Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Zur Erzwingung der Vorlage des Jahresabschlusses der Gesellschaft vom 29. 2. 2000 ist beim Firmenbuchgericht ein Zwangsstrafenverfahren gegen ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft anhängig. Das Erstgericht verhängte die zuvor angedrohte Zwangsstrafe und forderte das Vorstandsmitglied neuerlich zur Offenlegung gegen Androhung einer weiteren Zwangsstrafe unter Veröffentlichung des Zwangsstrafenbeschlusses auf. Das Rekursgericht wies den Rekurs der Gesellschaft mangels Rechtsmittel- bzw Antragslegitimation zurück. Den im Schrifttum von G. K***** und G. N***** vertretenen überzeugenden Argumenten sei beizutreten, wonach der Gesellschaft selbst - entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs - im Zwangsstrafenverfahren keine Parteistellung zukomme. In ihrem gegen diese Entscheidung erhobenen Revisionsrekurs machten die Gesellschaft und ihre Vorstandsmitglieder unter anderem Befangenheit des an der angefochtenen Entscheidung mitwirkenden Richters des Oberlandesgerichts Wien Dr. Georg N***** geltend. Nach ständiger Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts und des deutschen Bundesgerichtshofs sei ein Richter befangen, wenn er in einer zentralen Frage des Verfahrens eine (abweichende) Lehrmeinung veröffentliche. Durch die Veröffentlichung habe sich der Richter bereits vorab auf eine Meinung festgelegt, weshalb er bei der Entscheidungsfindung nicht mehr den Anschein der Unbefangenheit vermittle. Die Befangenheit trete hier noch deutlicher zutage, weil die Entscheidung nur noch pauschal auf die „überzeugenden Argumente" des Richters als Autor verweise.
Der Oberste Gerichtshof unterbrach das Revisionsrekursverfahren bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens über diesen Ablehnungsantrag (6 Ob 290/04x).
Der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien wies den Ablehnungsantrag zurück. Dass der abgelehnte Richter eine - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweichende - Rechtsmeinung vertrete und diese auch veröffentlicht habe, sei kein Grund, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Er habe auch nicht zu erkennen gegeben, dass er diese Rechtsmeinung nicht überprüfen und gegebenenfalls ändern werde.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Ablehnungswerber ist nicht berechtigt. Die Rechtsmittelwerber betonen, dass sie den abgelehnten Richter nicht vorwerfen, subjektiv voreingenommen zu sein. Es lägen aber Umstände vor, die objektiv berechtigte Zweifel an seiner Unbefangenheit begründen. Der Ablehnungssenat habe es unterlassen, im Rahmen des zu fordernden „objectiv test" die Wirkung des richterlichen Verhaltens auf die rechtstreue Allgemeinheit zu untersuchen. So lasse der bloße Hinweis in der Entscheidungsbegründung auf die „überzeugenden Argumente" der Veröffentlichung objektiv den Eindruck entstehen, dass es dem abgelehnten Richter an der nötigen Distanz und Unbefangenheit fehle und es ihm darum gehe, seine im Schrifttum vertretene (und angesichts der Rechtsprechung des VfGH, des OGH wie auch der Rechtsprechung in Deutschland unvertretbare) Auffassung auch durchzusetzen. Nach § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden, wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Bei einer nach objektiven Gesichtspunkten vorzunehmenden Prüfung („objectiv test") ist entscheidend, ob feststellbare Umstände vorliegen, die berechtigte Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Richter begründen, wobei - wenn dies der Fall ist - der Anschein ausreichen kann (Miehsler/Vogler in Karl, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention, Art 6 Rz 301 und 302; Meyer-Ladewig, Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, Art 6 Rz 30; EGMR ÖJZ 1995, 36; Mayr in Rechberger ZPO² § 19 JN Rz 4). Entscheidend ist, ob diese Befürchtung als objektiv gerechtfertigt anzusehen ist. Im vorliegenden Fall ergeben sich auch bei objektiver Prüfung keine Umstände, die den Anschein einer Voreingenommenheit erwecken könnten. Dass ein Richter eine Rechtsmeinung vertritt (mag sie auch in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgelehnt werden), begründet für sich allein ebensowenig den Anschein einer Befangenheit wie die Veröffentlichung einer bestimmten Rechtsmeinung in Form einer wissenschaftlichen Abhandlung (Fasching Zivilprozessrecht² Rz 164; 4 Ob 36/89 = RZ 1989/110 Seite 282; RIS-Justiz RS0045916; BGH, NJW 2002, 2396; Münchener Kommentar zur ZPO² § 42 Rz 21). Sinn und Zweck der Ablehnung wegen Besorgnis einer Befangenheit ist nämlich nicht die Abwehr einer unrichtigen Rechtsauffassung des Richters. Die Unrichtigkeit seiner Entscheidung (die Rechtsmittelwerber meinen, sie sei unvertretbar) ist vielmehr durch die Rechtsmittelinstanzen zu überprüfen und keine Angelegenheit des Ablehnungsverfahrens. Schwerwiegende Verstöße gegen Verfahrensgrundsätze bei der Entscheidungsfindung, die die Objektivität mit Grund bezweifeln ließen (4 Ob 36/89), sind hier nicht zu erkennen und werden von den Rechtsmittelwerbern auch nicht geltend gemacht. Die Entscheidungsbegründung, wonach auf die „überzeugenden Ausführungen" der Veröffentlichung hingewiesen werde, lässt zwar erkennen, dass der Verfasser seine veröffentlichte Meinung vollinhaltlich aufrecht hält, entgegen der Auffassung der Rechtsmittelwerber entsteht dadurch aber nicht der Eindruck, dem abgelehnten Richter gehe es vorrangig um die Durchsetzung seiner im Schrifttum vertretenen Auffassung und es fehle ihm die nötige Distanz und Unbefangenheit. Dass Richter sich auch literarisch betätigen, ist durchaus üblich (§ 63 Abs 2 RDG) und der Öffentlichkeit bekannt. Weder die Veröffentlichung selbst noch auch eine Bezugnahme darauf in Form eines Zitats geben für sich allein begründeten Anlass für die Befürchtung einer Voreingenommenheit, solange nicht weitere Umstände vorliegen, denen entnommen werden könnte, dass der Verfasser nicht bereit wäre, gegebenenfalls seine Meinung neuerlich zu überprüfen und ihr entgegenstehendes Vorbringen der Verfahrensbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen. Umstände, die einen derartigen Anschein erwecken könnten, liegen hier nicht vor. Der Oberste Gerichtshof hat zur Parteistellung der Gesellschaft im Zwangsstrafenverfahren seit der Veröffentlichung des Artikels noch nicht neuerlich Stellung genommen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte, die befürchten ließen, dass der abgelehnte Richter seine - der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs widersprechende - Rechtsansicht auch dann aufrecht erhalten würde, wenn der Oberste Gerichtshof - einem Revisionsrekurs der Gesellschaft folgend - diese Ansicht nicht billigte. Dass der Ablehnungssenat des Oberlandesgerichts Wien den Rechtsmittelwerbern keine Gelegenheit gegeben hat, zur Äußerung des abgelehnten Richters Stellung zu nehmen, verwirklicht hier keinen relevanten Verfahrensmangel, weil sie ihren Standpunkt sowohl im Ablehnungsantrag als auch in ihrem Rechtsmittel ausreichend dargelegt haben und sich aus der Äußerung des Richters keine neuen Gesichtspunkte ergaben.
Dem unberechtigten Rechtsmittel der Ablehnungswerber wird ein Erfolg versagt.
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