OGH 6Ob8/87

OGH6Ob8/8726.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Abhandlungssache nach dem am 13. September 1984 verstorbenen Thomas S***, Gast- und Landwirt, 6365 Kirchberg in Tirol I/92, infolge Revisionsrekurses der Alleinerbin Johanna S***, Gast- und Landwirtin, 6365 Kirchberg in Tirol I/92, vertreten durch Dr. Marco Formentini, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 30. Dezember 1986, GZ. 1 b R 150, 151/86-73, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Hopfgarten vom 30. Juni 1986, GZ. A 92/84-65 und 66, teilweise abgeändert und teilweise bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der am 13. September 1984 verstorbene Thomas S*** hinterließ seine Ehegattin Johanna S***, fünf eheliche Kinder und ein uneheliches Kind.

Die Witwe gab auf Grund eines Testamentes zum gesamten Nachlaß eine bedingte Erbserklärung ab, die rechtskräftig angenommen wurde. Thomas S*** und seine Ehegattin waren je Hälfteeigentümer der Liegenschaften EZ 2 I (geschlossener Hof "Stöckl"), 5 II, 57 II, 71 II je KG Kirchberg, der Erblasser auch Alleineigentümer der Liegenschaft EZ 943 II derselben Katastralgemeinde. In einem ausführlich begründeten Schätzungsgutachten bewerteten zwei Sachverständige diese Liegenschaften nach dem "Marktwert (Veräußerungswert)", den sie bei den Gebäuden regelmäßig aus einem angeglichenen Mittel von Sach- (Grund- und Gebäudewert) und Ertragswert bildeten, wie folgt:

EZ 2 I 31,455.000 S

EZ 5 II 300.000 S

EZ 57 II 1,670.000 S

EZ 71 II 5,850.000 S

EZ 943 II 808.000 S.

Dabei gaben sie den Hälftewert der vier erstgenannten Liegenschaften mit 17,670.000 S an.

Mit dem Hälftewert des Inventars von 643.605 S kamen die Sachverständigen auf einen Marktwert von 19,121.605 S. Den Übernahmswert des geschlossenen Hofs bildeten die Sachverständigen aus dessen Ertragswert von 18,853.400 S abzüglich erforderlicher Ankäufe von 488.000 S mit gerundeten 18,365.000 S. In der vom Gerichtskommissär am 13. Dezember 1985 durchgeführten Tagsatzung, bei der die Witwe und alle Kinder anwesend waren, wurden gegen dieses Gutachten keine Erinnerungen vorgebracht. In der vom Gerichtskommissär am 21. Mai 1986 durchgeführten Tagsatzung, bei der die nunmehr rechtsanwaltlich vertretene Witwe und alle ehelichen Kinder anwesend waren, wurde nach Besprechung aller bisherigen Verhandlungsergebnisse und der nach der Tagsatzung vom 13. Dezember 1985 zugewachsenen Aktenstücke festgestellt, daß das Schätzungsgutachten bereits in der vorigen Tagsatzung erörtert wurde. Bei der Errichtung des Hauptinventars wurden unter Berücksichtigung des von den Sachverständigen vorgeschlagenen 10 %-igen Abschlags die Hälfte der Liegenschaft EZ 2 I mit dem anteiligen Übernahmswert von 8,264.250 S, die übrigen Liegenschaften mit ihren Verkehrswerten, und zwar die Hälfte der Liegenschaft EZ 5 II mit 135.000 S, die Hälfte der Liegenschaft EZ 57 II mit

751.500 S, die Hälfte der Liegenschaft EZ 71 II mit 2,632.500 S und die Liegenschaft EZ 943 II mit 808.000 S eingesetzt. Dazu erklärte der Vertreter der Witwe, daß für alle Liegenschaften der Übernahms- bzw. Ertragswert zugrunde zu legen sei. Mit dieser Einschränkung beantragte er auch die abhandlungsgerichtliche Genehmigung der Verhandlungsergebnisse.

Im Punkt 2. seines Beschlusses vom 30. Juni 1986, ON 65, legte

das Erstgericht der Verlassenschaftsabhandlung das Hauptinventar mit

Aktiva von 13,307.348,33 S

Passiva von 4,001.728,87 S somit einem

reinen Nachlaß von 9,305.619,46 S

zugrunde. In Punkt 3. dieses Beschlusses wurden die Abhandlungsergebnisse und insbesondere die der "Schlußverhandlung vom 21. Mai 1986" abhandlungsgerichtlich genehmigt. Damit lehnte das Erstgericht die von der Witwe vertretene Auffassung, auch die walzenden Güter wären nach dem Übernahms- bzw. Ertragswert zu bewerten, implicite ab.

Unter anderem gegen die Punkte 2. und insoweit auch 3. dieses erstgerichtlichen Beschlusses erhob die Alleinerbin mit der Begründung Vorstellung und Rekurs, auch die walzenden Güter, bei denen es sich um landwirtschaftliche Grundstücke handle, wären mit dem Übernahmswert zu bewerten und das "Wohlbestehen" des landwirtschaftlichen Betriebes hätte berücksichtigt werden müssen. Die Rekurswerberin beantragte eine entsprechende Neufestsetzung des reinen Nachlasses.

Das Rekursgericht bestätigte diesbezüglich den erstgerichtlichen Beschluß. Es führte aus, ob nach dem Verkehrswert oder nach dem Ertragswert unter angemessener Berücksichtigung des Verkehrswertes und dem Grundsatz des "Wohlbestehens" zu inventarisieren sei, hänge von der Eigenschaft der zu schätzenden Grundstücke ab. Der Grundsatz des "Wohlbestehenkönnens" des Hofübernehmers sei nach § 19 Abs. 1 Tiroler Höfegesetz nur auf geschlossene Höfe anzuwenden. Da die Liegenschaften EZ 5 II, 57 II, 71 II und 943 II nur in der allgemeinen Abteilung des Grundbuches geführt würden, käme für sie eine Ermittlung nach dem Übernahmswert nicht in Betracht. Nur gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes "zur Schätzung des reinen Nachlaßwertes" richtet sich der Revisionsrekurs der Alleinerbin wegen Nichtigkeit und offenbarer Gesetzwidrigkeit mit den Anträgen, die angefochtene Entscheidung und das vorangegangene, von der Nichtigkeit betroffene Verfahren aufzuheben und die Sache zur neuerlichen ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Rechtliche Beurteilung

Da der abändernde und der bestätigende Teil der Rekursentscheidung verschiedene Gegenstände betreffen, handelt es sich um keine einheitliche (teilweise) abändernde Entscheidung im Sinne des § 14 Abs. 1 AußStrG, sondern um eine verschiedene Gegenstände betreffende bestätigende (Teil-)Entscheidung im Sinne des § 16 Abs. 1 leg. cit. (MGA VerfaStr 2 § 14 A E 1 und 2; EFSlg. 47.131), so daß das Rechtsmittel zutreffend als außerordentlicher Revisionsrekurs im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG erhoben wurde.

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

Ob es eine Nichtigkeit der erstgerichtlichen Entscheidung

darstellte, daß dafür keine Begründung angegeben wurde, kann

dahingestellt bleiben, weil diese Nichtigkeit die nunmehr

angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes, die eine solche

Begründung enthält, nicht mehr erfassen würde. Daß das Rekursgericht

diese allfällige Nichtigkeit nicht wahrgenommen hat, könnte nur

einen einfachen Verfahrensmangel, aber keine Nullität bewirken

(SZ 39/1; RZ 1977/98, S 195).

Der von der Erbin in der Tagsatzung vom 21. Mai 1986 unter

Berufung auf § 21 Tiroler Höfegesetz gestellte Antrag auf "Stundung

der aus der Verlassenschaft zu leistenden Beträge auf sechs Jahre"

war weder Gegenstand der erstgerichtlichen Entscheidung, noch des dagegen erhobenen Rekurses der Erbin, noch der nunmehr angefochtenen Entscheidung der zweiten Instanz. Schon deshalb erweist sich der Vorwurf, das Rekursgericht habe diesbezüglich eine Nullität begangen, als unbegründet.

Offenbare Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und dennoch eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde, oder wenn die Entscheidung Grundprinzipien des Rechtes widerspricht (EFSlg. 47.208 uva.). Darüber, welchen Wert der (unbeweglichen) Güter die beeideten Schätzleute genau und gewissenhaft anzugeben haben, bestimmt § 103 Abs. 3 AußStrG lediglich, daß dies der gemeine Wert nach der Zeit des Todes des Erblassers sei.

"Wird eine Sache nach dem Nutzen geschätzt, den sie mit Rücksicht auf Zeit und Ort gewöhnlich und allgemein leistet, so fällt "nach § 305 erster Halbsatz ABGB" der ordentliche und gemeine Preis aus".

In den zitierten Gesetzesstellen wird weder ausdrücklich noch klar bestimmt, ob landwirtschaftliche Güter nur oder auch nach dem Verkehrs- oder nach dem Ertragswert zu schätzen sind. Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die Liegenschaften EZ 5 II, 57 II und 943 II seien nur nach dem Verkehrswert, die Liegenschaft EZ 71 II teils nach dem Sachwert und teils nach dem Ertragswert, alle jedoch ohne Bedachtnahme auf den im § 19 Abs. 1 Tiroler Höfegesetz aufgestellten Grundsatz, daß der Übernehmer wohl bestehen könne, richtig geschätzt worden, ist daher nicht offenbar gesetzwidrig im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG.

Somit kann sich der außerordentliche Revisionsrekurs auf keinen zulässigen Rechtsmittelgrund stützen, weshalb er zurückzuweisen war.

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