OGH 6Ob74/99x

OGH6Ob74/99x15.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schiemer, Dr. Huber, Dr. Prückner und Dr. Schenk als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Klagenfurt zu AZ FN 141354z eingetragenen Rosa S*****Privatstiftung mit dem Sitz in Klagenfurt-Viktring infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Mitgliedes des Stiftungsvorstandes Rosa S*****, vertreten durch ihre Sachwalterin Mag. Ingeborg Haller, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Rekursgericht vom 24. Februar 1999, GZ 4 R 37/99i-15, womit der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Firmenbuchgericht vom 20. Jänner 1999, GZ 5 Fr 2312/98x, 5 Fr 2494/98p-10, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im Firmenbuch beim Landesgericht Klagenfurt ist die von Rosa S*****, geboren am 14. August 1914 (im folgenden nur Stifterin), mit Notariatsakt vom 4. Oktober 1995 errichtete "Rosa S***** Privatstiftung" mit einem Stiftungsvermögen von 1 Mio S eingetragen. Stiftungszweck ist das Erhalten und Verwalten des der Stiftung gewidmeten Vermögens und die Versorgung der in der Zusatzurkunde genannten natürlichen und juristischen Personen, im wesentlichen kranke Kinder und Institutionen, die kranke und in Not geratene Kinder unterstützen. Die Stiftung wird kollektiv von zumindest zwei der drei Vorstandsmitglieder vertreten. Für die Dauer seiner Handlungsfähigkeit obliegt dem Stifter die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Stiftungsrates. Bei Handlungsunfähigkeit ... des Stifters erfolgt die Bestellung oder Abberufung durch einstimmigen, der Genehmigung des Stiftungsrates bedürftigen Beschluß der "jeweiligen" Vorstandsmitglieder. Vorstandsmitglieder sind derzeit die Stifterin, zwei weitere Mitglieder sowie ein Vorsitzender des Stiftungsvorstandes.

Mit Schriftsatz vom 28. Mai 1998 stellte die anwaltlich vertretene Stifterin den Antrag auf Sonderprüfung der Stiftung gemäß § 31 PSG und auf Abberufung der übrigen Vorstandsmitglieder.

Mit Schriftsatz vom 12. Juni 1998 stellte die Privatstiftung, (nur) vertreten durch den Vorstandsvorsitzenden, den Antrag, die Stifterin wegen eingeschränkter Rechtsgeschäftsfähigkeit gemäß § 27 Abs 2 Z 2 PSG, in eventu wegen grober Pflichtverletzung als Vorstandsmitglied abzuberufen und regte unter einem die Bestellung eines Sachwalters für sie an. Die Stifterin sei seit Jänner 1998 nicht mehr handlungs- und rechtsgeschäftsfähig. Sie lasse sich von fremden Personen unbegründete Rücktrittsaufforderungen an den Vorstandsvorsitzenden diktieren, werde auch von ihrem bisherigen Rechtsfreund als eines Sachwalters bedürftig eingeschätzt und sei für kein Vorstandsmitglied mehr erreichbar. Sie erscheine bei Vorstandssitzungen nicht mehr und verfolge auch die bisherige Stiftungslinie nicht weiter, lasse sich von außenstehenden Personen beeinflussen und gefährde so den Stiftungszweck.

Mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 8. Jänner 1999 wurde für die Stifterin die Rechtsanwältin Mag. Ingeborg Haller zur Sachwalterin gemäß § 273 ABGB mit dem Auftrag bestellt, die Einkommens- und Vermögensverwaltung, die Vertretung vor Ämtern, Behörden und Gerichten und die Sicherstellung der notwendigen Personensorge sowie nach dem weiteren Beschluß vom 10. Februar 1999 sämtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der genannten Privatstiftung zu besorgen.

Das Erstgericht hat 1. die angeordnete Verbindung des Verfahrens über die beiden oben genannten Anträge - unangefochten - aufgehoben und 2. über Antrag die Stifterin als Vorstandsmitglied gemäß § 27 Abs 2 Z 2 PSG abberufen. Wenn auch der Antrag wegen der in der Stiftungsurkunde getroffenen Vertretungsregelung nicht als von der Privatstiftung gestellt angesehen werden könne, müsse doch dem Stiftungsvorstandsvorsitzenden selbst auch ein Antragsrecht iSd § 27 PSG zugebilligt werden. Der vorliegende Sachverhalt ließe aber auch ein amtswegiges Einschreiten des Firmenbuchgerichtes als gerechtfertigt erscheinen. Die im Sachwalterschaftsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachten zweier näher genannter Sachverständigen hätten ergeben, daß die Stifterin an einer beginnenden Hirnleistungsminderung leide, die zu einer deutlichen Beeinträchtigung sämtlicher höherer cortikaler Funktionen einschließlich Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprach- und Urteilsvermögen geführt habe. Sie bedürfe zur Hintanhaltung der Verwahrlosung weitgehend fremder Hilfe, sei reduziert kritikfähig sowie vermehrt beeinflußbar und nicht mehr in der Lage, die Tragweite einer Bevollmächtigung oder die Notwendigkeit deren Widerrufes zu erkennen. Sie bedürfe seit Jänner/Februar 1998 als leicht bis mittelgradig geistig behindert für alle Angelegenheiten eines Sachwalters, der ihr mittlerweile auch bestellt worden sei. Dies rechtfertige die Abberufung der Stifterin als Vorstandsmitglied der Privatstiftung.

Das Rekursgericht bestätigte den erstinstanzlichen Beschluß mit der Maßgabe, daß der Beschluß in seinem Punkt 2. nicht über Antrag, sondern von Amts wegen ergehe, und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 260.000 S übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs aber nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der durch ihren Sachwalter vertreteten Stifterin (als Vorstandsmitglied) ist wegen fehlender Rspr zu § 27 PSG zulässig, aber nicht berechtigt.

a) Die mit dem am 1. September 1993 in Kraft getretenen BGBl 69 (PSG) geschaffene Einrichtung einer Privatstiftung ist ein Rechtsträger (eine juristische Person), dessen Zweck und innere Ordnung im Wege der Privatautonomie weitgehend vom Stifter bestimmt werden. Die Privatstiftung wird vom Stiftungsvorstand vertreten und verwaltet. Typischerweise hat die Stiftung Begünstigte, die allerdings weder Mitglieder noch Eigentümer der Stiftung sind. Charakteristikum der Privatstiftung ist der Umstand, daß dem "eigentümerlosen" Vermögen Rechtspersönlichkeit zuerkannt wird, wodurch eine Verselbständigung des Vermögens erreicht wird. Es ist nach dem erklärten Willen des Stifters zu verwenden (6 Ob 39/97x = SZ 70/92).

Gemäß § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht - was hier nicht zu untersuchen ist - oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt. In der demonstrativen Aufzählung gilt als wichtiger Grund insbesondere (Z 2) die "Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Erfüllung der Aufgaben". Nach den Materialien (RV 1132 BlgNR 18.GP) tritt auch bei der Abberufung das Gericht letztlich an die Stelle, die Mitglieder oder Eigentümer in anderen juristischen Personen haben. Das Gericht hat ein Mitglied eines Stiftungsorgans, unter Umständen auch alle Mitglieder desselben, abzuberufen, wenn ein Abberufungsgrund der Stiftungserklärung vorliegt oder sonst ein wichtiger Grund. Die Stiftungserklärung kann Abberufungsgründe ausdrücklich vorsehen, nicht jedoch die Abberufung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes untersagen. Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist immer unter dem Gesichtspunkt des Funktionierens der Privatstiftung, letztlich unter dem Gesichtspunkt zu sehen, ob die Verfolgung des Stiftungszwecks mit ausreichender Sicherheit in der Zukunft gewährleistet ist.

Die Handlungsfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigenes Verhalten Rechte und Pflichten zu begründen, die Geschäftsfähigkeit die Fähigkeit, sich selbst durch rechtsgeschäftliches Handeln zu berechtigen oder zu verpflichten (Koziol/Welser,Grundriß10 I 47 f). Personen, die aus einem anderen Grund als dem ihrer Minderjährigkeit alle oder einzelne ihrer Angelegenheiten nicht selbst gehörig besorgen können, sind in moderner Gesetzessprache die "psychisch Kranken" und "geistig Behinderten" (§ 273 ABGB idF SachWG 1983 BGBl 136), die von § 21 ABGB erfaßt sind (Posch in Schwimann2, § 21 ABGB Rz 9). Die Bestellung eines Sachwalters hebt - von Bagatellfällen abgesehen - die rechtsgeschäftliche Handlungsfähigkeit der behinderten Person auf (§ 273a ABGB). Eine unter Sachwalterschaft stehende Person ist im Wirkungskreis ihres Sachwalters unter der Voraussetzung erforderlicher Einsichtsfähigkeit beschränkt geschäftsfähig wie ein Minderjähriger über sieben Jahren (Schlemmer in Schwimann2, § 273a ABGB Rz 1 mwN). Gemäß § 15 Abs 1 erster Satz PSG muß der Stiftungsvorstand aus wenigstens drei Mitgliedern bestehen. Daß dem Vorstand ausschließlich handlungsfähige (natürliche) Personen angehören dürfen, wird - anders als bei der Gesellschaft mbH (§ 15 Abs 1 zweiter Satz GmbHG fordert die volle Handlungsfähigkeit; die vergleichbare Bestimmung des § 6 Abs 2 erster Satz dGmbHG eine "unbeschränkt geschäftsfähige Person") und nach deutschem Aktienrecht (§ 76 Abs 3 dAktG) - vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich angeordnet. Auch für die österr. Aktiengesellschaft wird ungeachtet des Fehlens ausdrücklicher Eignungserfordernisse im Gesetz (vgl § 70 AktG) die volle Geschäftsfähigkeit als Voraussetzung für eine Vorstandsbestellung bejaht (Schiemer, AktG2 § 75 Anm 5.4). Auch aus dem Umstand, daß mit Rücksicht auf die Regelung der Sachwalterbestellung von keinem fest umrissenen Begriff der beschränkten Geschäftsfähigkeit auszugehen, sondern je nach der Beschaffenheit des Gebrechens eine abgestufte Beschränkung zugrunde zu legen sei (§ 273 ABGB), könne nicht geschlossen werden, daß die Bestellung von Personen, für die ein Sachwalter bestellt wurde, zum Mitglied des Vorstandes zulässig wäre (Strasser in Schiemer/Jabornegg/Strasser, AktG3 §§ 75, 76 Rz 10). Diese Grundsätze der Lehre zur Aktiengesellschaft werden im Rechtsmittel nicht in Zweifel gezogen, sie werden in der Lehre auch für Vorstandsmitglieder von Privatstiftungen gebilligt. Denn aus den für den Vorstand angeordneten Pflichten, im besonderen die Geschäftsführung (§ 17 PSG) ergebe sich, daß beschränkt geschäftsfähige Personen nicht in den Vorstand bestellt werden dürften (Micheler in Doralt/Nowotny/Kalss, Privatstiftungsgesetz §§ 15 f Rz 4; Nowotny, Die Organisation der Privatstiftung in Csoklich/Müller/Gröhs/Helbich, Handbuch zum Privatstiftungsgesetz 152 mwN in FN 35). Der Oberste Gerichtshof teilt diese Auffassung. Die eigenverantwortliche Verpflichtung zur ordentlichen und gewissen Geschäftsleitung kann durch eine geschäfts- und handlungsunfähige Person nicht wahrgenommen werden. Die Besonderheiten des PSG bieten keinen Anlaß, dabei an Vorstandsmitglieder einer Privatstiftung geringere Anforderungen zu stellen, weil auch in diesem Fall das betroffene Vorstandsmitglied nicht mehr in der Lage ist, seinen Aufgaben selbst nachzukommen. Die zwangsläufig ausschließliche Vertretung des Vorstandsmitgliedes durch seinen Sachwalter ist kein geeignetes Mittel, um die Vorstandstätigkeit auszuüben. Wird somit für ein gültig bestelltes Vorstandsmitglied einer Privatstiftung ein Sachwalter bestellt, so stellt dieser Umstand für die Abberufung durch das Firmenbuchgericht jedenfalls dann einen wichtigen Grund iSd § 27 Abs 2 Z 2 PSG dar, wenn wie hier sämtliche Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Privatstiftung ausdrücklich zum Inhalt der Sachwalterschaft gemacht wurden.

b) Die Entscheidungskompetenz des Firmenbuchgerichtes nach § 27 Abs 2 iVm § 40 PSG wird zu Recht nicht in Zweifel gezogen.

Ungeachtet der Tatsache, daß damit die einzige Stifterin selbst nicht mehr Vorstandsmitglied sein kann, müssen die dargestellten Erwägungen zur Bestätigung der Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz führen.

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