OGH 6Ob86/97h

OGH6Ob86/97h12.5.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.Ing.Alfred W*****, und 2. Dipl.Ing.Andreas K*****, ebendort, beide vertreten durch Dr.Johannes Dörner, Dr.Alexander Singer, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei S***** Immobilien GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Dieter Zaponig, Rechtsanwalt in Graz, wegen 117.636,29 S, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 24.Jänner 1997, GZ 6 R 315/96d-15, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 15.Oktober 1996, GZ 41 C 1559/96e-7, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluß, der hinsichtlich der Zurückweisung eines Teilbetrages von 17.636,29 S als unangefochten in Rechtskraft erwachsen ist, dahin abgeändert, daß die Ausdehnung des Klagebegehrens im restlichen Umfang auf 100.000 S nicht zugelassen, vielmehr dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens über das ursprüngliche Klagebegehren aufgetragen wird.

Die klagenden Parteien haben der beklagten Partei zur ungeteilten Hand die mit 4.871,04 S (darin 811,84 S USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen.

Text

Begründung

In ihrer Klage begehrten die Kläger 58.818,15 S mit dem Vorbringen, die beklagte Partei habe ihnen einen Auftrag zur Erstellung eines Vorentwurfes für ein Bauprojekt erteilt, die darüber gelegte Honorarnote in Höhe des Klagsbetrages sei trotz mehrfacher Urgenzen nicht beglichen worden.

Nachdem die beklagte Partei bestritten hatte, überhaupt einen Auftrag erteilt zu haben, die Kläger seien vielmehr aus eigenem Antrieb freiwillig und nach ihrer Zusage kostenlos tätig geworden, die beklagte Partei habe daher die gelegte Honorarnote über den Klagsbetrag unverzüglich als unberechtigt zurückgewiesen, brachten die Kläger mit vorbereitendem Schriftsatz vor, sie seien von der beklagten Partei ausdrücklich und mehrfach mit der Erstellung eines Vorentwurfes beauftragt worden. Sie hätten jedoch der Beklagten freiwillig angeboten, auf 50 % des ihnen nach der GOA zustehenden Honorares zu verzichten. Da die beklagte Partei behaupte, zwischen den Streitteilen sei kein Vertrag abgeschlossen worden, sei davon auszugehen, daß das Anbot der Kläger auf Verzicht der Hälfte des ihnen nach der GOA zustehenden Honorares nicht angenommen worden sei, sie seien daher berechtigt, das Gesamthonorar von 117.636,29 S zu fordern. Auf diesen Betrag werde das Klagebegehren ausgedehnt.

In der mündlichen Streitverhandlung vom 2.10.1996 wurde dieser Schriftsatz vorgetragen und das Klagebegehren ausgedehnt. Die beklagte Partei sprach sich, ohne über den geänderten Klagsanspruch zu verhandeln, gegen diese unzulässige Klagsänderung aus, wandte ein, daß das angerufene Gericht zur Verhandlung und Entscheidung über die geänderte Klage sachlich unzuständig sei und beantragte für den Fall der Zulassung der Klagsänderung die Zurückweisung der Klage.

Das Erstgericht sprach mit Beschluß seine sachliche Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück. Es führte in der Begründung der schriftlichen Beschlußausfertigung aus, die Klagsänderung sei zwar zuzulassen, weil diese auf dem in der Klage angeführten Rechtsgrund beruhe und eine Verhandlung darüber keine Verzögerung mit sich bringe. Da die Klagsforderung aber den in § 49 Abs 1 JN geregelten Geldwert übersteige, sei das angerufene Gericht sachlich unzuständig und die Klage daher zurückzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger teilweise Folge, bestätigte den Beschluß des Erstgerichtes auf Zurückweisung der Klage hinsichtlich eines Begehrens von 17.636,29 S, hob diesen im übrigen, also hinsichtlich eines Betrages von 100.000 S auf und trug dem Erstgericht in diesem Umfang die Fortsetzung des Verfahrens auf. Grundsätzlich sei davon auszugehen, daß eine Klagsänderung, insbesondere auch die Ausdehnung eines Klagebegehrens nach Eintritt der Streitanhängigkeit der Einwilligung des Gegners bedürfe. Ohne eine solche Einwilligung könne eine Klagsausdehnung, durch welche die Entscheidungszuständigkeit des Prozeßgerichtes überschritten werde, nicht erfolgen. Bei dem ursprünglichen Begehren habe es sich nicht um die Teileinklagung eines insgesamt höheren Anspruches gehandelt, sodaß nur der in der Klage tatsächlich angegebene Streitwert für die Zuständigkeit maßgeblich gewesen sei. Mit der Ausdehnung des Klagebegehrens sei dem Grunde nach ein über das ursprüngliche Begehren hinausgehender Anspruch geltend gemacht worden. Eine solche Klagsänderung sei, weil sie das Beweisthema (gemeint wohl die Beweisaufnahme) nicht oder nur unwesentlich (hinsichtlich des angebotenen Verzichtes auf die Hälfte des Honorares) erschwere oder verzögere als zulässig zu betrachten. Die Ausdehnung führe aber zu einer Überschreitung der Zuständigkeitsgrenze des Bezirksgerichtes. Die in § 29 JN normierte perpetuatio fori bewirke, daß jedes Gericht in Rechtssachen, welche rechtmäßigerweise bei demselben anhängig gemacht worden seien, bis zu deren Beendigung zuständig bleibe, auch wenn sich die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgeblich gewesen seien, während des Verfahrens geändert hätten. Dies bedeute, daß das Erstgericht auch über das nach zulässiger Klagsänderung ausgedehnte Begehren zumindest bis zu jenem Betrag, für den es sachlich zuständiges Gericht bleiben könne, zu verhandeln und zu entscheiden habe. Die Zurückweisung der Klage sei daher nur hinsichtlich des 100.000 S übersteigenden Betrages zu Recht erfolgt.

Das Rekursgericht sprach aus, daß mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zur Wahrung der Rechtseinheit zulässig, weil die Vorinstanzen die Bestimmungen des § 235 ZPO nicht beachtet haben, er ist auch berechtigt.

Es bedarf keiner weiteren Erörterungen, daß die nach Streitanhängigkeit erfolgte Ausdehnung des Klagebegehrens eine Klagsänderung im Sinne des § 235 ZPO darstellt. Nach dessen Abs 2 bedarf es hiezu nach Eintritt der Streitanhängigkeit der Einwilligung des Gegners. Mit dieser Einwilligung ist eine Änderung der Klage auch dann zulässig, wenn das Prozeßgericht für die geänderte Klage nicht zuständig wäre, soferne es durch Parteienvereinbarung zuständig gemacht werden könnte oder die Unzuständigkeit nach § 104 Abs 3 JN geheilt wird. Die Einwilligung des Gegners ist als vorhanden anzunehmen, wenn er ohne gegen die Änderung Einwendungen zu erheben, über die geänderte Klage verhandelt. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen, die Beklagte hat sich vielmehr ausdrücklich gegen die Klagsänderung ausgesprochen und auf die sachliche Unzuständigkeit des Gerichtes für das erweiterte Klagebegehren verwiesen. Nach § 235 Abs 3 ZPO kann das Gericht eine Änderung selbst nach Eintritt der Streitanhängigkeit und ungeachtet der Einwendungen des Gegners zulassen, wenn durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten wird und aus ihr eine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung nicht zu besorgen ist. Aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich deutlich, daß die Zulassung einer Klagsänderung gegen den Willen des Prozeßgegners nicht bei Vorliegen allein der Voraussetzung bewilligt werden darf, daß keine Besorgnis erheblicher Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung vorliegt, sondern darüber hinaus auch erforderlich ist (Argument "und"), daß durch die Änderung die Zuständigkeit des Prozeßgerichtes nicht überschritten wird. Gerade dies aber trifft hier zu. Alle Änderungen des Klagsanspruches, die die Unzuständigkeit des Gerichtes herbeiführen, sind daher ausgeschlossen. Eine Aufteilung des ausgedehnten Betrages auf einen zulässigen Teil (bis zur Höhe der Wertgrenze) und einen unzulässigen Teil (der über die Wertgrenze hinausgeht) wie dies das Rekursgericht versucht, kommt nach dem Gesetz nicht in Betracht, dies schon deshalb, weil solches weder dem Begehren des Klägers entspräche, noch verhindern könnte, daß über den ausgedehnten, der sachlichen Zuständigkeit des übergeordneten Gerichtes unterliegenden Anspruch tatsächlich verhandelt und (teilweise) entschieden würde. Eine solche Klagsänderung ist daher in ihrer Gesamtheit nicht zuzulassen. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes schränkt aber § 235 ZPO nur die möglichen nachträglichen Änderungen der Zuständigkeitsvoraussetzungen ein, ohne aber daran eine Änderung der Zuständigkeit der bereits anhängigen Sache zu knüpfen (vgl Fasching Komm I, 227). Dies bedeutet, daß die Ausdehnung des Klagebegehrens nicht zuzulassen, über das ursprüngliche Begehren aber zu verhandeln und zu entscheiden ist. Für dessen Zurückweisung besteht kein Grund.

Da ein Zwischenstreit vorliegt, waren der beklagten Partei die Kosten ihres Revisionsrekurses auf der Basis eines Streitwertes von 58.818,15 S gemäß §§ 41 und 50 ZPO zuzuerkennen.

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