Spruch:
Ein Rückforderungsanspruch kann nur vom Universalsukzessor, nicht vom Singularsukzessor geltend gemacht werden
Entscheidung vom 12. Mai 1965, 7 Ob 142/65
I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz; II. Instanz:
Oberlandesgericht Graz
Text
Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers auf Übertragung eines Teiles der Parzelle 2483 KG. L. Grundbuch G. im Ausmaß von 118 m2 in sein Eigentum ab. Es stellte fest, Josef Franz F. habe am 11. Oktober 1900 anläßlich eines Widmungsansuchens einen Teil seines Grundstücks, zu dem der nunmehr vom Kläger begehrte Teil gehörte, unentgeltlich an die Stadtgemeinde G. abgetreten. Dieser Teil sei damals von der übrigen Parzelle abgetrennt und mit der ein öffentliches Gut bildenden F.-Gasse, jetzt Parzelle 2483, vereinigt worden. Am 2. Juli 1909 habe Josef Franz F. u. a. die Restliegenschaft an seinen Sohn Rudolf F. verkauft, von dem sie dessen Witwe Serena F. im Jahre 1912 geerbt habe. Diese habe am 27. Jänner 1949 dem Kläger aus der geerbten Liegenschaft die Parzelle 2084/1 verkauft (von der seinerzeit der strittige Teil abgetrennt worden war). Der Antrag des jetzigen Klägers an den Magistrat G., den strittigen Grundstücksteil als öffentliches Gut aufzulassen und in sein Eigentum zu übertragen, sei von der beklagten Partei mit der Begründung abgelehnt worden, daß der Kläger nicht Universalrechtsnachfolger nach Josef Franz F. sei und daher zur Rückforderung nicht berechtigt sei. Die ursprünglich geplante Verlängerung der F.-Gasse nach Osten, zu welchem Zweck seinerzeit u.
a. auch der strittige Grundstücksteil abgetreten worden war, sei nicht mehr vorgesehen.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, der Kläger mache einen Rückforderungsanspruch nach § 1435 ABGB. geltend, weil der Zweck der seinerzeitigen Abtretung des strittigen Grundstückes weggefallen sei. Dieser Rückforderungsanspruch stehe aber nur demjenigen zu, der das Grundstück seinerzeit abgetreten habe oder dessen Erben, nicht aber dem Einzelrechtsnachfolger im Besitz des Grundstückes, von dem der strittige Teil abgetrennt worden war. Über die von der beklagten Partei erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges entschied das Erstgericht nicht ausdrücklich.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S übersteige. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes zur Gänze als unbedenklich, bejahte die Zulässigkeit des Rechtsweges, weil sich der Kläger auf einen privatrechtlichen Anspruch stütze und billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes. Es führte aus, der Rückforderungsanspruch könne nur von dem geltend gemacht werden, der durch die Bereicherung des Gegners belastet worden sei, das sei aber Josef Franz F. gewesen. Dessen Belastung sei nicht auf die Käufer seiner Liegenschaften übergegangen, weil diese die Liegenschaften nur mehr im bereits verringerten Ausmaß gekauft und bezahlt haben. Der Kondiktionsanspruch des Josef Franz F. sei ein persönlicher, vom Bestand der Restliegenschaft unabhängiger vererblicher und veräußerlicher Anspruch, der auf den Kläger nicht übergegangen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Zulässigkeit des Rechtsweges wird im Revisionsverfahren zwar nicht mehr erörtert, diese Frage ist aber in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen. Es ist dem Berufungsgericht beizustimmen, daß im vorliegenden Fall der Rechtsweg zulässig ist, denn der Kläger stützt seinen Anspruch auf einen Privatrechtstitel, nämlich einen Rückforderungsanspruch wegen Wegfalles des Rechtsgrundes, aus dem seinerzeit der Grundstücksteil an die beklagte Partei abgetreten wurde. Sein Recht zur Geltendmachung dieses Anspruches leitet er von seinem Eigentumsrecht an dem Grundstück, von dem die Abtretung erfolgte, ab. Wie bereits das Berufungsgericht ausführte, können Hindernisse öffentlichrechtlicher Natur, wie sie von der beklagten Partei eingewendet wurden, die einer Rückübertragung des strittigen Grundstückes entgegenstunden, allenfalls zur Abweisung des Klagebegehrens führen, nicht aber den Rechtsweg unzulässig machen.
In der Rechtsrüge führt der Kläger aus, bei dem von ihm geltend gemachten Anspruch handle es sich nicht um einen reinen Kondiktionsanspruch, sondern um einen Anspruch sui generis, der sich aus der besonderen Eigenart des Widmungsverfahrens ergebe. Er ist der Meinung, daß der Rückforderungsanspruch dem Rechtsnachfolger im Eigentum des betreffenden Grundstückes zustehe, von dem seinerzeit im Zuge des Widmungsverfahrens das zurückgeforderte Grundstück abgetrennt worden war. Ihm sei im Kaufvertrag mit Serena F. auch das Recht eingeräumt worden, das verkaufte Grundstück so zu benützen, wie der Verkäufer es zu besitzen oder zu benützen berechtigt gewesen sei. So wie die Verpflichtung zur Abtretung eines Grundstückteiles für öffentliche Zwecke auf den Käufer des Grundstückes übergehe, müsse auch das Rückforderungsrecht auf ihn übergehen.
Dieser Meinung kann nicht beigestimmt werden. Der Kläger macht geltend, daß der Grund für die Abtrennung des strittigen Grundstückes, nämlich die Verlängerung der F.-Gasse, weggefallen sei. Es handelt sich also eindeutig um eine Forderung nach § 1435 AGBG., wenn auch die vom seinerzeitigen Grundstückseigentümer erbrachte Leistung, nämlich die unentgeltliche Abtretung eines Teiles seines Grundstückes, im Zuge eines Widmungsverfahrens erfolgt ist. Nach § 1435 ABGB. kann der Geber von dem Empfänger Sachen zurückfordern, die als eine wahre Schuldigkeit gegeben worden sind, wenn der Rechtsgrund sie zu behalten, aufgehört hat. Aus dem Wortlaut des Gesetzes geht hervor, daß der Rückforderungsanspruch ein persönlicher Anspruch dessen ist, der die Leistung erbracht hat. Er ist von der Frage des Eigentums an der geleisteten Sache unabhängig (Wilburg in Klang[2] VI, S. 487, Ehrenzweig, Recht der Schuldenverhältnisse, S. 738). Der Kläger könnte bei Wegfall des Rechtsgrundes das strittige Grundstück nur dann zurückfordern, wenn er es in Erfüllung des Auftrages im Widmungsverfahren abgetreten hätte oder wenn er der Universalrechtsnachfolger desjenigen wäre, der es seinerzeit abgetreten hat, denn nur dann hätte er auch ein solches Rückforderungsrecht übernommen. Tatsächlich hat er nach den Feststellungen der Untergerichte aber von einer Einzelrechtsnachfolgerin nach Josef Franz F. im Eigentum an der jetzigen Parzelle 2084/1 diese Parzelle gekauft, als der strittige Teil bereits abgetrennt und mit der ein öffentliches Gut darstellenden Parzelle 2483 vereinigt war. Er hat also nur die verkleinerte Parzelle erworben und für diese den Kaufpreis bezahlt. Ob der Kaufpreis zu hoch war, ist im vorliegenden Rechtsstreit ohne Bedeutung, denn auch aus der Bezahlung eines überhöhten Kaufpreises stunde dem Kläger kein Rückforderungsanspruch gegen die beklagte Partei zu. Die Leistung, die nun zurückgefordert wird, nämlich die unentgeltliche Abtretung eines Grundstücksteiles, hat nicht der Kläger erbracht, und auch nicht Serena F. oder deren Gatte, sondern allein Josef Franz F. Von diesem hat der Kläger den Rückforderungsanspruch nicht übernommen, auch wenn er das Restgrundstück mit allen Rechten und Pflichten der Verkäuferin erworben hat, denn auch diese war nicht Erbin nach Josef Franz F., sondern des Einzelrechtsnachfolgers Rudolf F. Ob die Gesamtrechtsnachfolger nach dem rückforderungsberechtigten Josef Franz F. zu ermitteln sind oder ob sie den abgetretenen Grundstücksteil praktisch verwerten könnten, ist hier nicht zu erörtern. Jedenfalls könnten sie allein das Grundstück zurückfordern und dann allenfalls zugunsten des Klägers darüber verfügen oder, wenn die Gemeinde das für Straßenzwecke unentgeltlich abgetretene Grundstück widmungswidrig verwendet, eine entsprechende Vergütung verlangen. Die Untergerichte haben das Klagebegehren daher mit Recht abgewiesen, und bedurfte es nicht der Feststellungen, deren Unterlassung der Kläger fälschlich unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens rügt, nämlich, daß das strittige Grundstück im Ausmaß von 118 m2 nicht mehr als öffentliches Gut benötigt werde, sondern jetzt im privaten Sektor liege und dessen Rückeinbringung von seiten des Hochbauamtes nichts mehr im Wege stehe ...
Der Revision war daher nicht Folge zu geben. Die Frage, ob allenfalls ein öffentlich-rechtlicher Anspruch des Klägers besteht, war nicht zu prüfen.
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