European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00091.24M.0618.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger, bei dem eine frühzeitige Schädigung beider Hüftgelenke vorliegt, wurde bereits in den Jahren 2003 und 2016 an der Hüfte operiert. Er nimmt das beklagte Klinikum wegen der im Jahr 2018 durchgeführten Revisionsoperation an der rechten Hüfte mit dem Vorwurf von Behandlungs- und Aufklärungsfehlern auf Leistung von Schmerzengeld und die Feststellung der Haftung in Anspruch.
[2] Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Ein Behandlungsfehler sei nicht vorgelegen. Die erfolgte ärztliche Aufklärung sei ausreichend gewesen. Überdies hätte sich der Kläger auch bei – von ihm geforderter – dezidierter Aufklärung über die mit den erklärten Risiken notorisch einhergehenden Bewegungseinschränkungen für den Eingriff entschieden.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Kläger kann in seiner außerordentlichen Revision keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen.
[4] 1. Die geltend gemachten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des zweitinstanzlichen Verfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
[5] 2.1. Behauptete Behandlungsfehler haben sich nicht erwiesen. Im Schwergewicht befasst sich die Revision mit Fragen der ärztlichen Aufklärungspflicht.
[6] 2.2. Dazu ist aber zunächst festzuhalten, dass das Rechtsmittel nur insoweit zu behandeln ist, als es vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Die darin zur Dokumentationspflicht dargelegten Argumente zielen darauf ab, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen vor dem Obersten Gerichtshof, der aber reine Rechtsinstanz ist (RS0123663), in unzulässiger Weise anzugreifen (vgl RS0043312; RS0043603 [T8, T10]). Es steht – anders als die Revision unterstellt – nicht fest, dass der Kläger nur einer „umfangreichen Revisionsoperation bei Wechsel von Pfanne, Kopf und Inlay zugestimmt“ habe. Nach dem tatsächlich festgestellten Sachverhalt erteilte er vielmehr seine Einwilligung in den Eingriff, nachdem er nicht nur anhand des Aufklärungsbogens über die (im Ersturteil näher umschriebenen) Risiken, sondern auch darüber aufgeklärt worden war, dass erst intraoperativ über den Umfang des Eingriffs (mit oder ohne Pfannentausch) entschieden werden könne. Geht die Rechtsrüge – wie hier – nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, ist sie nicht gesetzmäßig ausgeführt; es sind die daran geknüpften Argumente keiner weiteren Behandlung zuzuführen (vgl RS0043603 [T8]; RS0043312 [T3, T12, T14]).
[7] 2.3. Es fehlt weder Rechtsprechung zu den in der Revision aufgeworfenen Fragen zum Umfang der Aufklärungspflicht noch liegt eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vor:
[8] Zur ärztlichen Aufklärungspflicht besteht bereits umfangreich Judikatur des Obersten Gerichtshofs (vgl nur RS0026578; RS0026413). Ihr Umfang im Einzelfall hängt stets von den konkreten Umständen ab (RS0026529 [T18, T21]; RS0026763 [T1, T2, T5]) und wäre daher nur revisibel (RS0026763 [T5]), wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, die aus Gründen der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste (RS0021095). Das ist hier aber nicht der Fall.
[9] Es muss der Arzt nämlich nicht stets von sich aus alle theoretisch in Betracht kommenden Behandlungsmöglichkeiten oder Operationsmöglichkeiten mit dem Patienten erörtern. Er hat vielmehr über die (konkret) zur Wahl stehenden diagnostisch oder therapeutisch adäquaten Verfahren zu informieren und das Für und Wider mit ihm abzuwägen, wenn jeweils unterschiedliche Risiken entstehen können und der Patient eine echte Wahlmöglichkeit hat (vgl RS0026426). Diese Pflicht setzt aber voraus, dass für den konkreten Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die im Sinn einer echten Wahlmöglichkeit gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben (vgl RS0026426 [T11, T12]).
[10] Dem Kläger wurde schon vom Berufungsgericht dargelegt, dass im hier zu beurteilenden Fall keine gleichwertigen Alternativen bestanden hatten, sondern – je nachdem, welcher Zustand sich beim Eingriff offenbaren würde (Pfanne gelockert oder festsitzend) – nur die eine oder die andere Variante des Eingriffs indiziert war. Für einen Pfannenwechsel bestand – wie sich anlässlich der lege artis durchgeführten Operation zeigte – nach dem bindend festgestellten Sachverhalt keine Indikation. Darauf geht der Kläger in der Revision (erneut) nicht ein.
[11] 2.4. Die Frage, ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RS0042828). Ihre Beantwortung geht, genauso wie die der Frage, ob eine im Rechtsmittelverfahren unzulässige Neuerung vorliegt, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall im Regelfall nicht hinaus (RS0042828 [T35]; RS0044273 [T61]). Die Revision zeigt dazu keine im Einzelfall aufzugreifende auffallende Fehlbeurteilung auf. Sie vermag auch gar nicht darzulegen, wann der Kläger das vom Berufungsgericht als gegen das Neuerungsverbot verstoßend angesehene Vorbringen in erster Instanz bereits erstattet hätte, und übersieht (wiederum), dass der Wechsel der Pfanne medizinisch nicht indiziert war.
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