Normen
ABGB §424
ABGB §427
ABGB §428
KO §11
KO §83
KO §116
KO §117
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KO §11
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KO §116
KO §117
Spruch:
Erfordernisse der Begründung von Sicherungseigentum. Bedeutung der Anerkennung eines Aussonderungsanspruches und Ausfolgung der ausgesonderten Gegenstände durch den Masseverwalter.
Entscheidung vom 9. März 1955, 7 Ob 12/55.
I. Instanz: Landesgericht Innsbruck; II. Instanz: Oberlandesgericht Innsbruck.
Text
Der Kläger hatte Ende April 1953 gegen Hildegard S. aus Warenlieferungen eine Forderung von mindestens 73.000 S. Am 8. Mai 1953 trat er mit ihr eine Vereinbarung dahin, daß er von ihr mit 125.000 S bewertete Textilmaschinen unter Anrechnung auf seine Forderung ins Eigentum übernehme, diese aber pachtweise weiter in ihrer Gewahrsame belasse. Am 26. Juni 1953 kam eine weitere Vereinbarung zustande, wonach ihr der Kläger das Recht einräumte, die Maschinen zurückzukaufen; sie sollten ihr unter Vorbehalt des Eigentumes für den Kläger überlassen werden und sie sollte an den einzelnen Maschinen bei Leistung von Zahlungen im Verhältnis zu dem im ersten Kaufvertrag angeführten Schätzwerte das Eigentum wieder erwerben. Als im Herbst 1953 über Hildegard S. der Konkurs eröffnet wurde, meldete der Kläger eine Forderung von 13.511 S 93 g zum Konkurse an und machte gleichzeitig sein Eigentumsrecht an den Maschinen geltend. Die angemeldete Förderung errechnete er in der Art, daß er die ursprüngliche Forderung von 73.000 S mit einem Restbetrag von 62.910 S 03 g und aus späteren Warenlieferungen eine Forderung von 601 S 90 g in Rechnung stellte und von dem Gesamtbetrag den mit 50.000 S angenommenen Wert der Maschinen in Abzug brachte. Der damalige (seither verstorbene) Masseverwalter anerkannte das Eigentum an den Maschinen und folgte sie dem Kläger aus. Die im Konkurs angemeldete Forderung bestritt der Masseverwalter, weil die Forderungen des Klägers durch den Kaufpreis für die ausgefolgten Maschinen und durch die von der Gemeinschuldnerin geleisteten Zahlungen gedeckt seien. Mit der vorliegenden Liquidierungsklage begehrt der Kläger die Feststellung, daß seine Forderung mit dem angemeldeten Betrage von 13.511 S 93 g in der dritten Klasse der Konkursgläubiger zu Recht bestehe.
Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben. Es war der Ansicht, daß alle getroffenen Vereinbarungen nichts anderes als eine Sicherungsübereignung der Maschinen zur Sicherstellung der Forderungen des Klägers bezweckt hätten und daß, da die Forderungen des Klägers nicht vollständig befriedigt wurden, seine Forderung zumindest noch in der geltend gemachten Höhe zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht hat infolge Berufung des Beklagten das Klagebegehren abgewiesen. Es ist der Ansicht, daß, wenn schon nicht durch die Erklärungen und Rechtshandlungen der Vertragspartner im Frühjahr 1953 vollwirksames Eigentum für den Kläger an den sieben Textilmaschinen begrundet worden wäre, durch die Anmeldung des Aussonderungsrechtes im Konkurse einerseits und durch das mit dem seinerzeitigen Eigentumsübergang begrundete Anerkenntnis dieses Anspruches durch den Masseverwalter anderseits ein konstitutiver Rechtsakt gesetzt worden sei, durch den der Kläger spätestens nach der Aussonderung der Maschinen aus der Konkursmasse auch wirkliches Eigentum erworben habe; da der am 8. Mai 1953 beurkundete Vertrag über den Verkauf der sieben Maschinen gegen Verrechnung der Warenschuld von 73.000 S spätestens im Zuge der Aussonderung der Maschinen aus der Konkursmasse nach seinem Wortlaut Rechtswirksamkeit erlangt habe, sei die Warenschuld erloschen und die Anmeldung einer restlichen Forderung nicht berechtigt. Was aber die Vereinbarung über das Recht zum Rückkaufe der Maschinen betreffe, so sei diese unwirksam geblieben, weil nach dem unbestrittenen Parteivorbringen die Maschinen auch nachher mit den Namenstafeln des Klägers versehen blieben und daher eine Übergabe der Maschinen an Hildegard S. nicht stattgefunden hat (§ 1053 ABGB.).
Der Oberste Gerichtshof hob die Urteile beider Vorinstanzen auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Es ist in Lehre und Rechtsprechung (SZ. VII 46, Klang 2. Aufl. S. 300 f. zu § 424 ABGB.) unbestritten, daß ein Vertrag, mit welchem Sicherungseigentum eingeräumt wird, einen gültigen Titel für den Eigentumserwerb bildet. Es ist auch richtig, daß der Sicherungseigentümer Volleigentümer ist, wenn ihm auch die obligatorische Verpflichtung auferlegt ist, von den im Eigentum liegenden Befugnissen nur zur Sicherung seiner Forderung Gebrauch zu machen. Allein daraus folgt noch keineswegs, daß der Vollzug der Sicherungsübereignung in einer Form zugelassen werden müßte, die es ermöglicht, die Betriebsmittel als Sicherungsgegenstände der weiteren Benützung im Betrieb des Schuldners zur Verfügung zu halten (ZBl. 1929 Nr. 195). Der Oberste Gerichtshof hat auch, von ganz vereinzelten Entscheidungen, wie Rspr. 1926 Nr. 165; Rspr. 1929 Nr. 66; ZBl. 1934 Nr. 144, abgesehen, stets daran festgehalten, daß die Sicherungsübereignung wirtschaftlich nichts anderes verfolgt als eine Pfandbestellung, daher - zumal eine gesetzliche Regelung fehlt - die für die Pfandbestellung im Gesetz vorgesehenen Formen der Übergabe einzuhalten sind. Deshalb kann Sicherungseigentum durch Besitzkonstitut nicht begrundet werde. Es ist vielmehr nur dann wirksam zustande gekommen, wenn eine Gewahrsamsänderung vorgenommen wurde oder, wenn diese nicht möglich oder tunlich sein sollte, eine Übergabe durch Zeichen im Sinne des § 427 ABGB. erfolgt (SZ. VIII 200; GH. 1928 S. 67; SZ. X 26; ZBl. 1928 Nr. 164;, JBl. 1934 S. 345;
RiZ. 1934 S. 215; GH. 1935 S. 45; GH. 1936 S. 4; JBl. 1951 S. 264;
JBl. 1953 S. 570; Bankarchiv 1954 S. 240 u. a.). Der Oberste Gerichtshof sieht sich nicht veranlaßt, von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen.
Wird von dieser ständigen Rechtsprechung aber ausgegangen, ist Sicherungseigentum vor der Eröffnung des Konkurses für den Kläger nicht wirksam begrundet worden. Eine symbolische Übergabe ist nur dort wirksam, wo die Übergabe von Hand zu Hand nicht möglich oder nicht tunlich wäre. Eine solche Übergabe muß nicht unbedingt eine Ortsveränderung zur Folge haben, sondern sie besteht darin, daß dem Erwerber die ausschließliche Verfügungsgewalt eingeräumt und dem Veräußerer entzogen wird (GH. 1936 S. 4). Daß Maschinen eines Strickereibetriebes körperlich übergeben werden können, ist nicht zweifelhaft und im gegenwärtigen Falle, da die Maschinen später tatsächlich aus dem Betriebe weggebracht wurden, eindeutig dargetan. Die Einräumung der ausschließlichen Verfügungsmacht wäre also durchaus möglich und wohl auch tunlich gewesen. Daß eine körperliche Übergabe vor Konkurseröffnung erfolgt wäre, wurde nie behauptet. Ist aber eine körperliche Übergabe möglich, kann Eigentum durch Zeichen nicht übertragen werden und ist mangels einer solchen körperlichen Übergabe zumindest bis zur Konkurseröffnung Eigentum nicht wirksam übertragen worden. Damit ist aber auch der vom Erstgericht auf die festgestellte Rücknahmevereinbarung gegrundete Eigentumsvorbehalt des Klägers unwirksam geblieben.
Ob der Kläger durch die Aussonderung der Maschinen aus der Konkursmasse Eigentum erworben hat, hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob die Rechtshandlungen des Masseverwalters rechtswirksam waren. Der Masseverwalter ist berechtigt, zweiseitige Verträge, sofern sie bei Konkurseröffnung noch von keiner Vertragspartei vollständig erfüllt sind, an Stelle des Schuldners zu erfüllen und vom anderen Teile Erfüllung zu verlangen oder vom Vertrage zurückzutreten. Gemäß § 83 Abs. 1 KO. ist der Masseverwalter im Verhältnis zu Dritten kraft seiner Stellung befugt, alle Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen vorzunehmen, welche die Erfüllung der Obliegenheiten seines Amtes mit sich bringt; Einschränkungen dieser Amtsbefugnisse des Masseverwalters sind grundsätzlich unzulässig und wirkungslos, gleichgültig, von wem sie ausgehen. Nur in wenigen Fällen, die im Interesse der Rechtssicherheit im Gesetz ausdrücklich und erschöpfend aufgezählt sind, durchbricht das Gesetz die Vertretungsmacht des Verwalters mit der Wirkung gegen Dritte. Im gegenwärtigen Falle kommen die Bestimmungen der §§ 116 und 117 KO. in Betracht, in denen eine Anzahl von Rechtshandlungen aufgezählt sind, deren Vornahme der Masseverwalter stets nur mit Genehmigung anderer Konkursorgane - des Gläubigerausschusses oder dieses und des Konkurskommissärs, allenfalls in dringenden Fällen mit Genehmigung des Konkursgerichtes - vornehmen darf (§§ 83 Abs. 2, 118 KO.). In diesen Fällen bedarf der Masseverwalter dann auch von Fall zu Fall nach außenhin entweder des Genehmigungsbeschlusses oder einer (deklarativen) Ermächtigungsurkunde des Konkurskommissärs. Fehlt aber in einem dieser Ausnahmefälle die vorgeschriebene Genehmigung des betreffenden Konkursorganes, so erzeugt die Rechtshandlung des Verwalters die beabsichtigten Wirkungen auch nach außen hin nicht. Der Dritte wird durch sie ebensowenig berechtigt oder verpflichtet wie der Verwalter, und es ist dabei unerheblich, ob der Dritte das Erfordernis der Genehmigung kannte (ausgenommen den hier ausscheidenden Fall des § 83 Abs. 2 KO.) und ob er ihr Fehlen kannte oder kennen mußte (Bartsch - Pollak KO. I S. 541 f.). Da die gegenständlichen Textilmaschinen nach den übereinstimmenden Parteienangaben einen Wert von mehr als 20.000 S hatten, hätte der Masseverwalter nach § 116 Z. 4 KO. zur Erfüllung oder Aufhebung der von der Gemeinschuldnerin abgeschlossenen Vereinbarungen und nach § 116 Z. 5 KO. zur Anerkennung der vom Kläger geltend gemachten Aussonderungsansprüche der Genehmigung des Gläubigerausschusses oder, falls ein solcher nicht bestellt war, gemäß § 90 KO. jener der Konkurskommissärs bedurfte. Es wäre Sache der Untergerichte gewesen, hierauf Bedacht zu nehmen, zumal das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von dem Anerkenntnis des Masseverwalters ausgeht. In dieser Hinsicht fehlt aber jede Erörterung im bisherigen Verfahren und liegen infolgedessen auch Feststellungen nicht vor. Demnach ist das Verfahren ergänzungsbedürftig. Erst nach Vornahme dieser Ergänzungen und eingehender Prüfung der erhobenen gegenseitigen Ansprüche wird es möglich sein, verläßlich zu beurteilen, ob die angemeldete Konkursforderung zu Recht besteht oder nicht.
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