OGH 7Ob12/94

OGH7Ob12/9423.3.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****vertreten durch Dr.Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei W***** AG, *****vertreten durch Dr.Gottfried Eisenberger und Dr.Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung und Zahlung (Gesamtstreitwert S 51.440; Streitwert im Revisionsverfahren S 25.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgericht vom 22.November 1993, GZ 4 R 429/93-14, womit das Urteil des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 22.November 1992, GZ 4 C 221/93y-5, teilweise bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

3.264 (darin enthalten S 544 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß Art 23.3.5. der ARB 1988 besteht im Allgemeinen Vertragsrechtsschutz - neben den in Art 7 genannten Fällen - kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Betriebsbereich, wenn die tatsächlichen oder behaupteten Gesamtansprüche des Versicherungsnehmers oder seines Gegners auf Grund desselben Versicherungsfalles die vereinbarte Streitwertgrenze übersteigen. Diese Bestimmung enthält einen sekundären Risikoausschluß, womit der durch die primäre Risikoabgrenzung gewährte Versicherungsschutz eingeschränkt wird. Ihr ist klar und eindeutig zu entnehmen, daß - im Gegensatz zu dem in Art 6.7.5. der ARB 1988 geregelten Fall, wonach beim Zusammentreffen von Ansprüchen in einem Zivilverfahren, für die teils Versicherungsschutz besteht, teils aber nicht, der Versicherer nur jene Kosten trägt, die auch ohne Berücksichtigung der nicht unter Versicherungsschutz stehenden Ansprüche von ihm zu übernehmen wären, mangels Bestimmbarkeit anteilig im Verhältnis der Streitwerte zueinander - im Fall des Übersteigens der vereinbarten Streitwertgrenze überhaupt kein Versicherungsschutz, also auch nicht auf Tragung anteiliger Kosten besteht. Soweit die Revision im Wege der Auslegung der ARB 1988 einen anteiligen Versicherungsschutz für die Kosten eines Prozesses mit einem über der vereinbarten Streitwertgrenze liegenden Streitwert auf der Basis eines Streitwertes von S 200.000 anstrebt, steht dem der eindeutige Wortlaut der vereinbarten Bedingungen entgegen.

Das Gesetz enthält insbesondere auch für die Rechtsschutzversicherung keine Bestimmung über den Umfang des versichererten Risikos, sondern überläßt seine Abgrenzung der Parteienvereinbarung (Schauer, Einführung in das österreichische Versicherungsvertragsrecht2, 98; Prölss-Martin, VVG25 355 f). Dem Versicherer steht es frei, bestimmte Risken vom Versicherungsschutz auszunehmen; Voraussetzung dafür ist nur, daß das für den Versicherungsnehmer - wie hier - klar und erkennbar geschieht (VR 1993, 106). Inwieweit der vertragliche sekundäre Risikoausschluß gegen die guten Sitten, also gegen den Inbegriff jener Rechtsnormen, die im Gesetz nicht ausdrücklich ausgesprochen sind, sich aber aus der richtigen Betrachtung der rechtlichen Interessen ergeben (Koziol-Welser9 I 146), verstoßen soll, ist nicht ersichtlich.

Strittig ist allerdings die Frage, ob die stets in AVB festgelegte Risikoumschreibung in Versicherungsverträgen der Inhaltskontrolle des § 879 Abs. 3 ABGB unterliegt. Da damit die Hauptleistungspflicht des Versicherers festgelegt wird, spricht der Wortlaut des Gesetzes gegen eine solche Anwendbarkeit. Dagegen sind Fenyves ("KSchG und Vertragsversicherungsrecht" in Krejci, Hdb z KSchG 537 ff [583 ff, insbes. 597]) und Jabornegg (Das Risiko des Versicherers 17 ff) mit dem Argument aufgetreten, daß der Versicherer, der die von ihm angebotene Versicherung in ihren Grundzügen determiniert hat, den Vertrag so zu gestalten hat, daß die vom Versicherungsnehmer darin berechtigterweise gesetzten Erwartungen nicht enttäuscht werden; alle Klauseln der Risikoumschreibung, die diese Erwartungen beeinträchtigen, müßten der Inhaltskontrolle zum Opfer fallen, unabhängig davon, ob sie sich innerhalb der primären oder der sekundären Risikoumschreibung befinden; allerdings werde der Hauptanwendungsbereich der Inhaltskontrolle bei den sekundären Risikoausschlüssen liegen. Der erkennende Senat hat diese grundsätzliche Frage in der Entscheidung VR 1987, 51 zwar ausdrücklich offen gelassen, die Lösung des Falles aber darin gefunden, daß der Versicherungsnehmer den von ihm angestrebten weiten Versicherungsschutz im Einzelfall nicht erwarten durfte. In der Entscheidung 7 Ob 26/90 wurde eine Klausel in einer Rechtsschutzversicherung eines Handelsvertreters, welche Streitigkeiten aus arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit des Versicherungsnehmers ausschloß, im Hinblick auf die Häufigkeit dieser Rechtsstellung bei selbständigen Handelsvertretern als sinnwidrig und damit nicht bindend erkannt. In 7 Ob 6/92 wurde ausgesprochen, daß die Einschränkung der Versicherung in Vertragsbestimmungen auf Ausnahmsfälle des an sich übernommenen Risikos nur im Fall eines ausdrücklichen Hinweises beim Vertragsabschluß darauf gültig ist. Schließlich wurde in der E. ÖBA 1994, 236 ausgesprochen, daß der Begriff "Hauptleistung" in § 879 Abs 3 ABGB eng auszulegen ist. Der Verzicht auf weitere vorhersehbare Ansprüche in sog. Abfindungserklärungen wurde aber als der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB entzogen erkannt (JBl 1988, 118; WBl 1988, 440). Auch im vorliegenden Fall muß diese Streitfrage nicht abschließend beurteilt werden. Es steht fest, daß bereits in der Versicherungspolizze ausdrücklich auf die Begrenzung des Vertragsrechtsschutzes mit einem Streitwert von S 200.000 hingewiesen wurde. Die Klägerin hat nicht vorgetragen, in welcher von der Beklagten erweckten Erwartung sie durch den Inhalt des Art 23.3.5.ARB 1988 enttäuscht worden wäre. Unter diesen Umständen könnte der Ausschluß des höheren Risikos, welche das Führen von Prozessen mit höheren Streitwerten mit sich bringt, nicht als gröblich benachteiligend beurteilt werden.

Da somit eine erhebliche Rechtsfrage nicht zur Beurteilung vorliegt, war die Revision - ungeachtet des nicht bindenden (§ 508 a ZPO) Ausspruches des Berufungsgerichtes, daß die ordentliche Revision zulässig sei - zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin hingewiesen.

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