OGH 7Ob105/71

OGH7Ob105/7116.6.1971

SZ 44/92

Normen

ABGB §1041
ABGB §1041

 

Spruch:

Anspruch des Bestandnehmers, dessen Bestandrechte von einem Dritten ohne Rechtsgrund benützt werden, auf ein angemessenes Benützungsentgelt (§ 1041 ABGB). Wer den Lagerplatz eines Lagerhalters zur Lagerung von Gütern verwendet, erspart sich nicht einen "Bestandzins", sondern vielmehr das ortsübliche Lagergeld

OGH 16. 6. 1971, 7 Ob 105/71 (OLG Wien 8 R 202/70; LGZ Wien 39 c Cg 31/70)

Text

Die Liegenschaft EZ X steht im Miteigentum des Bundeslandes Niederösterreich zu 1/6, der Gemeinde Wien zu 3/6 und der Republik Österreich zu 2/6. Der Kläger hat eine Teilfläche dieses an der Donau gelegenen Grundstückes im Ausmaß von rund 10.000 m2 am 29. 10. 1957 in Bestand genommen, wobei der vereinbarte, wertgesicherte Bestandzins derzeit jährlich S 4226.10 beträgt. Organe der beklagten Republik Österreich haben ab 11. 8. 1969 auf ca 5000m[2] der vom Kläger in Bestand genommenen Grundfläche den bei Baggerarbeiten gewonnenen Schotter gelagert.

Der Kläger begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Betrages von S 80.052.- sA als Entgelt für diese Schotterlagerung im August 1969, weil er als Kaufmann und Mitglied des Fachverbandes für Spediteure zur gewerbsmäßigen Aufbewahrung von Gütern und Waren für fremde Rechnung befugt sei und daher (auch ohne Zustandekommen einer diesbezüglichen Vereinbarung) das tarifmäßige Lagergeld verlangen könne.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung mit der Begründung, daß dem Kläger mangels eines Vertragsverhältnisses kein Anspruch auf Lagerzins zustehe, das Bundesstrombauamt irrtümlich die Bestandfreiheit der zur Schotterlagerung benützten Fläche angenommen habe und der Kläger auch nie als Lagerhalter aufgetreten sei. Darüber hinaus sei der begehrte Betrag weit überhöht, weil der vom Kläger herangezogene Tarif nicht anwendbar sei. Schließlich fehle der Beklagten die passive Klagelegitimation, weil die Baggerarbeiten namens der Donau-Hochwasserschutz-Konkurrenz in Auftrag gegeben worden seien.

Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Betrages von S 600.- sA und wies das Mehrbegehren ab. Nach seinen für die Entscheidung wesentlichen Feststellungen ist der Kläger Mitglied des Fachverbandes der Spediteure und besitzt seit 1954 einen Gewerbeschein für die gewerbsmäßige Aufbewahrung von Gütern und Waren für fremde Rechnung. Der Speditionstarif für Kaufmannsgüter der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft, Fachverband der Spediteure, sieht für die Lagerung von Kaufmannsgütern auf Inlandlager einen monatlichen Lagerzins von S 19.60 pro m2 mit einem Abstrich von 20% bei Lagerung im Freien vor. Als Speditionsgüter werden ua auch "Stein und Steingut" erwähnt, doch ist eine Schotterlagerung im Speditionsbereich unbekannt.

Nach dem Tarif der Wiener Städtischen Lager- und Kühlhausgesellschaft mbH beträgt der Lagerzins für im Freien lagernde Güter bei Berechnung nach Fläche monatlich S 12.- pro m2, wobei die Kaufmannsgüter in vier Güteklassen eingeteilt sind, während für sonstige Güter wie Holz, Kohlen, Steine usw die Gebühren "fallweise festgesetzt bzw vereinbart" werden, für derartige Güter also kein Tarif besteht.

Der Tarif der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft ist, soweit es sich nicht um den kartellierten Sammelladungsverkehr handelt, nicht allgemein verbindlich, er stellt vielmehr nur eine Kalkulationsgrundlage dar. Die kaufmännische Kalkulation hat bei der Vergabe von Lagerflächen von den Kosten der Grundfläche auszugehen, ferner von einer Risikoprämie für die Unmöglichkeit, diese Fläche anderweitig zu verwenden, von den allgemeinen Verwaltungskosten bei Berücksichtigung vorhandener Geräte und vorhandenen Personals, vom Zinsendienst und einem bürgerlichen Bruttogewinn im Bereich von 25 bis 30%. Von Bedeutung ist außerdem die verkehrsmäßige Aufschließung und die Benützungsfrequenz des Lagerplatzes (für die Höhe der kalkulierten Risikoprämie). Im vorliegenden Fall ist die Bestandfläche mit keinerlei Einrichtungen ausgestattet; der Kläger stellt für die Lagerung, falls es überhaupt zu einer solchen kommt, lediglich die Fläche zur Verfügung.

Mit Schreiben v 12. 11. 1969 teilte ein Rechtsanwalt aus Vaduz dem Kläger mit, daß die Möglichkeit bestunde, für einen prompt und für längere Zeit verfügbaren Lagerplatz mit mindestens rund 10.000 m2,die Einlagerung schwerer Güter gegen ein Höchstpauschale von monatlich sfrs 2080.- pro 1000 m2"zu perfektionieren".

Bei diesem Sachverhalt vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß der Kläger gemäß § 354 HGB Anspruch auf das ortsübliche Entgelt eines Lagerhalters habe. Dieses sei jedoch entgegen der Auffassung des Klägers, ausgehend von dem von ihm gezahlten Bestandzins und verschiedenen Zuschlägen (20% für Bankzinsen und Verwaltungsaufwand, 30% Verdienstspanne, 100% und 10% als Risikoprämie), gemäß § 273 ZPO mit monatlich S 600.- zu veranschlagen.

Das Berufungsgericht bestätigte infolge Berufung des Klägers den abweisenden Teil des erstgerichtlichen Urteils. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Kläger habe keinen Anspruch gemäß § 354 HGB, weil weder eine Vereinbarung zwischen den Parteien noch eine Geschäftsführung des Klägers ohne Auftrag vorliege. Sein Anspruch sei daher gemäß § 1041 ABGB zu beurteilen. Die Höhe des dem Kläger nach dieser Gesetzesstelle zustehenden Entgeltes richte sich nach jenem Betrag, den die Beklagte infolge Verwendung der Sache des Klägers erspart habe; da sie die gegenständliche Lagerfläche wie ein Bestandnehmer benützt habe, sei das dem Kläger zustehende Entgelt mit jenem Betrag festzusetzen, den ein Unterbestandnehmer für die in Anspruch genommene Teilfläche zu entrichten gehabt hätte. Von dieser Erwägung ausgehend, könne in der Festsetzung eines mit dem mehr als Dreifachen des vom Kläger entrichteten Bestandzinses veranschlagten Entgeltes keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach Ergänzung der mündlichen Berufungsverhandlung, an das Berufungsgericht zurück.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß die Bestimmungen des § 354 HGB (oder des § 420 HGB) im vorliegenden Fall nicht bzw zumindest nicht unmittelbar anzuwenden sind, ist allerdings beizupflichten. Infolge Fehlens vertraglicher oder vertragsähnlicher Beziehungen zwischen den Streitteilen und Fehlens einer Geschäftsführungsabsicht auf Seiten des Klägers ist der vom Kläger erhobene Anspruch, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, nach der Bestimmung des § 1041 ABGB zu beurteilen. Ein derartiger Anspruch ist nach einhelliger Auffassung auch gegeben, wenn jemand, ohne sich auf vertragliche Beziehungen berufen zu können, eine fremde Sache zu seinem Nutzen verwendet bzw benützt (ebenso Stanzl in Klang[2] IV/1, 917 ff; MietSlg 17.095 ua). Auch der Kläger ist, obwohl nicht Eigentümer, sondern nur Bestandnehmer der zur Schotterlagerung verwendeten Grundfläche, zur Erhebung dieses Anspruches berechtigt (ebenso Stanzl aaO unter D ua). Der Anspruch richtet sich ferner gegen den Benützer (ebenso SZ 26/195; MietSlg 17.094 ua), weshalb die Beklagte, deren Organe zugegebenermaßen den Schotter abgelagert haben, zur Klage passiv legitimiert ist. Der Anspruch des Klägers setzt auch kein Verschulden des Beklagten oder einen Schaden auf seiten des Klägers voraus, zumal es sich um keinen Schadenersatzanspruch handelt (ebenso Stanzl aaO unter B II/2; MietSlg 8568, 16.056 ua).

Nach der Bestimmung des § 1041 ABGB hat der Benützer - also hier die Beklagte - ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten (ebenso MietSlg 8567, 16.056 ua). Demnach kommt es primär nicht etwa auf die Nachteile des Klägers als Anspruchsberechtigten (vgl Stanzl aaO unter B II 2 bzw E II 4; MietSlg 21.104 ua), sondern auf den Nutzen der Beklagten, insbesondere auf die von der Beklagten durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen an (ebenso Stanzl aaO unter E II/3; EvBl 1950/484; JBl 1954, 120 ua).

Wird auf diese grundsätzlichen Erwägungen Bedacht genommen so hängt die Höhe des dem Kläger gebührenden Betrages von der Beantwortung der Frage ab, welche Summe die Beklagte nach der allgemeinen Verkehrsauffassung angemessenerweise hätte zahlen müssen, wenn die gegenständliche Schotterablagerung auf Grundlage eines dafür nach der Sachlage in Betracht kommenden Vertrages erfolgt wäre (dieser Gedankengang liegt sowohl den Ausführungen Stanzls aaO unter E II 3 als auch zahlreichen Entscheidungen zugrunde, vgl etwa SZ 26/195; JBl 1954, 120 ua).

Die Auffassung des Berufungsgerichtes, daß dem Kläger nur jener Betrag zustehe, den ein Unterbestandnehmer an Unterbestandzins zu entrichten gehabt hätte, würde zu dem Ergebnis führen, daß auch der Eigentümer - nicht Bestandnehmer - eines stark frequentierten Lagerplatzes, der gewerbsmäßig Einlagerungen vornimmt, für die titellose Einlagerung wertvollsten Lagergutes gegen den Einlagerer keinen höheren Anspruch hätte als auf den für die ihm solcherart entzogene Fläche angemessenen Bestandzins, während der Einlagerer im Fall einer Vereinbarung (ohne Abmachung bestimmten Entgeltes) das ortsübliche Lagergeld in Höhe eines tarifmäßigen Lagerzinses zu entrichten hätte. Schon aus dieser Überlegung ergibt sich die Unrichtigkeit der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht; vielmehr erspart sich derjenige, der einen wenn auch nicht als solchen gekennzeichneten Lagerplatz eines Lagerhalters - als solcher ist der Kläger auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen anzusehen - zur Lagerung von Gütern verwendet, keinen "Bestandzins" - hier Unterbestandzins -, sondern vielmehr das ortsübliche Lagergeld. Für dessen Höhe käme mittelbar als Berechnungsgrundlage ein etwa bestehender Tarif durchaus in Betracht (ebenso Stanzl aaO unter E II 3 B), doch ist hier auf Grund der Feststellungen der Vorinstanzen davon auszugehen, daß der vom Kläger vorgelegte Speditionstarif der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft im vorliegenden Fall nicht gilt und daher zur Ermittlung des für die gegenständliche Schotterlagerung angemessenen Entgeltes nicht geeignet ist.

Nach dem Lagertarif der Wiener Städtischen Lager- und Kühlhausgesellschaft mbH sind für Güter wie Steine und damit vergleichsweise auch für Sand und Schotter fallweise Vereinbarungen zu treffen; es werden also bei Lagerung derartiger Güter - offenbar wegen ihrer Geringwertigkeit und der im Einzelfall unterschiedlich gelagerten Umstände - üblicherweise individuelle Vereinbarungen abgeschlossen, vermutlich mit einem mehr oder weniger erheblichen Abschlag auf das in diesem Tarif für andere Güter genannte Entgelt.

Die Ermittlung des für Schotterlagerung in größerem Umfang auf einem völlig freien, mit keinerlei Einrichtungen versehenen Lagerplatz ortsüblichen (angemessenen) Lagergeldes kann nach Auffassung des OGH ohne Schwierigkeiten, zumindest ohne unverhältnismäßige Schwierigkeiten, durch Sachverständigenbeweis erfolgen. Das Erstgericht hat diesen Beweis auch zugelassen, allerdings einen Sachverständigen aus dem Speditionsgewerbe bestellt, der angesichts der Feststellung, daß in diesem Gewerbe Schotterlagerungen unbekannt sind, verständlicherweise keine konkreten Angaben zu der nach den vorstehenden Ausführungen entscheidungswesentlichen Frage der Höhe des ortsüblichen (angemessenen) Entgeltes für die gegenständliche Schotterlagerung machen konnte (demzufolge fehlten für die vom Erstgericht angestellte "Kalkulation" entsprechende Kalkulationsgrundlagen).

Die Rüge des Klägers in der Berufung, daß bei dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt nicht die Bestimmung des § 273 ZPO anzuwenden, sondern ein "informierter Vertreter" - richtig allerdings ein Sachverständiger zur Frage angemessenen Lagergeldes bei Einlagerung von Schotter, Sand udgl, doch wäre dieser Sachverständigenbeweis auch von Amts wegen aufzunehmen gewesen - zu vernehmen gewesen wäre, wurde vom Berufungsgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Heranziehung des § 273 ZPO zur Feststellung der Angemessenheit eines fiktiven Unterbestandzinses behandelt;, es ließ diese Rüge also unerledigt, soweit sie die Ermittlung angemessenen Lagergeldes betrifft.

Demzufolge ist das Verfahren vor dem Berufungsgericht mangelhaft geblieben, was zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen mußte.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte