OGH 7Ob118/97x

OGH7Ob118/97x24.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schalich, Dr.Tittel, Dr.I.Huber und Dr.Hradil als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred E*****, vertreten durch Dr.Gerhard Schatzlmayr und Dr.Klaus Schiller, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, gegen die beklagte Partei Walter W*****, vertreten durch Dr.Günther Stanonik und Dr.Christian Egger, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 123.400,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 30.Jänner 1997, GZ 6R 225/96t-28, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 8.August 1996, GZ 2 Cg 323/95w-16, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz wird dahin abgeändert, daß das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.491,04 (darin enthalten S 811,84 USt und S 6.620,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte, der den Beruf eines Elektrikers erlernt hatte, verkaufte ab 1993 hauptberuflich als sogenannter "Betreuer" Beteiligungsscheine (sogenannte Letters) für den E*****-Re-I***** Ltd (E*****), nachdem er Ende 1992 oder zu Beginn des Jahres 1993 selbst dessen Mitglied geworden war. Ende April oder Anfang Mai 1993 stieg er zum "Bezirksleiter" auf. Im Oktober 1993 wurde er zum "Teamleiter" befördert. Diese Funktion stellte eine Vorstufe zu der des "Bezirksdirektors" dar, zu dem der Beklagte Anfang 1994 bestellt wurde. Im September oder Oktober 1994 übernahm er die Funktion des "Gebietsdirektors". Der Beklagte erzielte S 3 bis 4 Mio an Provisionen und Einkünften aus seiner Umsatzbeteiligung an den Geschäften des E*****.

Die Vertriebsorganisation des E***** war derart aufgebaut, daß künftige Investoren von den "Betreuern" angesprochen und von der Idee des E***** überzeugt wurden. Diese "Betreuer" waren selbständig tätig und standen in keinem Angestellten- oder sonstigen Dienstverhältnis zum E*****. Die Bezirksleiter erhielten Provisionen für die Vermittlung von neuen Mitgliedern, für den Verkauf von Letters und für von den Mitgliedern getätigten Re-Investitionen.

Der Beklagte hat nie eine Ausbildung als Vermögensberater erhalten. Die Schulungen des E***** hatten lediglich die Führung von Kundengesprächen und die Verkaufsstrategien zum Gegenstand. Von der konkreten Veranlagung der Gelder des E***** hat der Beklagte nie Kenntnis erlangt.

Der Kläger hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Werkzeugmacher und war im Mai 1994 als Vertreter für Saatgut beschäftigt. Im Winter 1993/1994 teilte Martin B***** dem Kläger in einem Gespräch mit, daß er Mitglied des E***** sei. Martin B***** erklärte dem Kläger die Veranlagungsstrategie des E***** dahingehend, daß man bei Zeichnung sogenannters Letters Kaptial einzahle und dieses mit einer 70%igen Rendite in monatlichen Teilzahlungen wiederum ausbezahlt erhalte. Der Kläger verfolgte die Möglichkeit einer Beteiligung an dieser Veranlagung aber nicht weiter, weil ihm die Höhe der Rendite unbegreiflich war. Nachdem ihm Martin B***** vom Erwerb weiterer Letters von S 300.000,-- und von einer bereits erzielten Rendite aufgrund der früher erworbenen Letters erzählt hatte, interessierte sich der Kläger nunmehr doch für die Veranlagungsform, worauf Martin B***** eine Besprechung mit dem damals als Betreuer zuständigen Beklagten veranlaßte. Dieses Zusammentreffen fand Ende Mai 1994 in der Wohnung des Martin B***** statt. Bis zu diesem Zeitpunkt verfügte der Kläger mit Ausnahme einer Auszahlungsliste über keinerlei Unterlagen des E*****. Der Beklagte erklärte nun, daß es sich beim E***** um einen Club wie jeden anderen handle, der an Firmen Aufträge vergebe und die eingezahlten Gelder derart investiere, daß daraus die entsprechenden Gewinne bzw Renditen erzielt würden. Er versicherte dem Kläger, daß die Veranlagungsform vollkommen risikolos sei, weil die eingezahlten Gelder durch die Rückversicherungsgesellschaft namens E*****-Re-I***** Ltd. genauso wie bei Banken versichert seien. Er wies darauf hin, daß diese Gesellschaft mit einem Stammkapital von ca S 100 Mio ausgestattet sei. Der Beklagte bestätigte dem Kläger auch, daß mit dem eingezahlten Kapital eine Rendite von 70 % zu erzielen sei. Der Beklagte wies im Zuge dieser Besprechung darauf hin, daß die eingezahlten Beträge in alle möglichen ertragreichen Veranlagungsformen investiert würden.

Im Anschluß an diese Erläuterungen des Beklagten entschloß sich der Kläger zu einer Mitgliedschaft beim E*****, die die Voraussetzung für den Erwerb von Letters war, sowie zum Kauf zweier Letters, wofür er S 19.600,-- zu zahlen hatte. Ein Letter wurde generell zum Kaufpreis von S 8.400,-- angeboten. Dazu kam eine Verwaltungsgebühr pro Letter in Höhe von S 1.400,--. Das diesbezügliche Antragsformular wurde vom Beklagten im Auftrag dem Klägers ausgefüllt und unterfertigt, nachdem der Kläger dem Beklagten den Geldbetrag bar zukommen ließ. Daraufhin wurden die Letters an den Kläger durch die L***** GmbH in G***** zugestellt. Auf diesen Letters ist als Sitz der E*****-I*****, der Muttergesellschaft der E*****-Re-I***** "Nassau, Bahamas" angeführt. Auf der Rückseite der Letters befindet sich eine Garantieerklärung der E*****-Re-I***** und der E*****-I***** Company zur prompten und pünktlichen Bezahlung aller Geldsummen. Eine derartige Garantie oder Haftung für die Auszahlung der zugesagten Beträge war vom Beklagten anläßlich des Gespräches von Ende Mai 1994 nicht übernommen worden. Nachdem der Kläger die ersten Auszahlungen erhalten hatte, entschloß er sich anläßlich des am 14.7.1994 vom Beklagten veranstalteten Clubbzw Informationsabends in L***** zum Ankauf weiterer 19 Letters, wofür er einen Betrag von S 186.200,-- zu zahlen hatte. Der Kläger besuchte die vom Beklagten einmal im Monat veranstalteten Club- bzw Informationsabende während der Monate Juni bis September 1994 regelmäßig. Am 31.7.1994 erwarb der Kläger weitere vier Letters, wobei er Martin B***** beauftragte, den entsprechenden Geldbetrag mit der Anweisung auf Unterfertigung des Antragsformulars an den Beklagten zu übergeben. Dieser unterfertigte wiederum das Antragsformular im Auftrag des Klägers persönlich.

Am 24.8. und am 15.9.1994 kaufte der Kläger je einen weiteren Letter an. Bis zum Dezember 1994 erhielt der Kläger die ihm vertraglich zugesicherten Zahlungen von S 141.200,--. In der Folge wurden keine Auszahlungen mehr geleistet. Daraus ergibt sich zum einbezahlten Gesamtbetrag von S 264.460,-- ein Differenzbetrag von S 123.260,--.

Bei den Club- bzw Informationsabenden hat der Beklagte wiederholt auf die absolute Risikolosigkeit der Veranlagungsform, von der er selbst überzeugt war, hingewiesen und allfällige Zweifel in Richtung eines bestehenden Risikos immer wieder zerstreut. Er erstellte auch gezielte Investitionsprogramme und führte Videofilme vor. Ob hiebei das Videoband "E***** Schweiz-Stanz" 21. bis 25.4.1994 vorgeführt wurde, kann nicht festgestellt werden. Dieses Videoband hat die Verhaftung mehrerer führender E*****-Mitglieder wegen des Verdachtes des schweren Betruges in der Schweiz zum Inhalt. Der Beklagte, der bei der Aufnahme des Videofilms zugegen war, hat den Kläger insbesondere auch bei seinem Gespräch Ende Mai 1994 über diese Vorgänge nicht informiert. Daß der Kläger vom Inhalt des Videobandes aufgrund einer Vorführung bei den Informationsabenden Kenntnis erlangt hätte, ist nicht feststellbar.

Im November 1994 wurde dem Kläger - so wie allen E*****-Mitgliedern - ein bis 20.12.1994 befristetes Anbot unterbreitet, wonach den Mitgliedern die Möglichkeit geboten wurde, noch offene Beträge früher anzusprechen, falls auf einen Teil des auszubezahlenden Kapitals verzichtet werde. Dieses Angebot wurde vom Kläger nicht angenommen. Auch bei einer umgehenden Annahme hätte der Kläger jedoch keine über die erhaltenen Auszahlungen hinausgehende Auszahlung erhalten.

Erst in einem dem Kläger im November 1994 zugekommenen Prospekt des E***** erfolgten erstmals Warnungen bezüglich des hohen Risikos der Veranlagungsform. Ab Beginn des Jahres 1995 kam die Auszahlung vollständig zum Erliegen. Hätte der Kläger zum Zeitpunkt der Letterankäufe vom hohen Risiko Kenntnis gehabt, hätte er vom Kauf Abstand genommen.

Der Kläger begehrt den aus der Differenz zwischen den eingezahlten und ausbezahlten Beträgen resultierenden Schaden, den er mit S 123.400,-- beziffert. Der Beklagte habe ihn nicht über allfällige Risken der Veranlagung aufgeklärt, sondern im Gegenteil seine Bedenken durch wortgewandte Argumentation zerstreut. Damit habe der Beklagte vorvertragliche Sorgfalts- und Aufklärungspflichten verletzt. Der Beklagte sei als wesentlicher Gestalter bzw als Person mit beherrschendem Einfluß auf das Vertriebssystem des E***** in Österreich anzusehen, sodaß er im Rahmen der Prospekthaftung für den eingetretenen Schaden hafte. Er habe den Kläger über die tatsächliche finanzielle Situation des E***** in Irrtum geführt und durch seine Werbetätigkeit persönliches Vertrauen des Klägers ausgenützt. Der Beklagte habe auch ein massives wirtschaftliches Eigeninteresse am Zustandekommen der Beteiligungen gehabt. Er habe absolute Risikolosigkeit und hohe Renditen versprochen. Der Kläger sei nicht davon unterrichtet gewesen, daß es sich um ein Umschichtungsspiel gehandelt habe. Dies sei vom Beklagten vielmehr dezitiert in Abrede gestellt worden. Als Argument für die besondere Sicherheit sei auf die Garantieerklärung der E*****-Re-I***** Ltd., Dublin, Irland, hingewiesen worden. Der Beklagte habe von den Verhaftungen in der Schweiz Kenntnis erlangt und insbesondere deshalb auch gewußt, daß er für die Teilnahme an einem sittenwidrigen Spiel geworben habe. Die strafrechtlichen Ermittlungen gegen den E***** habe der Beklagte damit abgetan, daß es sich um Willkürakte der Staatsanwaltschaft handle, die von der Bankenlobby gesteuert seien. Der Beklagte habe somit bei strafbaren Handlungen mitgewirkt, sodaß er auch aus diesem Grund dem Kläger für den eingetretenen Schaden hafte. Weiters hafte der Beklagte wegen eines Verstoßes nach § 2 KMG und nach den Bestimmungen der §§ 27 und 34 UWG.

Der Beklagte wendete ein, daß er auf das Ausbleiben der Gelder keinen Einfluß gehabt habe und auch keinerlei Garantie oder Haftung übernommen habe. Der Kläger habe die Geldbeträge nicht ihm, sondern an Martin B***** übergeben, sodaß überhaupt kein ausführliches Aufklärungsgespräch möglich gewesen sei. Der Beklagte habe keinerlei Aufklärungspflichten verletzt und auch keinen wesentlichen Einfluß auf das Vertriebssystem des E***** gehabt. Er sei selbst Mitglied des E***** gewesen und habe geglaubt, daß praktisch kein Risiko vorhanden sei. Er habe selbst Letters gezeichnet und mindestens S 1 Mio verloren. Er sei nicht als Anlagevermittler tätig gewesen. Der Kläger sei von Martin B***** mehrmals daraufhin gewiesen worden, daß es sich keinesfalls um eine risikolose Veranlagung handle, wovon sich der Kläger auch durch diverse Zeitungsberichte und die vorgeführten Videofilme überzeugen habe können. Der Kläger habe durch die Videovorführungen auch von den Verhaftungen von Mitgliedern des E***** gewußt und dennoch weiterhin Letters gezeichnet. Der Kläger sei dem Beklagten intelligenzmäßig nicht unterlegen gewesen und habe sich selbst leichgläubig auf ein Spekulationsgeschäft eingelassen. Er müsse sich zumindest das halbe Mitverschulden anrechnen lassen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, S 61.630 sA (den halben festgestellten Schadensbetrag) zu zahlen und wies das Mehrbegehren von S 61.770,-- sA ab. Der Beklagte hätte den Kläger vor Abschluß der Lettergeschäfte vor allem über deren Risikobeschaffenheit und die Gefährdung der Erfüllung aufklären müssen. Es sei ihm daher die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungs-, Schutz- und Sorgfaltspflichten vorzuwerfen. Eine solche Pflichtverletzung sei zwar gemäß § 1313 a ABGB grundsätzlich der Partei zuzurechnen, für die der Stellvertreter oder sonstige Vertragsgehilfe tätig sei. Der Geschäftsgehilfe sei aber in eigener Person verantwortlich, wenn er im Verhältnis zum Vertragspartner ein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages habe oder bei den Vertragsverhandlungen im besonderen Maß persönliches Vertrauen in Anspruch nehme und dadurch die Verhandlung beeinflußt habe. Der Beklagte habe einerseits eine führende Position innerhalb des E***** innegehabt. Andererseits habe er als dessen Geschäftsgehilfe ein immenses Interesse am Letterankauf durch den Kläger gehabt, weil er für die Ankäufe Provisionen erhalten habe und die Auszahlung seiner eigener Rendite dadurch erleichtert gewesen sei. Die Haftung des Beklagten für den Vertrauensschaden des Klägers sei daher zu bejahen. Dem Kläger sei jedoch ein gleichteiliges Mitverschulden anzulasten, weil das Risiko trotz der gegenteiligen Zusicherungen des Beklagten aufgrund der dubiosen Umstände - 70%ige Rendite, Sitz der Muttergesellschaft auf den Bahamas usw - nahezu offenkundig gewesen sei. Dem Kläger falle also eine gewichtige Sorglosigkeit und Leichtgläubigkeit zur Last.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Der Beklagte sei nicht als Anlageberater tätig gewesen, sondern er sei in das Vertriebssystem des E***** eingebunden gewesen. Der Kläger habe sich an den Beklagten als Repräsentant des E***** gewendet. Ein Anlageberatervertrag sei auch nicht stillschweigend zustandegekommen. Eine Anlageberaterhaftung komme daher nicht Betracht. Der Umstand, daß sich der Kläger beim Beklagten über die von diesen vertriebenen Letters des E***** informiert habe, lasse noch keinen Auskunftsvertrag entstehen. Die in Deutschland hiezu entwickelte Rechtsansicht sei für Österreich nicht tragfähig, weil sie übereinstimmende Willenserklärungen zum Abschluß eines Vertrages unterstelle. Die Handlungen und Erklärungen des Beklagten seien gemäß § 1313 a ABGB der E*****-Unternehmensgruppe zuzurechnen. Eine deliktische Haftung des Beklagten käme nur bei wissentlicher Erteilung eines falschen Rates in Frage, die hier jedoch zu verneinen sei, weil der Beklagte selbst von der Risikolosigkeit der von ihm vertriebenen Anlage überzeugt gewesen sei. Ein erhebliches unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse oder die Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens, die nach der Rechtsprechung zu einer kumulativen Verantwortlichkeit des Vertreters und des Vertretenen führten, sei nicht hervorgekommen. Hiezu reiche weder der Entgeltanspruch des Vertreters aus dem Innenverhältnis zum Vertretenen (Provision) hin noch der Umstand, daß die Ankäufe des Klägers die Möglichkeit der Renditezahlungen auch für die Veranlagungen des Beklagten begünstigten, weil im Hinblick auf die gerichtsbekannt große Zahl der Erwerber von Letters des E***** der Erwerb der Letters durch den Kläger im Ergebnis keine Rolle gespielt habe. In eine führende Position sei der Beklagte erst nach Abschluß der gegenständlichen Geschäfte, als er die Funktion des Gebietsdirektors übernommen habe, gelangt. Da der Beklagte die Teilnahme an einem verbotenen Spiel vermittelt, nicht aber eine Veranlagung im Sinn des § 1 Abs 1 Z 3 KMG vertrieben habe, komme auch eine Haftung wegen eines Verstoßes nach § 2 KMG nicht in Betracht. Ein Vertrag nach dem sogenannten Schneeballsystem liege begrifflich nicht vor, sodaß auch § 34 Abs 3 UWG nicht zur Anwendung kommen könne. Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil das Gericht zweiter Instanz der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gefolgt sei und der Frage, ob der Beklagte als Abschlußgehilfe der E*****-Gruppe tätig geworden sei, keine Bedeutung über diesen Einzelfall hinaus zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers, die die Abweisung des Teilbetrages von S 61.770,-- sA unbekämpft läßt und nur die Abweisung des übersteigenden Betrages von S 61.630,-- sA durch das Berufungsgericht anficht, ist zulässig und auch berechtigt.

In seiner Entscheidung vom 15.7.1997, 1 Ob 182/97i, der ein nahezu identischer Sachverhalt zugrundelag, hat der Oberste Gerichtshof die persönliche Haftung eines auf Provisionsbasis für den E***** tätigen Abschlußvermittlers von "Letters" bejaht. Hier wie dort war der Beklagte als Vertragsgehilfe für den E***** tätig, sodaß der E***** dem Geschädigten deshalb gemäß § 1313 a ABGB jedenfalls haftet. Der dort erkennende Senat kam aber nach umfangreicher Darstellung der neueren österreichischen Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten des Anlageberaters und zu der bereits von den Vorinstanzen aufgezeigten Frage der persönlichen Haftung des Geschäftsgehilfen und deren Voraussetzungen sowie der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes und der deutschen Lehre zu dem Ergebnis, daß in Fällen wie dem hier vorliegenden auch der (bloße) Vermittler aus einem schlüssig zustandegekommenen Auskunftsvertrag verantwortlich sei, selbst wenn er nicht mit besonderer Vertrauenswerbung hervortrete. Der Bundesgerichtshof habe die diesbezüglichen, zunächst für den Anlageberater entwickelten Grundsätze auch auf den - selbständigen - Anlagevermittler ausgedehnt, soweit der Anlageinteressent klar mache, er wolle - bezogen auf eine bestimmte Anlagenentscheidung - die einschlägigen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen, und soweit dieser die gewünschte Tätigkeit auch entfaltet habe. Der dadurch zustandegekommene Vertrag beschränke sich auf Auskunftserteilung und verpflichte den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über jene tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluß des Interessenten von Bedeutung seien. Um dieser Verpflichtung entsprechen zu können, müsse sich der Anlagevermittler wohl vorher selbst auf verlässliche Weise über die Wirtschaftlichkeit (Ertragsfähigkeit) der Anlage und - nicht zuletzt - über die Bonität des Kapitalsuchenden informieren, weil seine Auskünfte sonst jeder objektiven Grundlage entbehrten; zumindest aber müsse der Anlagevermittler, sei er dazu nicht imstande, das dem Interessenten offenlegen. Es sei nicht einzusehen, weshalb diese Grundsätze nicht auch im Geltungsbereich des österreichischen Privatrechts Anwendung finden sollten, könne doch die Interessenlage der daran Beteiligten in Österreich nicht anders beurteilt werden als in Deutschland, und es sei auch die Rechtslage in den beiden Staaten durchaus vergleichbar.

Die in 1 Ob 182/97 dargestellten Erwägungen, denen sich der hier erkennende Senat anschließt, führen auch im vorliegenden Fall zu einer Bejahung der persönlichen Haftung des Beklagten. Der Beklagte stellte ebenfalls die Veranlagungsform als vollkommen risikolos hin, betonte die Seriosität zudem mit dem Hinweis auf das Bestehen einer Rückversicherungsgesellschaft und deren hohes Stammkapital und veranstaltete ebenfalls Club- und Informationsabende, in denen er allfällige Zweifel an der Risikolosigkeit immer wieder zerstreute und mit Videofilmen und Investitionsprogrammen arbeitete, mit denen er offensichtlich die mangelnde objektive Information über die Ertragsfähigkeit der beworbenen Kapitalanlage und die Bonität des E***** ersetzte oder überspielte. Die Frage nach der Risikoträchtigkeit wurde nicht eigens thematisiert, sodaß auch hier dem Beklagten vorzuwerfen ist, daß er den hoch spekulativen Charakter der Kapitalanlage nicht deutlich machte, sondern daß dieser verschleiert und die Rendite als sicher hingestellt wurde. Der Beklagte hat seine auskunftsvertraglichen Verpflichtungen ebenfalls dadurch verletzt, daß er die von ihm beworbene Kapitalanlage als gleichzeitig extrem ertragreich und sicher darstellte, ohne aber offenzulegen, daß es sich dabei allein um seine subjektive Überzeugung handle, die keineswegs auf objektiven Informationen über die Bonität des E***** beruhte und die er trotz Fehlens zuverlässiger Quellen über die wirtschaftliche und finanzielle Situation des E***** als Werbemittel einsetzte. Selbst wenn er daher gutgläubig gewesen sein sollte, könnte ihn dieser Umstand nicht entlasten, weil er sich seiner eigenen unzulänglichen Beurteilungsgrundlage bewußt gewesen sein müßte. Wer sich als Anlagevermittler betätigt, hat über die dafür erforderlichen und von den Anlageinteressenten, die gerade bei dieser Vertriebsmethode regelmäßig ohne jede Geschäftserfahrung und ohne ausreichenden konkreten Kenntnisstand sind, erwarteten Kenntnisse zu verfügen bzw offenzulegen, daß dies bei ihm nicht der Fall ist (1 Ob 182/97i mwN).

Daß dem Kläger ein vom Gericht erster Instanz mit dem Ausmaß von 50 % angenommenes Mitverschulden zur Last fällt, hat dieser unbekämpft gelassen. Für ein Abweichen von der vom Erstgericht wohl begründeten Verschuldensteilung besteht kein Anlaß (vgl ebenfalls 1 Ob 182/97i, wo eine derartige Verschuldensteilung gebilligt wurde).

Es war daher das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründen sich auf die §§ 43 (1) und 50 ZPO, jene über die Kosten des Revisionsverfahrens auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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