OGH 6Ob798/80

OGH6Ob798/8030.3.1981

SZ 54/45

Normen

BStG §18
EEG §4
BStG §18
EEG §4

 

Spruch:

Wurde bei der Bemessung der Enteignungsentschädigung von einer anderen als der tatsächlichen Verwendungsart der enteigneten Grundstücke ausgegangen (hier: Nutzung als Kleingärten oder Erholungsflächen statt landwirtschaftlicher Nutzung), ist diese auch der Berechnung der Wertminderung der nicht enteigneten Restflächen zugrundezulegen

Auch bei der fiktiven Bewertung der nach der Enteignung verbleibenden Restflächen als Erholungsflächen kann sich ein Minderwert zufolge Durchschneidung und Verkleinerung der bisherigen Grundstücke ergeben

OGH 30. März 1981, 6 Ob 798/80 (LG Linz 13 R 386/80; BG Urfahr-Umgebung 1 Nc 14/76)

Text

Die Antragsteller waren Eigentümer einer Landwirtschaft mit einer landwirtschaftlichen Nutzfläche von 7.2591 ha. Mit Bescheid des Amtes der oö. Landesregierung vom 13. Jänner 1975 wurden hievon zum Zweck des Ausbaues der Donaustraße B 3 gemäß §§ 17 und 20 Abs. 1 BStG 1971 Teile der den Antragstellern gehörigen Grundstücke 1772/9, 1540, 1541, 1539, 1566, 1565/1 und 1567 der EZ 59 KG L im Ausmaß von zusammen 8348 m2 im Wege der Enteignung dauernd in Anspruch genommen.

Im gegenständlichen Verfahren beantragten die Antragsteller und die Antragsgegnerin, die Republik Österreich, die Neufestsetzung der Entschädigungssumme.

Im bisherigen Verfahren wurde teils vom Erstgericht, teils vom Rekursgericht über die Höhe der Entschädigung bereits zum größten Teil rechtskräftig entschieden.

Gegenstand des Revisionsrekurses der Antragsteller ist nur mehr die Frage, ob ihnen - neben den bereits durch die bisherigen Entscheidungen der Vorinstanzen zugesprochenen Entschädigungsbeträgen - eine Entschädigung der Nachteile für Besitzverkleinerung und Ertragsentgang und eine Entschädigung für die Durchschneidung des Gründes zusteht, sowie die Frage, ab wann die zugesprochenen Entschädigungsbeträge zu verzinsen sind.

Das Erstgericht hatte für die Durchschneidung der Grundstücke 1565/1, 1566 und 1567 einen Betrag von 29 815 S und für die Wertminderung (der gesamten Landwirtschaft der Antragsteller) infolge Betriebsverkleinerung durch den eingetretenen Flächenverlust einen Betrag von 76 760 S zugesprochen. Es sprach ferner aus, daß der Entschädigungsbetrag "mit 4% ab 14 Tage nach Rechtskraft zu verzinsen" ist, "soweit er nicht bezahlt ist".

Das Rekursgericht sprach den Antragstellern über Rekurs der Antragsgegnerin keine Beträge für Durchschneidung und für Wertminderung infolge Betriebsverkleinerung durch eingetretene Flächenverluste zu, sondern schied diese Teile aus dem - ansonsten teils bestätigten, teils abgeänderten - Spruch des Erstgerichtes aus. Den von keiner der Parteien bekämpften Zinsenausspruch des Erstgerichtes übernahm es in seine Entscheidung. Es vertrat zur Frage der Wertminderung infolge Betriebsverkleinerung durch den eingetretenen Flächenverlust die Auffassung, daß den Antragstellern hiefür keine Entschädigung zustehe. Die enteigneten Flächen seien nach dem Verkehrswert einer künftigen Verwendung als Kleingärten oder Erholungsland bewertet worden. Bei der im höheren Verkehrswert ausgedrückten künftigen Verwendungsmöglichkeit spiele aber weder die nur für die Landwirtschaft bedeutsame Durchschneidung der Grundstücke eine Rolle, noch könne zusätzlich zum Höherwert die Restgrundentwertung Berücksichtigung finden. Soweit enteignete Flächen aber nur nach dem Verkehrswert entsprechend einer landwirtschaftlichen Nutzung entschädigt worden seien, habe das Verfahren ergeben, daß deren Enteignung "keinen Betriebsverlust" nach sich gezogen habe.

Der Oberste Gerichtshof wies den Revisionsrekurs der Antragsteller soweit er sich gegen den Ausspruch über die Verzinsung der Entschädigungssummen richtet, zurück und hob die Beschlüsse der Vorinstanzen, soweit Entschädigung für die Verminderung des Wertes der Restgrundstücke begehrt wird, auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung auf.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Die Antragsteller bekämpfen zunächst den Zinsenzuspruch durch das Rekursgericht. Sie meinen, der Zinsenlauf wäre richtigerweise ab der Zustellung der Entscheidung erster Instanz festzusetzen gewesen.

Soweit der Revisionsrekurs die Verzinsung der unbekämpft zugesprochenen Entschädigungsbeträge betrifft, ist er unzulässig. Ein gleichlautender Ausspruch über die Verzinsung war nämlich bereits in der Entscheidung erster Instanz enthalten, ohne daß ihn die Antragsteller bekämpft haben. Sie können daher diesen Zinsenausspruch, soweit er sich auf Entschädigungssummen bezieht, welche mit der Entscheidung der zweiten Instanz rechtskräftig zugesprochen wurden, nicht mehr bekämpfen. Allerdings entspricht dieser Teil der Entscheidung des Rekursgerichtes nicht der Rechtslage. Gemäß § 20 Abs. 5 BStG 1971, BGBl. 286, sind für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. 71, in der geltenden Fassung sinngemäß anzuwenden. Gemäß § 33 Abs. 2 EisbEntG ist das Eisenbahnunternehmen zur Entrichtung der gesetzlichen Verzugszinsen vom Tage des Vergleiches oder der Zustellung der Entscheidung verpflichtet, wenn es einen als Entschädigung zu leistenden Kapitalsbetrag später als 14 Tage nach Abschluß des Vergleiches oder nach Zustellung der die Entschädigung feststellenden gerichtlichen Entscheidung bezahlt. Unter dem Begriff "Zustellung der gerichtlichen Entscheidung" kann nur die Zustellung jener Entscheidung verstanden werden, mit welcher der Zuspruch rechtskräftig erfolgt ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der Verzugszinsen, die voraussetzen, daß ein Verzug überhaupt vorliegt. Eine Zahlungsverpflichtung trifft das Eisenbahnunternehmen - bzw. im Falle der Entschädigung nach dem Bundesstraßengesetz die Republik Österreich - aber gemäß § 36 EisbEntG erst binnen 14 Tagen nach Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Daraus ergibt sich aber, daß die Verzinsung für den Fall der Nichtzahlung innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Entscheidung letzter Instanz ab Zustellung dieser die Rechtskraft bewirkenden Entscheidung - und nicht ab 14 Tage nach Rechtskraft - zu laufen beginnt (Brunner, Die zivilgerichtliche Rechtsprechung zur Enteignungsentschädigung, JBl. 1975, 580 ff., insbesondere 586; 1 Ob 84-88/74). Dies wird bei Zuspruch weiterer Entschädigungsbeträge zu berücksichtigen sein.

Hingegen ist der Revisionsrekurs gerechtfertigt, soweit er sich gegen die Ausscheidung der vom Erstgericht zugesprochenen Entschädigung für Durchschneidung und für Wertminderung der Restgrundstücke wendet.

Gemäß § 18 Abs. 1 BStG 1971 ist bei Feststellung der Entschädigung auf die Verminderung des Wertes eines etwa verbleibenden Grundstücksrestes Rücksicht zu nehmen. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht, gestützt auf die Sachverständigengutachten, für die enteigneten Flächen der Grundstücke 1539, 1565/1, 1566 und 1567, Entschädigungen von 55 S pro Quadratmeter zugesprochen, wobei es davon ausging, daß diese Grundstücke derzeit zwar als Wiesenflächen landwirtschaftlich genutzt würden, jedoch infolge ihrer stadtnahen Lage eine besonders intensive Nutzung, z. B. als Kleingartenflächen oder Erholungsflächen, möglich wäre, woraus sich der höhere Verkehrswert ergebe. Daneben hat das Erstgericht den Antragstellern aber noch einen Betrag für die Wertminderung des gesamten landwirtschaftlichen Betriebes infolge Betriebsverkleinerung durch den eingetretenen Flächenverlust und eine Entschädigung für die Durchschneidung der Grundflächen zugesprochen. Mit Recht hat das Rekursgericht darauf verwiesen, daß dann, wenn eine anderweitige Verwendungsart für die Bemessung der Entschädigung fingiert wird, nicht gleichzeitig fingiert werden kann, es bleibe für die Wertminderung und für den Wertverlust durch Durchschneidung der Restgrundstücke bei der bisherigen Verwendungsart (Brunner a.a.O., 583 f.; 6 Ob 377/61). Daher kann neben dem höheren Wert der enteigneten Grundflächen nicht auch ein Betrag als Wertminderung des restlichen Betriebes mit der Begründung zugesprochen werden, daß durch die Enteignung der verbleibende landwirtschaftliche Betrieb mit höheren Fixkosten belastet würde. Da aber die Enteignung der nicht nach dem höheren Verkehrswert für Erholungsflächen, sondern nach dem Verkehrswert landwirtschaftlich genutzter Flächen enteigneten Grundstücke 1772/9, 1540 und 1541 mit Rücksicht auf ihr geringes Ausmaß nach den getroffenen Feststellungen keinen Einfluß auf den landwirtschaftlichen Betrieb hatte, konnte aus diesen Gründen eine Entschädigung wegen Minderwertes der verbleibenden Grundstücke und für Wertminderung wegen Durchschneidung der Grundstücke nicht zugesprochen werden.

Den Antragstellern ist aber beizupflichten, wenn sie darauf verweisen, daß sich ein Minderwert der verbleibenden Restflächen auch unter Berücksichtigung einer Verwendung als Erholungsflächen ergeben könnte (Brunner a.a.O., 584). Nach dem Akteninhalt stellten die als Erholungsflächen bewerteten Grundstücke 1566, 1565/1 und 1567 vor der Enteignung eine zusammenhängende Fläche im Ausmaß von 1.6888 ha dar. Durch die erfolgte Enteignung verblieben den Antragstellern drei voneinander getrennte Teilflächen im Ausmaß von 2800 m2, 6445 m2 und 1080 m2 von unterschiedlicher Form. Es ist durchaus denkbar, daß diese Restflächen ebenso wie die Restfläche des Grundstücks 1539 durch die nunmehr vorgegebene Größe und Form eine Wertminderung auch in bezug auf die Verwendung als Erholungsflächen gegenüber dem Zustand vor der Enteignung erfahren haben, handelte es sich doch vorher um eine zusammenhängende größere Fläche, die möglicherweise leichter hätte parzelliert und als Kleingartengrunde veräußert werden können. In dieser Richtung wurde zwar von den Antragstellern, welche den irrigen Standpunkt vertraten, es seien ihnen die Verluste durch die Verkleinerung der landwirtschaftlichen Betriebsfläche zu ersetzen, nichts vorgebracht. Das Gericht hat jedoch gemäß § 24 Abs. 1 EisbEntG alle für die Feststellung der Entschädigung maßgebenden Verhältnisse nach den Grundsätzen des Verfahrens außer Streitsachen zu erheben. Da mit Rücksicht auf die nunmehrige Teilung der ursprünglich geschlossenen Grundfläche der Grundstücke 1566, 1565/1 und 1567, aber auch im Hinblick auf die wesentliche Verkleinerung des Grundstücks 1539 eine solche Wertminderung der Restgrundflächen unter dem Gesichtspunkt einer Verwertung als Erholungsflächen nicht ausgeschlossen werden kann, hätte das Erstgericht in dieser Richtung Erhebungen durchführen müssen. Da alle Erhebungen bisher nur in der Richtung einer Wertminderung der gesamten Landwirtschaft durch Grundstücksverluste geführt wurden, erweist sich das bisherige Verfahren als mangelhaft.

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