Normen
Mietengesetz §16 (1)
Mietengesetz §16 (1)
Spruch:
Die Rechtsansicht, eine im Jahre 1953 in einem Mietvertrag vereinbarte Wertsicherungsklausel lebe allein schon durch das Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes auf, ohne daß es einer ausdrücklichen oder konkludenten Parteienerklärung über die nunmehr mögliche Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel bedürfe, widerspricht dem Gesetz, das ausdrücklich Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses nach dem 31. Dezember 1967 für zulässig erklärt.
Entscheidung vom 26. November 1969, 7 Ob 152/69.
I. Instanz: Bezirksgericht Frankenmarkt; II. Instanz: Kreisgericht Wels.
Text
Die Kläger, die gemeinsame Eigentümer des Hauses M. Nr. 122 sind, beantragen die Aufhebung des mit den Beklagten über das im Parterre dieses Hauses links vom Eingang gelegene Geschäftslokal abgeschlossenen Mietvertrages. Sie führen aus, daß trotz Mahnung ein Mietzinsrückstand von 3188.84 S unbeglichen sei. Die Beklagten bestritten das Bestehen eines Mietzinsrückstandes und beantragten gemäß § 21 (3) MietG. vor Schluß der Verhandlung durch Beschluß über die Höhe des Mietzinsrückstandes zu entscheiden.
Nach dem darauf vom Erstrichter gefaßten Beschluß besteht
1. für die Zeit vom 1. Juni 1965 bis 31. Juli 1966 kein Mietzinsrückstand;
2. für die Zeit vom 1. August 1966 bis 31. Dezember 1967 ein Mietzinsrückstand von monatlich 55 S, sohin insgesamt von 935 S und
3. für die Zeit vom 1. Jänner 1968 bis 31. Mai 1968 ein Mietzinsrückstand von monatlich 151.84 S, sohin von insgesamt 759.20
S.
Der Erstrichter traf folgende Feststellungen:
Im Jahre 1953 war zwischen den Parteien für das Geschäftslokal ein monatlicher Mietzins von 275 S wertgesichert (nach dem Lebenshaltungskostenindex) vereinbart worden. Unter Berücksichtigung der Wertsicherung betrug die monatliche Miete ab Juni 1965 426.84 S. Bis einschließlich Juli 1966 bezahlten die Beklagten monatlich 330 S, ab 1. August 1966 nur noch monatlich 275 S.
Den für die Ermittlung des Mietzinsrückstandes in Betracht kommenden Zeitraum vom 1. Juni 1965 bis 31. Mai 1968 zerlegte der Erstrichter in drei Abschnitte, und zwar in den Abschnitt vom 1. Juni 1965 bis 31. Juli 1966, innerhalb welcher Zeitspanne die Beklagten einen monatlichen Mietzins von 330 S bezahlten. Zufolge des Zinsstopgesetzes (BGBl. Nr. 132/54) sei es unzulässig gewesen, einen Mietzins auf Grund der - an sich zulässigen und gültigen - Wertsicherungsvereinbarung zu begehren. Zufolge der durch die Mietengesetznovelle 1955 neu gefaßten Vorschrift des § 16 (2) MietG. wurde dem Zinsstopgesetz inhaltlich derogiert und dadurch eine freie Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses ermöglicht. Ein derartiges Übereinkommen sei dadurch zustandegekommen, daß bei einem länger als einem halben Jahr bestandenen Mietverhältnis ein erhöhter Mietzins geleistet wurde. Für diesen Zeitabschnitt sei daher der tatsächlich geleistete monatliche Mietzins von 330 S als vereinbart anzusehen.
Diese durch konkludente Handlungen zustandegekommene Vereinbarung habe auch für den weiteren Zeitraum vom 1. August 1966 bis 31. Dezember 1967 Gültigkeit gehabt, sodaß, da die Beklagten während dieses Zeitraumes lediglich 275 S an monatlicher Miete bezahlten, eine monatliche Minderleistung von 55 S vorlag. Ab 1. Jänner 1968 gelte auf Grund des Mietrechtsänderungsgesetzes eine freie Zinsvereinbarung, sodaß von diesem Zeitpunkt an die Wertsicherungsklausel zum Tragen komme. Nach dieser betrage der monatliche Mietzins 426.84 S, sodaß sich eine monatliche Minderleistung von 151.84 S ergebe.
Diesen Beschluß, der hinsichtlich der Feststellung, daß für die Zeit vom 1. Juni 1965 bis 31. Juli 1966 kein Mietzinsrückstand besteht, unbekämpft blieb, änderte das Rekursgericht infolge Rekurses der Beklagten im übrigen dahin ab, daß auch für den weiteren Zeitraum vom 1. August 1966 bis 31. Mai 1968 kein Mietzinsrückstand besteht. Schon in der Tatsache, daß die Beklagten siebzehn Monate hindurch, nämlich vom 1. August 1966 bis 31. Dezember 1967 statt wie vorher 330 S monatlich, nur mehr 275 S als Mietzins bezahlen, sei ein schlüssiges Abgehen von der vorher - sei es ausdrücklich oder durch konkludente Handlungen - getroffenen Vereinbarung auf Zahlung eines höheren Zinses gelegen. Es sei daher nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine zulässige Mietzinsvereinbarung nach § 16 MietG. vorliegen. Für diesen Zeitraum bestehe sohin kein Mietzinsrückstand.
Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer freien Mietzinsvereinbarung nach § 16 MietG. in der Fassung des Mietrechtsänderungsgesetzes seien nicht gegeben. Die Geschäftsräume wurden den Beklagten nicht nach dem 1. Jänner 1968 vermietet, die Wertsicherung wurde nicht erst nach halbjährigem Bestehen des Mietverhältnisses vereinbart, sondern bereits im Mietvertrag festgelegt, eine nachträgliche, der Wertsicherung teilweise Rechnung tragende Vereinbarung, sei nach den vorangegangenen Ausführungen nicht anzunehmen. In den Ausführungen der Mieter im Verfahren zu Msch .../68 des Bezirksgerichtes Frankenmarkt "Der am 16. November 1953 frei vereinbarte Mietzins basiert nicht auf einem Friedenskronenzins. Er ist überdies wertgesichert nach dem Lebenskostenindex des österr. Institutes für Wirtschaftsforschung" sei keine ausdrückliche Zusage einen im Sinne der seinerzeit geschlossenen Wertsicherungsvereinbarung entsprechenden Mietzins zu bezahlen, enthalten.
Der Oberste Gerichtshof hob den angefochtenen und den Beschluß des Erstrichters, der hinsichtlich der Feststellung, daß für die Zeit vom 1. Juni 1965 bis 31. Juli 1966 kein Mietzinsrückstand besteht, als in Rechtskraft erwachsen anzusehen sei, auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfange zur neuerlichen nach Verfahrensergänzungen zu fällenden Entscheidung an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, daß die Vereinbarung eines wertgesicherten Mietzinses im Mietvertrag an sich zulässig, die Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel jedoch dadurch bedingt war, daß die Höhe des Mietzinses den Vorschriften über die Regelung der Mietzinse entsprach, steht mit der Rechtsprechung in Einklang (MietSlg. Nr. 3692, 3693, 7229 u. a.). Die gesetzlichen Vorschriften über die Wirksamkeit von Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses sind jedoch für Mietobjekte, die hinsichtlich der Mietzinsbildung dem Mietengesetz unterliegen und für andere Mietobjekte verschieden.
Unterliegt ein Mietverhältnis hinsichtlich der Mietzinsbildung dem Mietengesetz, weil das Haus in dem sich das Objekt befindet, vor dem 23. Dezember 1922 erbaut wurde und kein Befreiungstatbestand nach § 1 (2) MietG. vorliegt, so war ab dem Inkrafttreten der Mietgesetznovelle 1955 (15. Dezember 1955) - der Zeitraum vor diesem Inkrafttreten ist für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung, weil hier zu prüfen ist, ob seit dem 1. August 1966 ein Mietzinsrückstand besteht - eine Vereinbarung über die Höhe des Mietzinses zulässig und wirksam, sofern die im Gesetz angeführten Voraussetzungen vorlagen. Durch die Mietgesetznovelle 1955 war nämlich die Bestimmung des § 16 MietG. neu in Kraft gesetzt worden, wodurch dem Zinsstopgesetz derogiert wurde (MietSlg. 20.349, 5743 u. a.). Unterliegt ein Mietverhältnis sohin hinsichtlich der Mietzinsbildung dem Mietengesetz, so wurden ab 15. Dezember 1955 nicht nur freie Zinsvereinbarungen unter den Voraussetzungen des § 16 (2) und (3) und § 16a MietG. zulässig, es konnten vielmehr auch vor dem 15. Dezember 1955 beschlossene Vereinbarungen für den Zeitraum ab 15. Dezember 1955 voll wirksam werden, sofern sie schon früher für den Wegfall der ursprünglich in den Preisregelungsvorschriften und später im Zinsstopgesetz enthaltenen Beschränkungen vereinbart oder nach dem 14. Dezember 1955 von den Parteien bekräftigt wurden.
Unterliegt ein Mietverhältnis hinsichtlich der Mietzinsbildung nicht dem Mietengesetz, so blieb die Mietgesetznovelle 1955 auf dieses Mietverhältnis ohne Einfluß, das Verbot der Zinserhöhung nach dem Zinsstopgesetz behielt für dieses Mietverhältnis seine Wirksamkeit. Die Mietzinse blieben sohin weiter der Höhe nach geregelt, eine freie Mietzinsvereinbarung wurde hinsichtlich dieser Mietverträge erst durch das Mietrechtsänderungsgesetz möglich.
Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß - falls auf den gegenständlichen Bestandvertrag die Vorschriften des Mietengesetzes über die Mietzinsbildung nicht zur Anwendung kämen - die im Mietvertrag festgehaltene Wertsicherungsklausel bis 31. Dezember 1967 keinesfalls und ab 1. Jänner 1969 nur dann wirksam werden konnte, wenn die Voraussetzungen des § 16 MietG. in der Fassung des Mietrechtsänderungsgesetzes (Art. II d. G.) vorlagen.
Nach § 16 (1) dieses Gesetzes sind Vereinbarungen "nach dem 31. Dezember 1967" über die Höhe des Mietzinses zulässig. Schon an dieser Voraussetzung würde es im vorliegenden Fall mangeln, da die Vereinbarung der Valorisierung nicht nach dem 31. Dezember 1967 getroffen wurde, sondern im Mietvertrag vom I6. November 1953 enthalten ist. Die Rechtsansicht, die seinerzeit getroffene Vereinbarung lebe allein schon durch das Inkrafttreten des Mietrechtsänderungsgesetzes auf, ohne daß es einer ausdrücklichen oder konkludenten Parteienerklärung über die nunmehr mögliche Wirksamkeit der Wertsicherungsklausel bedürfe, widerspricht dem Gesetz, das ausdrücklich Vereinbarungen über die Höhe des Mietzinses nach dem 31. Dezember 1967 für zulässig erklärt. Eine derartige Vereinbarung über die Wirksamkeit der Valorisierungsklausel könnte auch nicht in der von den Beklagten als Antragsgegner im Verfahren Msch .../68 des Bezirksgerichtes Frankenmarkt abgegebenen Äußerung gesehen werden. In dieser Äußerung haben die Beklagten dem Antrag der Kläger auf Bestimmung der Friedensmietzinse für das vermietete Geschäftslokal entgegengehalten, daß der am 16. November 1953 frei vereinbarte Mietzins nicht auf einem Friedenskronenzins beruhe, daß er nach dem Lebenshaltungskostenindex des österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung wertgesichert sei. Die Beklagten haben dadurch lediglich den Inhalt der am 16. November 1953 getroffenen Vereinbarung wiedergegeben, ohne sich über eine nun möglich gewordene Wirksamkeit dieser Vereinbarung zu äußern oder sich zur Valorisierung zu bekennen. Die Beklagten haben überdies diese Äußerung zu einem Zeitpunkt erstattet (21. März 1968), zu dem sie durch ihre Zahlung eines Mietzinses von monatlich 275 S (sohin des vereinbarten Mietzinses ohne Valorisierung) eindeutig zu erkennen gegeben haben, daß sie sich an die seinerzeitige Wertsicherungsvereinbarung nicht gebunden erachten.
Unterläge jedoch das Mietverhältnis hinsichtlich der Mietzinsbildung den Bestimmungen des MietG., so wäre - wie bereits ausgeführt - eine freie Mietzinsvereinbarung ab 15. Dezember 1955 unter den Voraussetzungen des § 16 (2) und (3) MietG. in der Fassung der Mietgesetznovelle 1955 zulässig gewesen. Darüber ob die Voraussetzungen des § 16 (3) MietG. vorlägen, fehlen Feststellungen. Sollten die dort normierten Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Abs. 2 der zitierten Gesetzesstelle gegeben sein, so wäre eine freie Mietzinsvereinbarung darin gelegen, daß die Beklagten Jahre hindurch bis Juli 1966, sohin auch noch nach dem Inkrafttreten der MietG.-Nov. 1955 einen höheren als den mit 275 S im Mietvertrag festgesetzten Mietzins, nämlich 330 S monatlich, bezahlt haben. In einem derartigen Verhalten wäre eine stillschweigende Vereinbarung über die Zahlung eines monatlichen Mietzinses von 330 S zu sehen (MietSlg. Nr. 7228, 4549, Zingher, Das Mietengesetz[11] Anm. 4 S. 37). Ein Bekenntnis zu der im Mietvertrag enthaltenen Valorisierung wäre darin allerdings nicht gelegen, da nach der Außerstreitstellung der valorisierte Mietzins ab Juli 1967 426.84 S betragen hätte, von den Beklagten jedoch durchgehend bis Juli 1966 330 S gezahlt wurden, sohin weniger als dem valorisierten Mietzins entsprochen hätte.
Dem Rekursgericht könnte allerdings nicht darin gefolgt werden, daß in der seitens der Hauseigentümer widerspruchslosen Annahme des auf 275 S reduzierten Mietzinses während der Zeit vom 1. August 1966 bis 31. Dezember 1967 ein einverständliches Abgehen von der konkludent zustandegekommenen Vereinbarung der Zahlung eines Mietzinses von 330 S gelegen sei. Dieses Stillschweigen könnte nur dann als Zustimmung zur Reduzierung des Mietzinses gewertet werden, wenn mit Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund für einen Zweifel bliebe, daß die Kläger als Vermieter mit dieser Reduktion einverstanden waren. Allein aus der widerspruchslosen Annahme des reduzierten Mietzinses kann nicht mit einer jeden Zweifel ausschließenden Sicherheit auf eine Zustimmung zum Abgehen vom konkludent zustandegekommenen Vertrag über die Mietzinshöhe gesehen werden. Besondere Umstände aus denen auf einen derartigen Verzicht der Kläger geschlossen werden könnte, wurden nicht behauptet.
Da sohin die entscheidenden Feststellungen darüber fehlen, ob die Bestimmungen des Mietengesetzes über die Mietzinsbildung auf das gegenständliche Bestandverhältnis Anwendung oder nicht Anwendung finden, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Verfahrensergänzung aufzuheben. Sollten die Bestimmungen des Mietengesetzes für die Zinsbildung maßgebend sein, so wären überdies Feststellungen im Sinne des § 16 (3) MietG. in der Fassung der Mietennovelle 1955 erforderlich.
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