Spruch:
Dem Außerstreitrichter sind nach § 93 EheG auch die notwendigen Anordnungen zur Durchführung seiner Entscheidung über die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens aufgetragen. Daher vermag eine mangels Regelung der Durchführung unvollständige Einigung der Ehegatten über die Aufteilung keinesfalls die Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens auszuschließen
OGH 17. Dezember 1980, 6 Ob 791/80 (LG Innsbruck 2 R 179/80; BG Innsbruck 5 F 8/80)
Text
Die 1962 zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geschlossene Ehe wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. Jänner 1980 geschieden.
Die geschiedene Ehefrau brachte am 17. April 1980 im Sinne des § 85 EheG einen Antrag mit dem formellen Begehren ein, das eheliche Gebrauchsvermögen unter die Parteien im Sinne des § 81 EheG aufzuteilen. Dazu erklärten die geschiedenen Ehegatten am 1. August 1980 übereinstimmend, "daß lediglich das im Eigentum des Antragsgegners stehende Einfamilienhaus, errichtet auf der Liegenschaft EZ X KG A, zur Aufteilung zu gelangen" habe.
Nach dem Vorbringen der Antragstellerin habe der Antragsgegner mit ihr im Zuge des Scheidungsverfahrens mündlich vereinbart, diese Liegenschaft zu veräußern und den nach Abzug der Hypothekarlasten verbleibenden Erlös mit ihr je zur Hälfte zu teilen. Nunmehr weigere sich der Antragsgegner jedoch, die Liegenschaft zu verkaufen. Er behaupte auch, daß vor der Teilung des Kauferlöses aus diesem nicht nur die grundbücherlich sichergestellten, sondern alle übrigen Verpflichtungen, vor allem die aus einem zum PKW-Ankauf aufgenommenen Darlehen, beglichen werden sollten. Der Antragsgegner brachte vor, daß er das vom Antrag betroffene Haus während der aufrechten Ehe mit den aus seinem Arbeitsverdienst stammenden Mitteln erworben habe; er gestand zu, mit der Antragstellerin den ehestmöglichen Verkauf vereinbart zu haben; aus dem Kauferlös hätten aber vereinbarungsgemäß sämtliche Schulden der Ehegatten beglichen werden und erst der danach verbleibende Rest je zur Hälfte aufgeteilt werden sollen. Das Haus sei trotz Einschaltung eines Vermittlers (um einen vertretbaren Preis) bis Ende März 1980 nicht zu verkaufen gewesen. Der Antragsgegner habe es nunmehr zur Gänze vermietet, um aus den Mieteingängen die laufenden Verbindlichkeiten abstatten zu können.
Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Verfahrens zurück. Es erblickte in der von der Antragstellerin selbst behaupteten vertraglichen Regelung das Verfahrenshindernis der Unzulässigkeit des Außerstreitverfahrens. Verfahrensgegenstand sei nur noch die Aufteilung der Liegenschaft. Hierüber bestehe nach dem Vorbringen der Antragstellerin eine rechtswirksame - gemäß § 97 Abs. 2 EheG formfreie - außergerichtliche Regelung. Diese würde sogar die Anrufung des Gerichtes im außerstreitigen Verfahren wegen geänderter Verhältnisse unzulässig machen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Es teilte die erstinstanzliche Beurteilung über die Rechtswirksamkeit der keinem Formzwang unterliegenden Aufteilungsregelung. Damit sei der Außerstreitweg ausgeschlossen. In das Verfahren nach §§ 229 ff. AußStrG sei nur die nach den Billigkeitsgrundsätzen (der §§ 83 f. EheG) vorzunehmende Aufteilung gewiesen. Zur Durchsetzung eines bereits vertraglich geregelten Anspruches, damit aber auch für die Ermittlung des genauen Vertragsinhaltes und der Vertragsauslegung, stehe ebenso wie für eine allfällige Vertragsanfechtung nur der streitige Rechtsweg offen. Zur Abgrenzung des streitigen vom außerstreitigen Verfahren nach §§ 229 ff. AußStrG sei die Rechtsprechung zur 6. DVEheG wegen der unterschiedlich umschriebenen Verfahrensvoraussetzungen nicht heranziehbar. Denn einerseits schränke § 85 EheG die der privatautonomen Parteienvereinbarung nunmehr ausdrücklich nachgeordnete Regelungszuständigkeit des Außerstreitrichters (arg.: soweit sich die Ehegatten ... nicht einigen) ein, andererseits fehle nach der geltenden Rechtslage eine Zuständigkeit des Außerstreitrichters in den Fällen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse (vgl. § 17 der 6. DVEheG). Daher schloß sich das Rekursgericht der in der Entscheidung des OGH EvBl. 1980/61 vertretenen Ansicht nicht an.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Antragstellerin Folge, hob die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug dem Erstgericht auf, das Verfahren über den Aufteilungsantrag unter Zugrundelegung der Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens fortzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Das Rechtsmittel gegen eine im Verfahren nach § 229 AußStrG ergangene Formalentscheidung unterliegt nicht den für Sachentscheidungen geltenden Rechtsmittelbeschränkungen des § 232 AußStrG (EvBl. 1980/52). Die Rechtsmittelzulässigkeit ist daher nach § 16 Abs. 1 AußStrG zu beurteilen. Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, daß die Vorinstanzen ihren Aufteilungsantrag zu Unrecht wegen Unzulässigkeit des Außerstreitverfahrens zurückgewiesen haben. Mit der Behauptung der unrichtigen Beurteilung der Voraussetzungen für die Zuständigkeit des Außerstreitverfahrens rügt die Rechtsmittelwerberin im vorliegenden Fall einen Verstoß gegen die zwingende Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Verfahren und damit eine Nichtigkeit. Die vom angerufenen Richter getroffene Entscheidung über eine von ihm von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung - also auch über die Zulässigkeit des Außerstreitweges - kann zwar grundsätzlich nicht schon deshalb als nichtig qualifiziert werden, weil diese Verfahrensfrage sachlich unrichtig gelöst wurde (vgl. EvBl. 1980/78). Führt aber die verfahrensrechtliche Entscheidung im Ergebnis dazu, daß die Verfolgung eines materiellen Anspruches in ein Verfahren gewiesen wird (hier auf den ordentlichen Rechtsweg), in dem die Möglichkeiten zu der materiell-rechtlich vorausgesetzten Rechtsgestaltung (hier:
Aufteilung nach Billigkeit unter Neubegründung und Übertragung von Rechten) fehlen, dann kommt einer Verweigerung der Anspruchsverfolgung in dem hiefür vorgesehenen Verfahren, der Charakter einer Rechtsverweigerung und damit das Gewicht einer Nullität zu.
Die von den Vorinstanzen verneinte Verfahrensvoraussetzung liegt vor. Der außerordentliche Revisionsrekurs ist daher nicht nur zulässig, sondern auch berechtigt.
Macht ein Ehegatte Ansprüche an den anderen "hinsichtlich" ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse, soweit sie der Aufteilung unterliegen, innerhalb der in § 235 Abs. 1 AußStrG umschriebenen Frist geltend, steht hiezu, wie aus der genannten Gesetzesstelle zwingend hervorgeht, nur der außerstreitige Rechtsweg offen. Die gesetzliche Umschreibung der in das Außerstreitverfahren gewiesenen Ansprüche entspricht damit der in § 18 Abs. 1 der 6. DVEheG gewählten Anknüpfung ("Ansprüche hinsichtlich der Ehewohnung und des Hausrats"). Diese Gleichartigkeit der Formulierung erfolgte offensichtlich bewußt (vgl. JAB zum EheRÄndG, 916 BlgNr, XIV. GP, 33). Es kann aber im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob damit auch die von der Rechtsprechung zu den §§ 1 und 18 der 6. DVEheG vorgenommene Abgrenzung zwischen streitigem und außerstreitigem Rechtsweg im vollen Umfang auch zur Abgrenzung dieser Verfahrensarten nach § 85 EheG, § 235 Abs. 1 AußStrG heranzuziehen sei, insbesondere ob auch jede Meinungsverschiedenheit über die Art der Durchführung eines außergerichtlichen, nicht vollstreckbaren Vergleiches über eine konkrete Aufteilung im Außerstreitverfahren auszutragen sei (so ausdrücklich: EvBl. 1980/81 = JBl. 1980, 538). (Siehe dazu 7 Ob 687/80, EvBl. 1981/75, Nr. 153 in diesem Band). Denn dem Außerstreitrichter sind nach § 93 EheG - bestimmter als durch § 15 der 6. DVEheG - auch die nötigen Anordnungen zur Durchführung seiner Entscheidung über die Aufteilung aufgetragen. Auch diese Anordnungen sind nach den das eheliche Aufteilungsverfahren beherrschenden Billigkeitsgrundsätzen zu treffen. Eine hinsichtlich der Durchführung unvollständige Einigung der Ehegatten über eine Aufteilung vermag daher keinesfalls eine unter den sonstigen Umständen begrundete Zulässigkeit des Außerstreitverfahrens auszuschließen. Zumindest eine solche Unvollständigkeit der im Zusammenhang mit ihrem Scheidungsverfahren über die vom Antragsgegner während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft erworbene Liegenschaft mit dem Haus - in dem offenbar auch die Ehewohnung gelegen war - außergerichtlich getroffenen mündlichen Vereinbarung, liegt aber vor.
Für den von der Antragstellerin geltend gemachten eherechtlichen Aufteilungsanspruch ist daher entgegen der Beurteilung der Vorinstanzen das außerstreitige Verfahren in Eheangelegenheiten nach § 229 ff. AußStrG zulässig.
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