OGH 7Ob103/09m

OGH7Ob103/09m1.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Maxwald und Dr. Georg Bauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Februar 2009, GZ 12 R 70/08i-29, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 19. Februar 2008, GZ 20 Cg 227/04f-24, infolge Berufung der beklagten Partei bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.108,96 EUR (darin enthalten 518,16 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte (Netzbetreiberin) ist Betreiberin eines Übertragungsnetzes für elektrischen Strom in Österreich. Die Klägerin (Endverbraucherin) bezog als zugelassene Kundin im Sinn des § 44 Abs 1 und 2 Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (ElWOG) von der Beklagten elektrischen Strom. Bis ins Jahr 2000 versorgte sie auch mehrere andere Unternehmen, die nicht an das Netz der Beklagten angeschlossen waren, mit Strom. Entsprechend den an diese Unternehmen abgegebenen Elektrizitätsmengen entrichtete sie die ihr von der Beklagten gemäß der nach § 69 ElWOG vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit BGBl II Nr 52/1999 erlassenen Stranded Costs-Verordnung (VO I) bis 30. 9. 2001 vorgeschriebenen Beiträge zur Aufbringung von Betriebsbeihilfen zur Abdeckung von Erlösminderungen aus Investitionen („Stranded-Costs-Beiträge"). Ab 1. 10. 2001 wurden der Klägerin von der Beklagten aufgrund der mit BGBl II Nr 354/2001 erlassenen Stranded Costs-Verordnung II (VO II) fixe Beiträge von 513.388 EUR jährlich, die sich am gesamten Strombezug der Klägerin im Jahr 1997 orientierten, vorgeschrieben. Die Klägerin weigerte sich, diese Beiträge zu zahlen. Es sei insbesondere nicht zu rechtfertigen, dass auch der Verbrauch der von ihr mitversorgten Fremdfirmen in die Berechnungsgrundlage der ihr vorgeschriebenen jährlichen Beiträge eingeflossen sei. Mit Bescheid vom 31. 8. 2004 verpflichtete die von der Beklagten als Schlichtungsstelle angerufene Energie-Control Kommission die Klägerin zur Zahlung von Stranded Costs-Beiträgen für den Zeitraum 10/2001 bis 2003/2004 in Höhe von 1.672.579,59 EUR (inklusive 132.415,59 EUR Verzugszinsen) an die Beklagte.

Die Klägerin begehrte mit ihrer im Rahmen der sukzessiven Kompetenz (§ 16 Abs 3 Energie-Regulierungsbehördengesetz idF der Gaswirtschaftsgesetz-Novelle 2002, BGBl I Nr 148/2002) beim Erstgericht eingebrachten Klage die urteilsmäßige Feststellung, dass sie der Beklagten die ihr für den Zeitraum 1. 10. 2001 bis 31. 3. 2004 vorgeschriebenen Beiträge (plus Verzugszinsen) von 1.672.579,59 EUR nicht schulde. Die VO II sei gesetz- und verfassungswidrig. Das Erstgericht stellte auf Anregung der Klägerin an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, die VO II als gesetzwidrig aufzuheben. Der Verfassungsgerichtshof sprach mit Erkenntnis vom 22. 6. 2007, V 45/05-13, kundgemacht mit BGBl II Nr 241/2007 vom 11. 9. 2007, aus, dass die genannte Verordnung gesetzwidrig sei. Das antragstellende Gericht habe zu Recht die Aufhebung der gesamten Verordnung begehrt.

Daraufhin gab das Erstgericht dem Feststellungsbegehren der Klägerin statt. Für die von der Beklagten geforderten Beitragsleistungen bestehe keine rechtliche Grundlage mehr. Das Berufungsgericht teilte die Rechtsansicht der ersten Instanz und bestätigte daher deren Entscheidung. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, gegen wen ein Endverbraucher die von ihm im Wege der sukzessiven Kompetenz angestrengte Klage zu richten habe, wenn er auf Antrag des Netzbetreibers mit Bescheid der Energie-Control Kommission zur Zahlung von Stranded Costs-Beiträgen an den Netzbetreiber verpflichtet worden sei.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin als unzulässig zurückzuweisen oder ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar zulässig, weil eine Klarstellung des Obersten Gerichtshofs zur Frage der Passivlegitimation eines Netzbetreibers in einem Fall wie dem vorliegenden angezeigt ist. Sie ist aber nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 1 Ob 92/08y (RIS-Justiz RS0124380) die Passivlegitimation eines Netzbetreibers für die bereicherungsrechtliche Rückforderung von nach Meinung des (auch dort) klagenden Endverbrauchers zu Unrecht eingehobenen Stranded Costs-Beiträgen bejaht. Dem Argument des beklagten Netzbetreibers, die Einhebung der Stranded Costs-Beiträge gründe sich nicht auf den zwischen den Parteien bestehenden Stromlieferungsvertrag, sondern auf § 69 Abs 6 ElWOG, weshalb der Bund geklagt hätte werden müssen, sei entgegenzuhalten, dass die Beiträge in einem unlösbaren Zusammenhang mit dem Strombezug des Endverbrauchers bei der Beklagten stünden, vergleichbar etwa mit jenem zwischen Kaufpreis und Umsatzsteuer. Wenn die Beklagte zur Begründung ihres Standpunkts betone, dass die Stranded Costs-Beiträge bei ihr nur „Durchläufer" gewesen seien, übersehe sie, dass sich die Passivlegitimation bei bereicherungsrechtlicher Rückforderung nicht immer danach richte, wem letztlich ein Betrag zugeflossen sei. Dann wäre nämlich auch die Ansicht, es sei der Bund in Anspruch zu nehmen, verfehlt, fungiere Letzterer doch nur als treuhändiger Verwalter der eingehobenen Beiträge. Dass die letztlich begünstigten Unternehmen von der den Beitrag erbringenden Person eruiert und in Anspruch genommen werden müssten, sei unzumutbar.

Dieselben Überlegungen haben auch für einen Fall wie den vorliegenden Gültigkeit. Ist ein Netzbetreiber für die Rückforderung von in einem bestimmten Zeitraum von einem Endverbraucher an ihn bezahlten Stranded Costs-Beiträgen passiv klagslegitimiert, ist er es daher auch für die Klage eines Endverbrauchers, der die Feststellung anstrebt, dem Netzbetreiber die für einen bestimmten Zeitraum vorgeschriebenen Stranded Costs-Beiträge (samt Verzugszinsen) nicht zu schulden. Die Novellierung des § 69 Abs 6 ElWOG (BGBl I Nr 106/2006) hat an diesem Ergebnis nichts geändert: Dadurch wurde lediglich eine Regelung dahin eingefügt, dass für den Fall, dass gegenüber der Energie-Control GmbH oder dem Bund ein Anspruch auf Rückerstattung von Beiträgen gemäß § 69 Abs 1 bis 3 ElWOG besteht und diese Beiträge bereits für die Gewährung von Betriebsbeihilfen verwendet wurden, Energie-Control GmbH oder Verbund berechtigt sind, die Mittel von den Förderungsempfängern verzinst zurückzufordern. Diese Regelung, die im Übrigen bereits vor der am 16. 12. 2008 ergangenen Entscheidung 1 Ob 92/08y in Kraft trat, ließ die Zuständigkeit der Netzbetreiber zur Einhebung der Stranded Costs-Beiträge (§ 29 Abs 6 ElWOG Satz 1) unberührt. Die Ausführungen, mit denen die Revisionswerberin darzutun versucht, dass verfassungsrechtliche Gründe (Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung) gegen ihre Passivlegitimation sprächen, sind nicht zielführend und können die zu 1 Ob 92/08y angestellten Erwägungen, die zur Bejahung der Passivlegitimation des Netzbetreibers in einschlägigen Verfahren führen, nicht widerlegen. Zu Recht hat das Berufungsgericht die Beklagte daher für passiv klagslegitimiert erachtet.

Aber auch sonst wird von der Revisionswerberin ein Rechtsirrtum des Berufungsgerichts nicht aufgezeigt. Dass auch die von ihr gegen die angefochtene Entscheidung vorgebrachten weiteren Einwände nicht stichhältig sind, liegt auf der Hand:

Der Verfassungsgerichtshof hat mit seinem Erkenntnis vom 22. 6. 2007, V 45/05-13, die VO II für gesetzwidrig erklärt, weil bei Erlassung dieser Verordnung die Tatsache des „Wegfalls" von der Klägerin mitversorgter Fremdfirmen und deren anderweitige Stromversorgung übergangen wurde. Der Verfassungsgerichtshof hat ausdrücklich betont, dass schon deshalb die Gesetzwidrigkeit der gesamten Verordnung festzustellen gewesen sei, weil die Beihilfenregelung und der Aufbringungsmechanismus in einem untrennbaren Zusammenhang stünden. Die Behauptung der Revisionswerberin, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs sei durch die durch BGBl II Nr 311/2005 vorgenommene Änderung der VO II überholt, ist völlig haltlos. Diese Änderung betraf nur § 10 Abs 1 der VO II, der den vom Verfassungsgerichtshof bemängelten Umstand in keiner Weise berührt. § 69 ElWOG ermächtigt den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, durch Verordnung zu bestimmen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß zugelassene Kunden Beiträge für die Aufbringung der Mittel zu leisten haben, die für die Gewährung von Betriebsbeihilfen für Elektrizitätsunternehmen erforderlich sind, deren Lebensfähigkeit aufgrund von Erlösminderungen infolge von Investitionen oder Rechtsgeschäften, die durch die Marktöffnung unrentabel geworden sind, gefährdet ist. Da durch das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs keine solche Verordnung mehr existiert, ist auch die Unrichtigkeit der weiteren Ansicht der Revisionswerberin, die Klägerin habe jedenfalls für den Eigenstromverbrauch Stranded Costs-Beiträge zu leisten, evident.

Schließlich ist auch die Meinung der Revisionswerberin, die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Stranded Costs-Beiträgen im Zeitraum 1. 10. 2001 bis 31. 3. 2004 sei aus dem zwischen den Streitteilen geschlossenen Netzzugangsvertrag samt den darauf anzuwendenden allgemeinen Netzbedingungen (deren Inhalt daher festzustellen gewesen wäre) abzuleiten, unrichtig. Wie dazu bereits das Berufungsgericht ausgeführt hat, verpflichtete sich die Klägerin im Netzzugangsvertrag nicht schlechthin zur Zahlung von Stranded Costs-Beiträgen an die Beklagte, sondern nur für den Fall, dass solche durch Gesetz oder Verordnung vorgeschrieben seien. Zufolge der Aufhebung der gesetzwidrigen VO II durch den Verfassungsgerichtshof fehlt aber nur die entsprechende Grundlage für eine Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung der Beiträge.

Die Revision muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, die von dieser (nur) auf Basis eines Streitwerts von 557.526,50 EUR verzeichnet wurden.

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