OGH 7Ob109/11x

OGH7Ob109/11x9.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** T*****, und 2. G***** H*****, beide vertreten durch Salpius Rechtsanwalts GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei A*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Mag. Martin Paar und Mag. Hermann Zwanzger, Rechtsanwälte in Wien, wegen je 184,68 EUR (sA) und Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 17. März 2011, GZ 2 R 164/10s-30, mit dem das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 28. Mai 2010, GZ 3 Cg 103/07i-26, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, den Klägern die mit 845,64 EUR (darin enthalten 141,24 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Kläger sind bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Den Versicherungsverträgen liegen „Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2003)“ zugrunde. Deren Art 8 lautet auszugsweise:

Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruchs zu beachten? (Obliegenheiten)

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

[…]

1.5. bei der Geltendmachung oder Abwehr von zivilrechtlichen Ansprüchen außerdem

[…]

1.5.3. soweit seine Interessen nicht unbillig, insbesondere durch drohende Verjährung beeinträchtigt werden, vor der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen die Rechtskraft eines Strafverfahrens oder eines anderen Verfahrens abzuwarten, das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann, oder vorerst nur einen Teil der Ansprüche geltend zu machen und die Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Teilanspruch zurückzustellen.

2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorgenannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung frei.

[…].“

Die Kläger hatten bei der A***** AG und der A***** AG (Kurzbezeichnung A*****) jeweils Geld veranlagt. Infolge Insolvenz beider Unternehmen wurden sie - wie tausende andere Anleger, die zum Teil ebenfalls bei der Beklagten rechtsschutzversichert waren, auch - geschädigt. Sie beauftragten die Salpius Rechtsanwalts GmbH (die nunmehrige Klagevertreterin) mit ihrer rechtsfreundlichen Vertretung. Ihre Anwälte vertraten und vertreten ihre Interessen unter anderem im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Forderungen gegenüber der Anlegerentschädigung von WPDLU GmbH (nunmehr Anlegerentschädigung von Wertpapierfirmen GmbH; im Folgenden AEW) sowie im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Forderungen gegen die Republik Österreich (als Träger der Wertpapier- und Finanzmarktaufsicht) und die B***** GmbH (als Jahresabschlussprüferin der A*****-Unternehmen; im Folgenden B*****).

Die Beklagte lehnte Rechtsschutzanforderungen der Kläger mit Schreiben vom 6. 12. 2005 (Erstklägerin) und vom 20. 2. 2006 (Zweitkläger) wegen Vorvertraglichkeit (Eintritt des Versicherungsfalls vor Wirksamwerden des Versicherungsschutzes) ab. Erneut wurde Rechtsschutzdeckung von der Beklagten mit E-Mail vom 22. 3. 2006 unter Hinweis auf „bisherige Stellungnahmen zu den Bereichen Massenschadensklausel, Spekulationsklausel und Bestimmungen des Versicherungsfalls“ verweigert.

Die Beklagte hat bislang keinerlei Maßnahmen ergriffen, um die Ansprüche der Kläger zu wahren. Verjährungsverzichtserklärungen der genannten Gegner wurden ausschließlich von der Klagevertreterin eingeholt.

Die Kläger, deren Klage am 31. 7. 2006 beim Erstgericht einlangte, begehrten - soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich - zuletzt (nach mehrfacher Modifizierung des Begehrens) die Feststellung, die Beklagte habe ihnen in der Rechtssache A***** die Kosten der Klagevertreterin für die rechtliche Vertretung, insbesondere für die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der AEW sowie für die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen gegen die Republik Österreich und die B***** zu dem einem ortsansässigen Rechtsvertreter gebührenden Tarif zu ersetzen. Weitere Begehren, denen zum Teil rechtskräftig stattgegeben wurde und die zum Teil rechtskräftig abgewiesen wurden, sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Betreffend das Begehren auf Feststellung der Deckungspflicht berief sie sich in der Streitverhandlung vom 21. 11. 2007 erstmals auf eine Warteverpflichtung nach Art 8.1.5.3. ARB 2003. Derzeit würden beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien auch in ihrem Auftrag von diversen Rechtsschutzversicherern Musterverfahren gegen die Republik Österreich und die B***** geführt. Mit Schriftsatz vom 3. 3. 2010 machte die Beklagte geltend, das Deckungsbegehren sei mangels Fälligkeit abzuweisen, weil die Kläger einer Warteverpflichtung nach Art 8.1.5.3. ARB 2003 unterlägen. Es sei nämlich beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 30 Cg 18/06x ein Musterverfahren einer anderen A*****-Geschädigten gegen die Republik Österreich und die auf deren Seite dem Prozess als Nebenintervenientin beigetretene B***** anhängig, das von einer von der Beklagten beauftragten Anwaltskanzlei geführt werde. In diesem Musterverfahren gehe es um einen gleichgelagerten Sachverhalt und um dieselben Anspruchsgrundlagen, sodass es sowohl tatsächliche als auch rechtliche Bedeutung für die von den Klägern beabsichtigte Klagsführung gegen die Republik Österreich und die B***** habe. In der Streitverhandlung am 10. 5. 2010 brachte die Beklagte noch vor, gegen die AEW sei ein Musterverfahren zu 30 Cg 30/07z des Handelsgerichts Wien anhängig. Auch hinsichtlich der AEW sei ein Deckungsanspruch daher noch nicht fällig.

Die Kläger erwiderten, das Vorbringen betreffend das Musterverfahren 30 Cg 18/06x ändere nichts an ihrem rechtlichen Interesse an der urteilsmäßigen Feststellung, dass die Beklagte für allenfalls von ihnen zu führende Verfahren die Kostendeckung zu übernehmen habe. Die Beklagte habe eine Deckung immer kategorisch abgelehnt und bisher weder auf das anhängige Musterverfahren noch auf Art 8.1.5.3. ARB 2003 verwiesen und auch nicht, was ihr freigestanden wäre, die Zustimmung zur Klagsführung vom Ergebnis eines Musterverfahrens abhängig gemacht. Dass letzteres bislang unterblieben sei, könne nicht den Klägern zum Nachteil gereichen, indem ihnen das Feststellungsinteresse abgesprochen werde. Das Musterverfahren gegen die AEW könne zwar allenfalls für die Anspruchsgrundlage präjudiziell sein, habe aber keine Auswirkung auf die Höhe des den Klägern geschuldeten Betrags und die Besonderheiten des Einzelfalls. Es könne daher trotz des Musterprozesses ein Verfahren der Kläger gegen die AEW notwendig sein, und zwar insbesondere deswegen, weil diese mittlerweile Schadenersatzforderungen für die Kläger bei den Liquidatoren der Fonds in L***** (in denen die A*****-Unternehmen die Kundengelder überwiegend veranlagt hatten) angemeldet habe, obwohl keine Auszahlungen an die Kläger erfolgt seien.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren hinsichtlich beider Kläger, die gerichtliche Geltendmachung von Forderungen gegen die AEW, die Republik Österreich und die B***** in der Rechtssache A***** betreffend, statt. Die Beklagte habe keinerlei Maßnahmen gesetzt, um die Ansprüche der Kläger zu wahren, damit der Ausgang von Musterverfahren gegen AEW, Republik Österreich und B***** abgewartet werden könne. Da die Kläger selbst für die Wahrung ihrer Interessen sorgen hätten müssen, könne sich die Beklagte nicht erfolgreich auf die Warteverpflichtung berufen.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung in diesem Punkt. Ein Versicherungsnehmer könne die Warteobliegenheit nur erfüllen, wenn ihn der Versicherer zuvor konkret auf einen allenfalls anhängigen „Musterprozess“ hinweise und auffordere, vor einer eigenen Klagsführung dessen Ausgang abzuwarten. Der Versicherer sei dazu verhalten, den Versicherungsnehmer zumindest in Grundzügen darüber zu informieren, worum es im anderen Verfahren gehe und inwiefern es tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für die beabsichtigte Rechtsverfolgung haben könnte. Andernfalls sei nämlich für den Versicherungsnehmer nicht nachzuvollziehen, ob das ihm abverlangte Zuwarten überhaupt zur Vermeidung einer „Mehrgleisigkeit“ geeignet und damit gerechtfertigt sei. Die Beklagte habe sich gegenüber den Klägern weder vorprozessual noch in der ersten Phase des seit Sommer 2006 anhängigen Rechtsstreits auf die Warteverpflichtung nach Art 8.1.5.3. ARB 2003 berufen, um ihre Deckungsablehnung zu begründen. Erstmals in der Streitverhandlung vom 21. 11. 2007 habe sie eine derartige Verpflichtung mit der pauschalen Begründung geltend gemacht, es würden derzeit beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien von diversen Rechtsschutzversicherungen - unter anderem auch in ihrem Auftrag - von bestimmten „Schwerpunktkanzleien“ Musterverfahren gegen die Republik Österreich und die B***** geführt. Näher konkretisiert sei dieser Einwand erst in der Streitverhandlung vom 3. 3. 2010 durch Nennung und inhaltliche Darlegung des Verfahrens 30 Cg 18/06x des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien worden. Schließlich habe die Beklagte erstmals in der abschließenden Streitverhandlung vom 10. 5. 2010 auch noch auf ein beim Handelsgericht Wien zu 30 Cg 30/07z anhängiges Musterverfahren gegen die AEW hingewiesen. Eine hinlänglich substanziierte Aufforderung an die Kläger, den Ausgang eines anderen Verfahrens im Sinn des Art 8.1.5.3. ARB 2003 abzuwarten, sei somit erst im Frühjahr 2010 ergangen, also fast vier Jahre nach Prozessbeginn und - wie aus den Aktenzeichen abzuleiten sei - rund drei bis vier Jahre nach Einleitung der beiden Musterverfahren. Dass ein ohne ersichtlichen Grund derart spät erhobener, sich jeder Einflussnahme und Voraussicht der Kläger entziehender Einwand den (ansonsten nicht mehr weiter bestrittenen) Deckungsanspruch (durch Beseitigung seiner Fälligkeit) vernichten und dadurch den Prozessausgang ins Gegenteil verkehren können sollte, sei nicht einzusehen. Die erst im Endstadium des (zur Prüfung anderer Ablehnungsgründe eingeleiteten) Deckungsprozesses hinreichend substanziiert erfolgte Geltendmachung der Warteverpflichtung könne daher eine Feststellung der Deckungspflicht nicht mehr verhindern. Dieses Ergebnis erscheine umso sachgerechter, als damit das Interesse der Beklagten an einer Einhaltung der Warteverpflichtung nicht etwa endgültig abgetan werde, sondern aufgrund folgender Erwägungen gewahrt bleibe: Wie sich aus Art 8.2. ARB 2003 ergebe, sei die Warteverpflichtung eine Obliegenheit, deren Verletzung den Versicherer gemäß § 6 VersVG von der Verpflichtung zur Leistung befreie. Eine Verletzung dieser Obliegenheit könne nur dadurch erfolgen, dass der Versicherungsnehmer seine Ansprüche vor rechtskräftiger Beendigung des anderen Verfahrens (Musterprozess) gerichtlich geltend mache, obwohl ein (weiteres) Zuwarten seine Interessen nicht unbillig beeinträchtigen würde. Da die Kläger nach der Aktenlage noch keine Schadenersatzklage gegen die AEW, die Republik Österreich und/oder die B***** eingebracht hätten, könnten sie gegen die Warteverpflichtung noch nicht verstoßen haben, sondern es sei nur deren künftige Verletzung denkbar. Ob es jemals dazu kommen werde, sei völlig offen. Einerseits wäre es möglich (und allenfalls ratsam), dass die Kläger ungeachtet der nunmehrigen Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten mit einer gerichtlichen Inanspruchnahme der AEW, der Republik Österreich und/oder der B***** bis zum Abschluss der Musterverfahren zuwarteten, um eine Obliegenheitsverletzung zu vermeiden. Andererseits könnte eine frühere Klagsführung geboten und zulässig sein, um einer unbilligen Interessenbeeinträchtigung (vor allem dem Eintritt einer Anspruchsverjährung) zu begegnen. Sollten die Kläger jedoch gegen Art 8.1.5.3. ARB 2003 verstoßen, könnte die Beklagte immer noch den Ersatz der Kosten der gerichtlichen Anspruchsverfolgung verweigern und der dann von den Klägern einzubringenden Leistungsklage (auf Zahlung des Anwaltshonorars für den verfrüht begonnenen Schadenersatzprozess) den Einwand entgegenhalten, dass es nach dem Deckungsprozess zu einer Änderung der Verhältnisse in Form einer nachträglichen, Leistungsfreiheit bewirkenden Obliegenheitsverletzung gekommen sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Rechtsfrage existiere, ob und gegebenenfalls wie sich der erstmals im Verlauf des Deckungsprozesses erhobene Einwand einer Warteverpflichtung im Sinn des Art 8.1.5.3 ARB 2003 auf das ansonsten berechtigte Begehren des Rechtsschutzversicherten auf Feststellung der Rechtsschutzdeckung auswirke.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Begehren auf Feststellung der Deckungspflicht abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin entweder zurück- oder abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zwar zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Kläger haben, da sich die Beklagte auf mehrere Leistungsverweigerungsgründe berufen und den Rechtsschutz für die Rechtsschutzfälle AEW, Republik Österreich und B***** abgelehnt hat, Klage auf Feststellung der Deckungspflicht erhoben (vgl Bauer in Harbauer, Rechtschutzversicherung8 § 20 ARB 2000, Rn 11). Im Revisionsverfahren ist nur mehr strittig, ob die (grundsätzliche) Verweigerung des Rechtsschutzes im Hinblick auf eine von der Beklagten behauptete Warteverpflichtung nach Art 8.1.5.3. ARB 2003 gerechtfertigt ist oder nicht. Die Revisionswerberin vertritt die Ansicht, ihre Deckungspflicht sei zu verneinen, weil im maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz wegen zweier Musterprozesse eine Warteverpflichtung hinsichtlich der im Klagebegehren genannten Rechtsschutzfälle bestanden habe, die einer gerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche der Kläger entgegenstehe. Die verspätete Mitteilung der (Aktenzahlen der) Musterprozesse könne lediglich allenfalls Kostenfolgen haben, habe aber keine Auswirkung auf die Beurteilung des Deckungsanspruchs.

Die Ansicht der Beklagten, wonach zufolge der behaupteten Warteobliegenheit der Deckungsanspruch der Kläger noch nicht fällig sei, ist nicht zu teilen. Die Warteverpflichtung ist - wie Pkt 8.2. des Art 8 der ARB 2003 ausdrücklich klarstellt - eine nach dem Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllende Obliegenheit im Sinn des § 6 Abs 3 VersVG. Sie kann, ebenso wie andere Obliegenheiten, die Fälligkeit der Leistung erst dann berühren, wenn die Ansprüche, für die Rechtsschutzdeckung begehrt wird, mit Klage gerichtlich geltend gemacht werden. Dies ist im vorliegenden Fall (noch) nicht geschehen. Haben sich - wie hier - alle anderen vom Versicherer ins Treffen geführten Leistungsverweigerungsgründe als haltlos erwiesen, steht daher der Rechtsschutzdeckungsanspruch des Versicherungsnehmers für allfällige künftige gerichtliche Verfahren grundsätzlich fest; alle Anspruchsvoraussetzungen sind erfüllt.

Eine Warteobliegenheit besteht immer nur so weit, als die Interessen des Versicherungsnehmers nicht unbillig, insbesondere durch drohende Verjährung, beeinträchtigt werden. Ob und inwieweit eine Warteobliegenheit besteht, ist daher stets situationsbedingt; es sind die jeweiligen Umstände in ihrer Gesamtheit maßgeblich. Da sich diese Umstände jederzeit ändern können, kann nicht allgemeingültig, sondern immer nur für einen bestimmten Zeitpunkt beurteilt werden, ob für den Versicherungsnehmer die Obliegenheit besteht, die Erhebung einer bestimmten Klage zu unterlassen. Selbst bei einem - befristet - abgegebenen Verjährungsverzicht aller Anspruchsgegner können auch im Zeitraum, für den der Verzicht erklärt wurde, Umstände eintreten, die ein weiteres Zuwarten mit einer Klageerhebung unzumutbar erscheinen lassen. Nur falls im Zeitpunkt der tatsächlichen gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen durch den Versicherungsnehmer eine Warteobliegenheit bestünde, hätte dies - hinsichtlich der betreffenden Klagsführung - die Leistungsfreiheit des Versicherers zur Folge. Geht es um die Deckung der Kosten erst künftig zu führender gerichtlicher Verfahren, ist daher im Sinn der bereits vom Berufungsgericht angestellten Überlegungen auf eine Warteobliegenheit nicht schon im Rahmen des Deckungsprozesses, sondern erst dann Bedacht zu nehmen, wenn der Versicherungsnehmer tatsächlich Klage erhebt und dafür Kostendeckung vom Versicherer verlangt. Die von der Beklagten angestrebte sofortige Abweisung des Begehrens auf Feststellung der Rechtsschutzdeckungspflicht im Hinblick auf eine künftige Klagsführung betreffende Warteobliegenheit ist daher abzulehnen. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass jeglichem Feststellungsbegehren auf Versicherungsdeckung der Boden entzogen würde, wenn der Versicherer auf die Möglichkeit der künftigen Verletzung sekundärer Obliegenheiten verweist.

Wie der deutsche Bundesgerichtshof wiederholt in Rechtsschutzversicherungsfällen ausgesprochen hat, ist ein Feststellungsinteresse des Versicherungsnehmers in der Regel (schon) dann zu bejahen, wenn die beklagte Partei (etwa - wie hier - als namhafter Versicherer) die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren Vollstreckungstitels bedürfte (BGH VersR 2006, 830 mwN; Bauer aaO ARB 2000 § 20 Rn 9). Diese Voraussetzung ist hier gegeben. Es ist allerdings der Ansicht des Berufungsgerichts beizupflichten, dass es der Beklagten ungeachtet des Vorliegens eines ihre Deckungspflicht grundsätzlich bejahenden Urteils unbenommen bleiben muss, sich im jeweiligen Anlassfall (im Rahmen einer von ihr erhobenen negativen Feststellungsklage oder ihrer Einwendungen gegen eine von den Klägern mangels Kostendeckung erhobenen Leistungsklage) auf eine Warteverpflichtung zu berufen. Da dazu ja neue Tatsachen behauptet werden müssten (die Einbringung einer Klage gegen AEW etc sowie dass dadurch die Obliegenheit der Warteverpflichtung verletzt worden sei), könnte dem der Einwand der res iudicata nicht entgegengehalten werden. Denn bisher haben die Kläger unstrittig noch keine Klage gegen ihre drei Anspruchsgegner eingebracht.

Wie ausgeführt, ist der Einwand einer Warteobliegenheit nicht geeignet, die Rechtsschutzdeckungsverpflichtung der Beklagten für ein gerichtliches Einschreiten der Klagevertreterin in den genannten Rechtssachen zu beseitigen. Die angefochtene Entscheidung ist daher zu bestätigen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

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