OGH 6Ob664/94

OGH6Ob664/946.4.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Walter M*****, vertreten durch Dr.Günther Stanonik, Dr.Christian Egger, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen Wiederherstellung (Streitwert S 1,000.000), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30. September 1994, AZ 16 R 182/94(ON 15), womit der Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25.Mai 1994, GZ 25 Cg 6/94-11, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionsrekursbeantwortung wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger ist Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** KG *****. Unter dieser Liegenschaft befinden sich Teile des sogenannten "Grill-Stollens, der im Jahr 1944 im Auftrag und auf Rechnung der Organisation Todt von der in der Rüstungsindustrie tätigen Eugen Grill Werke GesmbH errichtet wurde.

Der Kläger begehrt von der beklagten Republik, den Zustand der Liegenschaft vor Errichtung des Grill-Stollens in der Form wieder herzustellen, daß sie den Stollen so weit und in dem Umfange sich dieser unterhalb der Liegenschaft des Klägers befinde, durch Zuschütten "entferne".

Der Kläger brachte im wesentlichen vor, Rechtsvorschriften, die möglicherweise Grundlage für die Errichtung der Stollenanlage gewesen seien, seien jedenfalls mit Ende des Zweiten Weltkrieges erloschen. Ein privatrechtlicher Nutzungsvertrag mit den Eigentümern sei ebensowenig geschlossen worden wie eine Enteignung erfolgt sei. Der Oberste Gerichtshof sei hinsichtlich der Stollenanlage zu dem Ergebnis gelangt, daß diese ein Superädifikat darstelle und das Eigentum dann im Wege der Rechtsnachfolge 1955 vom Deutschen Reich auf die beklagte Republik Österreich übergegangen sei. Der Beklagten stünden keinerlei Nutzungsrechte an der Liegenschaft, insbesondere am Stollen zu. Es bestehe Einsturzgefahr, der Kläger habe ein vehementes Interesse an der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes.

Die beklagte Partei wandte in der Klagebeantwortung unter anderem das Fehlen der inländischen Gerichtsbarkeit, die Unzulässigkeit des Rechtsweges sowie die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichtes ein. In der Folge fanden am 7.3.1994 und 25.5.1994 zwei Streitverhandlungen statt, in denen über die Prozeßeinreden in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt wurde. In der Streitverhandlung vom 25.5.1994 beantragte der Kläger unter Hinweis auf § 261 Abs 6 ZPO die Überweisung der Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Salzburg. Mit dem in dieser Streitverhandlung verkündeten Beschluß erklärte sich das angerufene Landesgericht für ZRS Wien für unzuständig und überwies die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht Salzburg. In dem über Antrag der beklagten Partei ausgefertigten Beschluß wies das Erstgericht in der Begründung darauf hin, daß der Kläger sein Begehren "auf das Superädifikat", somit auf einen der inländischen Gerichtsbarkeit und dem ordentlichen Rechtsweg zugänglichen Rechtsgrund stütze, die weitere Frage, ob dies auch auf das übrige Klagsvorbringen zutreffe, sei daher nicht mehr zu prüfen, jedenfalls könne die Klage nicht a limine zurückgewiesen werden, dem Überweisungsantrag des Kläges sei daher stattzugeben.

Das Rekursgericht wies den gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs der beklagten Partei zurück.

Im Hinblick auf die Ausführungen des Erstgerichtes in der Begründung seiner Entscheidung sei davon auszugehen, daß dieses sich mit den Einreden des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit und der Unzulässigkeit des Rechtsweges, wenn auch nur in der Begründung, befaßt und die Berechtigung dieser Einreden verneint habe. Diese Entscheidung entfalte im Falle ihrer Rechtskraft Bindungswirkung im Sinne des § 42 Abs 3 JN. Die Entscheidung könne aber, wie sich aus § 261 Abs 1 und 3 ZPO ergebe, nicht selbständig angefochten werden, weil über die Prozeßeinreden nicht abgesondert, sondern in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt worden sei. Ein die Prozeßeinrede verwerfender Beschluß werde nicht dadurch abgesondert anfechtbar, daß er entgegen § 261 Abs 1 oder Abs 2 ZPO besonders ausgefertigt und zugestellt worden sei. Es bleibe bei der Anfechtungsmöglichkeit nur mit dem in der Hauptsache offenstehenden Rechtsmittel.

Entscheidungen aber, mit denen Überweisungsanträgen des Klägers stattgegeben werde, seien gemäß § 261 Abs 6 ZPO grundsätzlich unanfechtbar, sofern nicht eine ausdrücklich gegen diese Bestimmung verstoßende Überweisung ausgesprochen worden sei. Dies treffe hier nicht zu. Der Rechtsmittelausschluß sei vom geltend gemachten Anfechtungsgrund unabhängig. Der erhobene Rekurs sei daher in jeder Hinsicht unzulässig.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil es an einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu der Frage fehle, ob die Verwerfung einer Prozeßeinrede, über die in Verbindung mit der Hauptsache verhandelt worden sei, auch dann nur mit dem Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Hauptsache angefochten werden könne, wenn, wie hier, infolge Überweisung der Rechtssache an ein anderes Gericht zur Entscheidung über das Rechtsmittel in der Hauptsache ein anderes Rechtsmittelgericht berufen sei als das für die Prozeßeinrede verwerfende Gericht zuständige. Überdies sei die Rechtsprechung zur Frage der Bindungswirkung der Verneinung eines Prozeßhindernisses nur in den Entscheidungsgründen uneinheitlich.

Rechtliche Beurteilung

Dem Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu.

Der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit und die Unzulässigkeit des Rechtsweges sind in jeder Lage des Verfahrens bis zur Rechtskraft der Entscheidung von Amts wegen oder auf Antrag wahrzunehmen. Die Wahrnehmung des Mangels ist nicht mehr möglich, wenn bereits eine bindende Gerichtsentscheidung über diese Voraussetzungen erfolgt ist. Im Gegensatz zu Fasching (Kommentar I 271, 273 und LB2 Rz 735), der eine ausdrückliche Entscheidung im Spruch fordert, bejaht die jüngere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die Bindung bereits dann, wenn sich ein Gericht nur in den Entscheidungsgründen mit dem Vorliegen der Prozeßvoraussetzungen auseinandergesetzt hat (SZ 54/190 RZ 1988/61, SZ 63/128 ua). Der erkennende Senat teilt diese Rechtsmeinung.

Nach den in § 261 Abs 1 bis 6 ZPO aufgestellten Grundsätzen berechtigt die Erhebung einer Prozeßeinrede die Partei nicht, deshalb die Einlassung in die Verhandlung zur Hauptsache zu verweigern. Es ist nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes vielmehr in das Ermessen des Erstrichters gestellt, ob er durch abgesonderte Verhandlung und Entscheidung über die Prozeßeinrede vorweg eine rechtskräftige Klärung herbeiführen oder, etwa weil er die Einrede nicht für stichhältig erachtet oder weitere Beweisaufnahmen erforderlich sind, darüber in Verbindung mit der Hauptsache verhandeln will. Wird der Beschluß entgegen § 261 Abs 1 oder Abs 2 ZPO unzulässig ausgefertigt und zugestellt, so wird er dadurch trotzdem nicht abgesondert anfechtbar (Rechberger in Rechberger ZPO Rz 4 zu § 261 mwN). An dieser Rechtslage vermag sich auch nichts zu ändern, wenn der unzulässig ausgefertigte Beschluß nicht von jenem Gericht gefaßt wird, das in der Folge nicht auch in der Hauptsache zu entscheiden hat, weil die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an ein anderes nicht offenbar unzuständiges Gericht überwiesen wird. Die Überweisung bezweckt die Kontinuität des einmal eingeleiteten Rechtsstreites, das Verfahren bildet eine Einheit und die bisherigen Verfahrensergebnisse und Prozeßakte sind zu verwerten. Befristete, beim zunächst angerufenen Gericht versäumte Einreden können nicht nachgeholt werden. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei, sie könne die (in den Entscheidungsgründen) getroffene Verwerfung ihrer Einrede wegen der eingetretenen Bindungswirkung nicht mehr bekämpfen, tritt die Bindungswirkung erst mit der Rechtskraft der Entscheidung - also der Bestätigung durch die zweite Instanz - ein, die Entscheidung des Erstgerichtes ist nur nicht abgesondert anfechtbar, kann aber von der beklagten Partei mit dem gegen die Entscheidung in der Hauptsache offenstehenden Rechtsmittel selbstverständlich angefochten werden.

Das Rekursgericht hätte eine allfällige Nichtigkeit wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges auch nicht wahrnehmen können, weil eine solche nur anläßlich eines zulässigen Rechtsmittels aufgegriffen werden kann. Ein Rechtsmittel gegen die in den Entscheidungsgründen enthaltene Verwerfung der Prozeßeinrede war aber, wie ausgeführt ebensowenig zulässig, wie der Rekurs gegen den Überweisungsbeschluß. Ein solcher kann ausnahmsweise nur bei so gravierenden Verstößen, die mit dem Rechtsmittelausschluß unvereinbar wären, als zulässig erachtet werden. Dies trifft aber nicht schon dann zu, wenn im Überweisungsbeschluß, der ja durch die von der beklagten Partei erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit ausgelöst wurde, jener Zuständigkeitstatbestand nicht angeführt wird, der zur Überweisung an das vom Kläger beantragte Gericht führt, denn die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichtes, an das überwiesen wird, bildet keine Voraussetzung für den Rechtsmittelausschluß des § 261 Abs 6 ZPO. Dies träfe selbst für den Fall zu, daß das zweite Gericht offenbar unzuständig wäre. Es genügt, daß das Erstgericht das andere vertretbarerweise für nicht offenbar unzuständig "erachtet" (6 Ob 655/86).

Die Zurückweisung des unzulässigen Rekurses durch das Rekursgericht erfolgte daher zu Recht.

Die Revisionsrekursbeantwortung war zurückzuweisen, weil die vierwöchige Rekursfrist im § 521 ZPO und die Zweiseitigkeit des Rekurses gemäß § 521a ZPO nur bei Zurückweisung der Klage, also bei Bejahung eines Prozeßhindernisses, nicht aber für den Fall eines (abgesondert) unzulässigen Rekurses gegen eine dessen Vorliegen verneinende Entscheidung, die zur Verfahrensfortsetzung führt, normiert ist.

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