OGH 6Ob729/88

OGH6Ob729/8815.12.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sieglinde S***, geboren am 14.Dezember 1944 in Wilhelmsburg, Lilienfelderstraße 43, 3150 Wilhelmsburg, vertreten durch Dr. Peter Eigenthaler, Rechtsanwalt in Lilienfeld, wider die beklagte Partei Johann S***, geboren am 17.September 1939 in St. Pölten, Modellschlosser, Mühlgasse 8 a, 3150 Wilhelmsburg, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 12.Juli 1988, GZ R 359/88-12, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 14.April 1988, GZ 2 C 2016/87-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 4.7.1964 vor dem Standesamt Wilhelmsburg die beiderseits erste Ehe, der die schon volljährige Tochter Elisabeth und die am 19.8.1976 geborene Andrea entstammen. Mit der am 30.10.1987 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Scheidung der Ehe gemäß § 55 Abs.1 EheG und brachte darin vor, die Ehe sei unheilbar zerrüttet, die Streitteile lebten bereits mehr als drei Jahre getrennt. Gründe, die den Beklagten berechtigten, der Scheidung zu widersprechen, lägen nicht vor.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Scheidungsbegehrens und wendete ein, die Ehe sei noch nicht derart tiefgreifend zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden könne. Überdies sei die Zerrüttung der Ehe allein oder zumindest überwiegend durch die Klägerin verschuldet worden. Die Scheidung treffe den Beklagten außerdem wesentlich härter als die Klägerin. Diese unterhalte nämlich schon seit 1984 ehebrecherische Beziehungen zu Manfred K***; dies sei der einzige Zerrüttungsgrund. Die Scheidung stelle für den Beklagten deshalb eine unbillige Härte dar, weil die Ehe schon mehr als 23 Jahre bestanden habe, der Ehe zwei Kinder entstammten und außerdem gemeinsame Liegenschaften vorhanden seien, für die der Beklagte viel Geld und Arbeit aufgewendet habe. Das Erstgericht schied die Ehe gemäß § 55 Abs.1 EheG und sprach aus, daß die Klägerin die Zerrüttung überwiegend verschuldet habe.

Es stellte fest:

Die häusliche Gemeinschaft der Streitteile ist seit Jänner 1985, also schon seit mehr als drei Jahren, aufgehoben. Die Streitteile hatten sich schon nach den ersten drei Ehejahren weitgehend auseinandergelebt. Es kam immer wieder zu grundlosen Eifersuchtsszenen sowie gegenseitigen Beschimpfungen, Drohungen und Handgreiflichkeiten, an denen die Streitteile gleichermaßen beteiligt waren. Sie hatten auch längere Zeiträume hindurch miteinander keine Gesprächsbasis und verbrachten dann die Freizeit allein.

Im März 1984 zog die Klägerin aus dem gemeinsamen Schlafzimmer aus, im Oktober 1984 auch aus der Ehewohnung. Dabei nahm sie die mj. Andrea mit, die seither von ihr betreut wird. Im Jänner 1985 lernte die Klägerin auf einem Schiurlaub Manfred K*** kennen, mit dem sie von da an bis zum Jänner 1987 ehebrecherische Beziehungen unterhielt.

Die Ehe ist vor allem durch diese Beziehung, aber auch durch das beiderseitige Verhalten zuvor tief und unheilbar zerrüttet. Die Klägerin lehnt die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft unter allen Umständen ab.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht die unheilbare Zerrüttung und nahm an, daß die häusliche Gemeinschaft sei drei Jahren aufgehoben sei. Die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft sei wegen der ernstlichen und endgültigen Weigerung der Klägerin nicht zu erwarten. Im § 55 Abs.2 EheG genannte Gründe, die dem Scheidungsbegehren entgegenstünden, seien nicht erkennbar. Für die mj. Andrea, die schon seit Jahren nicht mehr mit dem Vater in häuslicher Gemeinschaft zusammenlebe, wäre es nicht von Vorteil, würde man ihr eine solche gegen den Willen der Mutter aufzwingen. Außerdem wäre es auch unwahrscheinlich, daß es bei Abweisung des Scheidungsbegehrens zu einer Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zwischen den Streitteilen und zu einem geordneten Familienleben käme. Tatsachen, denen zufolge die Vermögensauseinandersetzung gerade jetzt für den Beklagten eine besondere Härte darstellte, seien gar nicht vorgebracht worden.

Das Gericht zweiter Instanz änderte das erstgerichtliche Urteil lediglich im Verschuldensausspruch dahin ab, daß die Klägerin an der Zerrüttung der Ehe das Alleinverschulden treffe. Es führte aus, daß die häusliche und eheliche Gemeinschaft seit mehr als drei Jahren aufgehoben sei, werde vom Beklagten nicht bestritten. Er behaupte lediglich, das Erstgericht hätte zum Ergebnis gelangen müssen, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft zu erwarten sei. Eine solche sei aber nicht zu gewärtigen. Das ergebe sich schon aus der unzweideutigen Haltung der Klägerin, der jeder Wille zur Fortsetzung der Ehe mit dem Beklagten fehle. Eine Änderung dieser Haltung sei nicht zu erwarten. Der Sinn der Härteklausel des § 55 Abs.2 EheG liege darin, daß der schuldlose Ehegatte nicht plötzlich mit der vollen Härte der Scheidung konfrontiert werden solle, sondern ihm in Ausnahmefällen eine Anpassungsfrist gewährt werden könne. Grundsätzlich sei die Ehe bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs.1 EheG jedoch zu scheiden. Das Verschulden der klagenden Partei sei Voraussetzung für die Zulässigkeit des Widerspruches der beklagten Partei gemäß § 55 Abs.2 EheG, es könne daher in der Regel nicht noch zusätzlich für die Härteabwägung nach dieser Gesetzesstelle herangezogen werden. Die vom Beklagten ins Treffen geführten Umstände würden den Anforderungen des § 55 Abs.2 EheG nicht gerecht. Die Dauer der Ehe spiele schon deshalb kaum eine Rolle, weil es Probleme zwischen den Streitteilen schon seit vielen Jahren gegeben habe. Die mj. Andrea habe gemeinsam mit ihrer Mutter die frühere Ehewohnung verlassen, so daß die Trennung vom Vater tatsächlich schon vollzogen sei. Ein gemeinsamer Liegnschaftsbesitz sei bei Scheidungen nichts Außergewöhnliches. Über die vermögensrechtliche Auseinandersetzung sei gemäß den §§ 81 ff EheG zu entscheiden, sofern die Parteien keine Einigung erzielen sollten. Da nur ganz besonders schwerwiegende Gründe den Widerspruch gegen die Scheidung rechtfertigten und konkrete Umstände vorliegen müßten, aus welchen im Einzelfall eine besondere Härte für den die Scheidung ablehnenden Ehegatten abgeleitet werden könne, solche Gründe dem Vorbringen des Beklagten jedoch nicht zu entnehmen seien, sei das Recht der Klägerin, die Scheidung zu begehren, trotz des Widerspruches des Beklagten zu bejahen. Berechtigt sei lediglich die Bekämpfung des Verschuldensausspruches. Das Mitverschulden des Beklagten könne lediglich dahin erblickt werden, daß es in der Ehe schon bald zu grundlosen Eifersuchtsszenen, gegenseitigen Beschimpfungen, Drohungen und Handgreiflichkeiten gekommen sei. Stelle man diesen gemeinsamen Eheverfehlungen jedoch jene Verfehlungen, die nur der Klägerin zur Last lägen, insbesondere das Verlassen der Ehewohnung und den fortgesetzten Ehebruch mit Manfred K***, gegenüber, so trete das Fehlverhalten des Beklagten derart in den Hintergrund, daß es bei der Verschuldensabwägung vernachlässigt werden könne. Die vom Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die von ihm geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichshof geprüft hat, nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Im übrigen behauptet der Beklagte zwar, entgegen der Ansicht der Vorinstanzen könne die Wiederherstellung einer dem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft erwartet werden, doch läßt er jedwedes Argument, das eine solche Prognose rechtfertigte, vermissen. Es kann kein Zweifel bestehen, daß die Ehe der Streitteile, nachdem die Klägerin vor mehr als drei Jahren aus der Ehewohnung ausgezogen ist, jahrelang ehebrecherische Beziehungen unterhalten hat und vor dem Erstgericht in unzweideutiger Weise zum Ausdruck brachte, daß sie die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft unter allen Umständen verweigern würde, unheilbar zerrüttet ist, so daß schon deshalb die vom Beklagten angestrebte Prognose ausgeschlossen erscheint (vgl. Pichler in Rummel, ABGB, § 55 EheG Rz 4).

Aber auch den Ausführungen zur Härteabwägung im Sinne des § 55 Abs.2 EheG kommt keinerlei Berechtigung zu. Der Beklagte wendet sich lediglich gegen die Darlegung des Berufungsgerichtes, schon den Behauptungen des Beklagten in erster Instanz könnten keine Umstände entnommen werden, die dessen auf die Härteklausel gestützten Widerspruch gegen die Scheidung rechtfertigten. Grundsätzlich ist die Ehe bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55 Abs.1 EheG zu scheiden (SZ 52/29 ua). Die Bestimmung des § 55 Abs.3 EheG läßt erkennen, daß selbst die größte Härte für einen der Ehegatten nicht zu dauernder Verweigerung der Scheidung führen kann. Demnach können nur besonders schwerwiegende Umstände den Widerspruch gegen die Scheidung rechtfertigten (EvBl.1981/10 uva). Die Abweisung des Scheidungsbegehrens aus diesem Grunde setzt konkrete Umstände voraus, von welchen im Einzelfall darauf geschlossen werden kann, daß die Scheidung den widersprechenden Ehegatten im Vergleich zum Regelfall besonders hart treffen würde. Dies trifft auf alle vom Beklagten zur Härteabwägung ins Treffen geführten Umstände nicht zu:

Zutreffend führte das Berufungsgericht aus, daß die Dauer der Ehe schon deshalb kein gewichtiges Argument für die Fortsetzung der Ehe darstellt, weil es zwischen den Streitteilen schon bald nach der Eheschließung zu regelmäßigen Auseinandersetzungen gekommen war. Daß der Ehe entstammende Kinder durch die Scheidung besonders hart getroffen werden, entspricht dem Regelfall. Dies kann vom Beklagten umsoweniger ins Treffen geführt werden, als die mj. Andrea schon seit mehreren Jahren von ihm faktisch getrennt lebt. Auch der gemeinsame Liegenschaftsbesitz rechtfertigt nicht die Abweisung des Scheidungsbegehrens. Umstände, die es dem Beklagten besonders hart ankommen ließen, daß die vermögensrechtliche Auseinandersetzung in naher Zukunft zu erwarten ist, hat er nicht geltend gemacht. Die Verweigerung des Scheidungsbegehrens rechtfertigende besonders schwerwiegende Gründe hat demnach der Beklagte nicht behauptet, so daß weitere Feststellungen entbehrlich erscheinen.

Da die Vorinstanzen dem Scheidungsbegehren somit zu Recht stattgegeben haben, war der Revision des Beklagten ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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