde diese Sachwalterschaft mit Beschluss vom 5. 5. 1998 beendet.

Im Laufe des Jahres 1999 kam es zum Auftreten einen neuen Krankheitsschubes, weshalb von Amts wegen neuerlich ein Sachwalterschaftsverfahren eingeleitet wurde. Das Erstgericht bestellte mit Beschluss vom 14. 7. 1999, ON 11, nach Anhörung der Betroffenen den nunmehrigen Revisionsrekurswerber zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 238 Abs 1 AußStrG (Verfahrenssachwalter) sowie mit dem weiteren Beschluss vom selben Tag, ON 12, auch zum einstweiligen Sachwalter gemäß § 238 Abs 2 AußStrG zur Vertretung der Betroffenen in familien- und pflegschaftsgerichtlichen Angelegenheiten, insbesondere im Pflegschaftsverfahren ihrer drei Kinder.

Mit Beschluss des Erstgerichtes vom 11. 2. 2000, ON 39, wurde der Aufgabenbereich des einstweiligen Sachwalters um diverse weitere dringende Angelegenheiten erweitert, ua die Vertretung der Betroffenen vor Ämtern, Behörden, Sozialversicherungsanstalten und dem Arbeitsmarktservice und die Sicherstellung der psychosozialen und medizinischen Versorgung der Betroffenen.

Mit dem weiteren Beschluss des Erstgerichtes vom 22. 2. 2000, ON 52, wurde der Kreis der von einstweiligen Sachwalter zu besorgenden dringenden Angelegenheiten neuerlich und zwar um die "Abgabe von Willenserklärungen zur Behandlung der kranken Betroffenen" erweitert. Die - seit 11. 2. 2000 auf Grund akuter Selbstgefährdung mit amtsärztlicher Parere in der Landesnervenklinik (nunmehr Christian-Doppler-Klinik) Salzburg untergebrachte - Betroffene müsse mit Neuroleptika behandelt werden, sei aber völlig uneinsichtig und lehne jede Behandlung ab.

In weiterer Folge erklärte der einstweilige Sachwalter, der beabsichtigten Behandlung gegen den Willen der Betroffenen nicht zuzustimmen. Mit der Begründung, er handle dadurch gegen das Wohl der Betroffenen und habe damit einen Entlassungsgrund iSd §§ 254, 283 Abs 2 ABGB gesetzt, wurde der nunmehrige Revisionsrekurswerber daraufhin mit Beschluss des Erstgerichtes vom 25. 2. 2000, ON 58, hinsichtlich des Wirkungskreises "Abgabe von Willenserklärungen zur Behandlung der kranken Betroffenen" seines Amtes als einstweiliger Sachwalter enthoben und an seiner Stelle Dr. Gregor T*****, zum einstweiligen Sachwalter für diesen Wirkungskreis bestellt.

Das vom einstweiligen Sachwalter Christoph L***** angerufene Rekursgericht bestätigte sowohl den Beschluss ON 52 als auch den Beschluss ON 58.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, "weil hinsichtlich fallübergreifender Fragen von einer herrschenden Lehre und Rechtsprechung nicht abgewichen wurde".

In weiterer Folge wurde der nunmehrige Revisionsrekurswerber vom Erstgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17. 5. 2000 mit Beschluss vom 26. 5. 2000, ON 77, gemäß § 273 ABGB zur "Vertretung der Betroffenen vor Ämtern, Behörden, Gerichten, Sozialversicherungsanstalten und gegenüber Gläubigern" zum Sachwalter bestellt. In der Begründung dieses Beschlusses führte das Erstgericht ua aus, gemäß § 282 ABGB habe der Sachwalter auch die erforderlichen Personensorge, besonders auch die ärztliche und soziale Betreuung, sicherzustellen. Ausdrücklich wies das Erstgericht daraufhin, dass die Bestellung des Sachwalters mit Eintritt der Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses wirksam sei und damit die Vertretungsmacht eines einstweiligen Sachwalters erlösche.

Der Beschluss ON 77 blieb unbekämpft und ist daher inzwischen in Rechtskraft erwachsen.

Der einstweilige Sachwalter Christoph L***** hat noch vor der Fassung des Beschlusses ON 77 gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes ON 73 Revisionsrekurs mit dem Ziel der "ersatzlosen Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse" (gemeint ON 52 und ON 58) erhoben.

Rechtliche Beurteilung

Auf Grund der inzwischen eingetretenen Rechtskraft des Sachwalterbestellungsbeschlusses ON 77 ist davon auszugehen, dass die Vertretungsmacht der einstweiligen Sachwalter Christoph L***** und Dr. Gregor T***** erloschen ist. Mit der damit beantworteten Frage, ob im Falle der Rechtskraft der Sachwalterbestellung gemäß §§ 273 ABGB, 244 AußStrG die Funktion des einstweiligen Sachwalters erlischt oder der einstweilige Sachwalter durch konstitutiven Beschluss enthoben werden muss, hat sich - soweit überblickbar - allein Gitschthaler, Verfahrenssachwalter und einstweiliger Sachwalter in ÖJZ 1990, 762 [765] eingehender auseinandergesetzt. Dessen Ansicht, wonach die Funktion des einstweiligen Sachwalters mit rechtskräftiger Bestellung eines Sachwalters nicht erlösche, sondern bis zur (konstitutiven) beschlussmäßigen Enthebung des einstweiligen Sachwalters fortbestehe, kann nicht geteilt werden. Zwar scheint eine Beschlussfassung über das Ende der Funktion des einstweiligen Sachwalters nach Rechtskraft der Sachwalterbestellung aus Gründen der Klarstellung angezeigt, doch kann einem solchen Beschluss nur deklarative Wirkung zugemessen werden. In Fällen, in denen es nach Maßgabe des § 281 ABGB erforderlich erscheint, statt des einstweiligen Sachwalters einen anderen "definitiv" zum Sachwalter (gemäß § 273 ABGB) zu bestellen, könnte ein divergierendes Vorgehen der beiden nämlich zu schwerwiegenden Verwicklungen führen (vgl 1 Ob 196/99a und 1 Ob 60/00x: dort hat der Oberste Gerichtshof grundsätzlich ausgesprochen, dass die Bestellung mehrerer Sachwalter nach § 273 Abs 1 ABGB weder zulässig noch sachgerecht ist, weil vermieden werden soll, dass ein Betroffener in verschiedenen Angelegenheiten jeweils von einer anderen Person vertreten wird). Gitschthaler hat lediglich die Einstellung des Verfahrens im Auge, wenn er - ausgehend davon, dass die Verständigungspflichten des § 248 AußStrG sinngemäß auch für den einstweiligen Sachwalter gelten (vgl Kremzow, Sachwalterrecht 253) - argumentiert, dass eine seiner Ansicht widersprechende Auffassung die Rechtssicherheit über Gebühr belasten würde, weil der zuvor informierte Rechtsverkehr nicht wissen könne, dass das Bestellungsverfahren zwischenzeitig eingestellt wurde. Diese Argumentation überzeugt nicht: Während ein (verspäteter) konstitutiver Enthebungsbeschluss im Falle der rechtskräftigen Sachwalterbestellung zu den erwähnten Schwierigkeiten führen kann, ist das von Gitschthaler angesprochene Informationsbedürfnis im Falle der Verfahrenseinstellung durch eine deklarative Verständigung von der Beendigung der Funktion des einstweiligen Sachwalters ohne weiteres zu befriedigen. Auch wenn § 238 Abs 2 AußStrG anders als Abs 1 leg cit keine Bestimmung über das Erlöschen der Vertretungsmacht des einstweiligen Sachwalters enthält, muss daher angenommen werden, dass dessen Funktion mit Rechtskraft des Sachwalterbestellungsbeschlusses gemäß § 244 AußStrG jedenfalls endet und ein dies klarlegender Beschluss nur deklarativ sein kann. Im vorliegenden Fall wurde den gemäß § 248 Abs 1 AußStrG sowohl von der Bestellung des einstweiligen Sachwalters, als auch von der Sachwalterbestellung gemäß § 244 AußStrG zu verständigenden "Personen und Stellen" durch den betreffenden Hinweis des Erstgerichtes im Bestellungsbeschluss ON 77 das Erlöschen der Vertretungsmacht des einstweiligen Sachwalters ausdrücklich klargelegt.

Ist aber durch die rechtskräftige Bestellung des Sachwalters die Funktion eines einstweiligen Sachwalters jedenfalls beendet, erscheint das Begehren des Revisionsrekurswerbers nach Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer ersatzlosen Behebung der Beschlüsse ON 52 und ON 58 obsolet; der Revisionsrekurswerber ist durch diese, die Funktion eines einstweiligen Sachwalters betreffenden Entscheidungen nicht mehr beschwert.

Mangels aufrechter Beschwer ist der Revisionsrekurs aber unzulässig:

Nach stRsp und überwiegender Lehre setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer, also ein Anfechtungsinteresse, voraus; es ist nicht Sache der Rechsmittelinstanzen, rein theoretische Fragen zu entscheiden. Die Beschwer muss als Voraussetzung für eine meritorische Entscheidung zur Zeit der Erhebung des Rechsmittels gegeben sein und zur Zeit der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen. Kommt es noch vor der Rechtsmittelentscheidung zu einem Wegfall der Beschwer, ist auch das ursprünglich zulässig erhobene Rechtsmittel zurückzuweisen (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 9 vor § 461 mwN). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren Außerstreitsachen (Klicka/Oberhammer, Außerstreitverfahren3 Rz 57; 1 Ob 602/95).

Da, wie dargestellt, eine meritorische Entscheidung des Obersten Gerichtshofs über das Rechtsmittel des (vormals einstweiligen) Sachwalters nur noch theoretische Bedeutung hätte, ist der Revisionsrekurs mangels eines noch im Entscheidungszeitpunkt bestehenden Anfechtungsinteresses des Rechtsmittelwerbers zurückzuweisen.

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