Spruch:
Der außerordentliche Rekurs der beklagten Partei wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Beide Streitteile haben ihren Sitz im Ausland (Schweiz). Die klagende Partei besitzt in Österreich eine Tochtergesellschaft, die L***** Verlags GesmbH mit Sitz in Wien (HRB ***** des Handelsgerichtes Wien). Die beklagte Partei hält 99 % der Anteile der in Wien ansässigen und hier registrierten K***** Verlagsgesellschaft GesmbH mit einem Grundkapital von S 1 Mio (HRB *****).
Die klagende Partei macht Schadenersatzansprüche aus der Nichterfüllung eines Vertrages über die Lieferung von 100.000 Atlanten nach Köln, deren europaweit beabsichtigter Vertrieb in Österreich über die Tochtergesellschaft der klagenden Partei erfolgen sollte, geltend und beruft sich auf eine im Korrespondenzweg durch - von der beklagten Partei bestrittenen - Annahme ihrer Geschäftsbedingungen zustandegekommene Gerichtsstandvereinbarung, daneben noch auf den Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN.
Die beklagte Partei anerkannte letzteren, bestritt hingegen die Gerichtsstandvereinbarung nach § 104 JN und die inländische Gerichtsbarkeit.
Das Erstgericht verneinte nach abgesonderter Verhandlung die inländische Gerichtsbarkeit mangels einer über § 99 JN hinausgehenden Inlandsbeziehung, nachdem die klagende Partei die behaupte Gerichtsstandvereinbarung nach § 104 JN nicht nachzuweisen vermochte. Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Oberlandesgericht Wien mit der angefochtenen Entscheidung Folge: Der Gerichtsstand des Vermögens nach § 99 JN bringe auch nach der nunmehr in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes anerkannten Indikationentheorie eine ausreichende Inlandsbeziehung zum Ausdruck.
Rechtliche Beurteilung
Die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses sieht die beklagte Partei in der vom Obersten Gerichtshof ihrer Kenntnis nach noch nicht judizierten Frage begründet, ob der Leitsatz, daß inländische Gerichtsbarkeit trotz Vorliegens eines inländischen Gerichtsstandes bei mangelnder (sonstiger) Inlandsbeziehung zu verneinen sei, auch für den Vermögensgerichtsstand nach § 99 JN gelte.
Tatsächlich war der Oberste Gerichtshof mit dieser Frage jedoch schon mehrfach befaßt.
Grundsätzlich hat sich die Judikatur für die Indikationentheorie (in Abgrenzung zur Universalitäts- und Doppelfunktionstheorie) entschieden (SZ 55/95, 56/162, 59/205, 60/106; EvBl 1991/82; JBl 1992/330 und 331), nach der die - durch Vorliegen eines inländischen Gerichtsstandes indizierte - inländische Gerichtsbarkeit stets eine ausreichende inländische Nahebeziehung voraussetzt. Fehlt es an einer solchen Nahebeziehung, dann ist die inländische Jurisdiktion demnach trotz inländischen Gerichtsstandes zu verneinen (JBl 1991, 800 zu § 83 c JN, JBl 1992, 330 zum Gerichtsstand der Widerklage bzw 331 zum Vermögensgerichtsstand).
Nach der in 7 Ob 545/89 vertretenen Auffassung repräsentieren allerdings die Mehrzahl der gesetzlichen Gerichtsstände bereits per se eine ausreichende Inlandsbeziehung und genügen daher auch vom Standpunkt der Indikationentheorie für die Anknüpfung der inländischen Gerichtsbarkeit. Die bestrittenen Fälle beschränkten sich auf wenige Ausnahmen (§§ 88/1 96 und 93 JN). Nach dieser Entscheidung stellt der Vermögensgerichtsstand jedenfalls eine ausreichende Inlandsbeziehung für die Ableitung der inländischen Jurisdiktion für vermögensrechtliche Ansprüche dar.
Differenzierter argumentiert die Entscheidung 6 Ob 609/92 vom 29. Oktober 1992, wonach das Vorhandensein von Vermögen im Sinn des § 99/1 S 2 JN die inländische Gerichtsbarkeit nur unter der weiteren Voraussetzung zu begründen vermag, daß eine zusätzliche anderweitige Inlandsbeziehung, mag sie auch für sich allein die inländische Zuständigkeit noch nicht zu rechtfertigen, vorliegt. Dies sei jedoch etwa dann anzunehmen, wenn das Vermögen von einer solchen Art und einem solchen Umfang ist, daß es eine im Inland auszuübende Verwaltung erfordert, worin eine teilweise "Ansässigkeit" des Beklagten in vermögensrechtlicher Beziehung gesehen werden könne, die dem Erfordernis einer zusätzlichen Inlandsbeziehung genüge.
Vorliegendenfalls liegen diese Kriterien vor. Das in Österreich vorhandene Vermögen der beklagten Partei - 99 % der Anteile der mit einem Grundkapital von S 1 Mio ausgestatteten, in Österreich ansässigen und hier tätigen GesmbH - in Verbindung mit der Tatsache, daß die klagende Partei eine in Österreich ansässige Tochtergesellschaft besitzt, über die auch der Österreich-Vertrieb der vom Klagsgegenstand erfaßten - vertragswidrig nicht gelieferten - Atlanten erfolgen sollte, stellen einen über den Vermögensgerichtsstand hinausreichenden zusätzlichen Inlandsbezug dar, der die Bejahung der inländischen Jurisdiktion jedenfalls rechtfertigen.
Die angefochtene Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien steht daher im Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung, weshalb sich der außerordentliche Revisionsrekurs als unzulässig erweist.
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