OGH 7Ob1015/90 (7Ob1016/90)

OGH7Ob1015/90 (7Ob1016/90)20.7.1990

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*** H***, Horn,

Altbachweg 10, vertreten durch Dr. Thomas Strizik und andere Rechtsanwälte in Krems an der Donau, wider die beklagte Partei G*** W*** V***, Graz, Herrengasse 18-20,

vertreten durch DDr. Elisabeth Steiner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 210.000,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. Mai 1990, GZ 2 R 53/90-32, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität nach Art 8 II 2 AUVB ist innerhalb von 15 Monaten vom Unfallstag geltend zu machen. Es handelt sich hiebei um eine Ausschlußfrist. Wird sie versäumt, erlischt der Entschädigungsanspruch. Obwohl es sich aber um eine Ausschlußfrist handelt, kann der Versicherer doch dadurch, daß er sich auf diese Frist beruft, gegen Treu und Glauben verstoßen (ZVR 1988/157 ua), etwa dann, wenn er sich nach Fristablauf noch auf Verhandlungen einläßt und neue Gutachten anfordert (Prölss/Martin, VVG24 1525, VersRdSch 1990, 88).

Im vorliegenden Fall hat die klagende Partei einen Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität nach einem Unfall vom 29.3.1987 erstmals mit Schreiben vom 12.7.1988, also nach Fristablauf, geltend gemacht, in dem sie erwähnt, die beklagte Partei erhalte "beiliegend" ein Sachverständigengutachten. Mit Schreiben vom 22.7.1988 teilte die beklagte Partei der klagenden Partei mit, daß das Sachverständigengutachten dem Brief nicht beigelegen sei; sie bitte deshalb um Nachreichung. Die klagende Partei hat diesem Ersuchen entsprochen. Die beklagte Partei erwiderte daraufhin mit Schreiben vom 11.8.1988, sie müsse im Hinblick auf die in Art 8 II 2 AUVB genannte Frist zur Geltendmachung dauernder Invalidität eine Leistung aus diesem Titel ablehnen, weil die Geltendmachung erst mit Schreiben vom 12.7.1988 erfolgt und das Gutachten erst am 28.7.1988 nachgereicht worden sei. Das Berufungsgericht hat bei diesem Sachverhalt zu Recht in der Berufung der beklagten Partei auf Art 8 II 2 AUVG keinen Verstoß gegen Treu und Glauben gesehen. Von der Anforderung eines "neuen Gutachtens" kann keine Rede sein. Die beklagte Partei hat sich aber auch damit, daß sie auf das Schreiben der klagenden Partei vom 12.7.1988 nicht sofort mit einer Ablehnung der Ansprüche reagierte, sondern zunächst in dem - zwei Zeilen langen -

Schreiben vom 22.7.1988 darauf hinwies, daß das angekündigte Sachverständigengutachten fehle, sie ersuche um Nachreichung, noch nicht auf Verhandlungen eingelassen. Um annehmen zu können, der Versicherer habe sich "in Verhandlungen eingelassen", bedarf es mehr als eines Ersuchens, angekündigte, aber fehlende Urkunden nachzureichen.

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