Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.117,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer und S 720,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der im Jahre 1941 geborene Kläger und die im Jahre 1937 geborene Beklagte haben im Juni 1966 vor dem Standesamt Wien-Floridsdorf die Ehe geschlossen, die beiderseits die erste Ehe war. Der Ehe entstammt der am 16.4.1967 geborene Sohn Johann. Der Kläger ist österreichischer Staatsbürger, die Beklagte besitzt die österreichische und die niederländische Staatsbürgerschaft. Der letzte gemeinsame, gewöhnliche Aufenthalt war Wien. Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe nach § 49 EheG aus dem Alleinverschulden der Beklagten und brachte vor: Die Beklagte habe am 9.10.1980 ohne seine Einwilligung die Ehewohnung verlassen und sei mit dem Sohn nach Holland gereist. Dort habe sie zwar allein gewohnt, sei aber in der Folge mit Rob B eine Lebensgemeinschaft eingegangen. Als der Kläger zu Pfingsten 1980 nach Holland gereist sei, hätten die Streitteile über Wunsch der Beklagten, die ihre Pensionsansprüche nicht habe verlieren wollen, vereinbart, die Ehe bei getrennten Wohnsitzen aufrecht zu erhalten. Die Beklagte sei jedoch am 2.9.1980 nach Wien zurückgekehrt und habe sich in der Folge geweigert, die Ehewohnung zu verlassen und in eine andere Wohnung umzuziehen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, bestritt die behaupteten Eheverfehlungen und beantragte für den Fall der Stattgebung der Klage den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers. Sie brachte vor, der Kläger habe sich seit 1978 immer mehr von ihr abgewendet und grundlos Streit begonnen. Er habe ihr auch Vorwürfe gemacht, mit ihr nicht sexuell verkehren zu können, und seine Absicht bekundet, Beziehungen zu anderen Frauen aufzunehmen. Die Beklagte sei aber wegen einer Lumbalgie nicht in der Lage gewesen, geschlechtlich zu verkehren. Durch das unleidige Verhalten des Klägers habe die Beklagte an Depressionen gelitten und dem Kläger den Vorschlag gemacht, für einige Zeit in ihre Heimat zurückzukehren, womit er einverstanden gewesen sei. Der Kläger sei auch damit einverstanden gewesen, daß sie den Sohn mitnehme. Nach einigen Wochen habe die Beklagte wiederholt telefonisch ersucht, nach Wien zurückkehren zu können, der Kläger habe ihre Rückkehr aber nicht gewünscht. Zu Pfingsten 1980 habe der Kläger erstmals vor ihren Familienangehörigen seine Scheidungsabsicht bekundet. Anfang Dezember 1980 sei die Beklagte aus eigenem in die Ehewohnung zurückgekehrt, wo auch die ehelichen Beziehungen wieder aufgenommen worden seien. Erst nach einigen Tagen habe die Beklagte bemerken müssen, daß der Kläger an einer ernsthaften Fortsetzung der Ehe nicht interessiert sei, weil er eine Wohnung gemietet habe und sie zu einem Umzug aus der Ehewohnung in diese Wohnung habe drängen wollen. Der Kläger habe im Jahre 1981 mit Waltraud C in Lebensgemeinschaft gelebt. Er habe der Beklagten, welche über keinerlei eigenes Einkommen verfüge, keinen Unterhalt geleistet, sodaß sie zur Klagsführung genötigt gewesen sei. Der Kläger habe die Beklagte auch wiederholt geschlagen und mit dem Umbringen bedroht, einmal habe sie in einem Frauenhaus übernachten müssen. Am 14.3.1981 hätten Wohnungsnachbarn sogar die Intervention der Polizei veranlassen müssen. Wegen dieser Vorkommnisse sei der Beklagten der abgesonderte Wohnort in der Form bewilligt worden, daß dem Kläger verboten worden sei, die Ehewohnung zu betreten.
Das Erstgericht hat die Ehe der Streitteile geschieden und ausgesprochen, das Verschulden träfe beide Teile. Es traf folgende Feststellungen:
Die Ehe der Streitteile war bis 1977 oder 1978 in Ordnung. Ab diesem Zeitpunkt begann der Kläger mit der Beklagten manchmal grundlos Streitigkeiten. Da die Beklagte an Lumbalgie litt, war sie ab 1977 oder 1978 nicht immer bereit, mit dem Kläger geschlechtlich zu verkehren, wenn der Kläger dies wollte. 1978 machte der Kläger eine Dienstreise in die Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger lernte bei einem Abendessen eine Frau mit dem Vornamen Renate kennen, mit welcher er - er war durch Alkoholgenuß betrunken - nach diesem Abendessen sexuellen Kontakt aufnahm. Als die Beklagte einen Brief dieser Frau - geschrieben am 3.10.1978 - fand, stellte sie den Kläger deswegen zur Rede. Der Kläger erklärte der Beklagten diesen Vorfall, worauf die Beklagte dem Kläger vorschlug, über diese Angelegenheit nicht mehr zu sprechen. Als sich die Beklagte im Sommer 1978 in den Niederlanden aufhielt, nahm sie zu ihrem 1935 geborenen Jugendfreund Rob B sexuelle Beziehungen auf. Sie teilte dies dem Kläger im Herbst 1978 mit. Der Kläger war mit den sexuellen Beziehungen der Beklagten zu Rob B nicht einverstanden, verzieh ihr dieses Verhalten jedoch. Der letzte Geschlechtsverkehr zwischen den Streitteilen fand im Herbst 1979 an dem Wochenende vor dem 9.10.1979 statt. Im Herbst 1979 beschloß die Beklagte, mit ihrem Sohn Johann nach Holland zu fliegen. Sie teilte dem Kläger damals nicht mit, daß sie nach Holland fliegen werde, und flog am 9.10.1979 ohne Einwilligung des Klägers nach Holland. Sie rief den Kläger an diesem Tag von Holland aus an und teilte ihm mit, daß sie ihn verlassen habe. Erst durch diesen Anruf erfuhr der Kläger, daß sich die Beklagte in Holland aufhalte. Die Beklagte wohnte zunächst bis Anfang November 1980 bei ihrer Schwester. Anschließend wohnte sie mit ihrem Sohn in einem Untermietzimmer in Den Haag. Ab Ende Februar 1980 wohnte die Beklagte mit ihrem Sohn bei ihrem Jugendfreund Rob B zumindest bis Ostern 1980 in Lebensgemeinschaft. Bis Weihnachten 1979 rief die Beklagte den Kläger höchstens dreimal in Wien an. Dabei erklärte sie, daß sie nicht nach Wien zurückkehren wolle. Zu Weihnachten 1979 fuhr der Kläger nach Holland und traf dort mit der Beklagten zusammen. Sie sagte dem Kläger, daß sie zu Rob B übersiedeln werde, und übergab dem Kläger einen Brief desselben vom 15.12.1979. In diesem führte Rob B insbesondere aus, daß Nelli (die Beklagte) mit ihm einen Tag nach dem Anruf des Klägers Kontakt aufgenommen habe und er dem Kläger verspreche, zu dem Sohn der Streitteile namens Hans gut zu sein. Die Beklagte erklärte dem Kläger bei dieser Besprechung auch, daß sie mit Rob B ein sexuelles Verhältnis habe, zu ihm übersiedeln und mit ihm leben werde. Der Kläger mußte daher ohne die Beklagte und ohne den Sohn nach Wien zurückkehren. In der Zeit, in der die Beklagte mit dem Sohn Johann bei Rob B wohnte, kochte sie auch für diesen. Die Beklagte verkehrte geschlechtlich mit Rob B. Zu Ostern 1980 kam der Sohn der Streitteile für die Osterferien nach Wien zum Kläger. Am Tage bevor er nach Holland hätte zurückkehren sollen, rief die Beklagte die Mutter des Klägers an, und bat sie, den Buben zu behalten, weil sie, die Beklagte, ihn unter gar keinen Umständen nehmen könne. Der Sohn der Streitteile blieb daraufhin beim Kläger in Wien. Zu Pfingsten 1980 fuhr der Kläger mit dem Sohn nach Holland. Der Kläger traf bei seiner Schwiegermutter mit der damals dort wohnenden Beklagten zusammen.
Die Beklagte ersuchte den Kläger, daß er sich von ihr nicht scheiden
lassen solle, weil sie nach einer Scheidung keine Pension erhalten
würde, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Der Kläger war mit dem
damaligen Vorschlag der Beklagten unter der Bedingung einverstanden,
daß die Beklagte weiterhin in Holland und der Sohn der Streitteile
beim Kläger bleibe. In einem Schreiben vom 19.6.1980 stellte Rob
B an den Kläger die Frage, ob er die Beklagte wieder
zurücknehmen wolle. Rob B führte in diesem Schreiben aus, daß
er die Beklagte nicht mehr glücklich machen könne. Er hielt in dem
Schreiben fest: "Vergib ihr und vergib mir. Ich bitte Sie inständig
darum ... und was den sexuellen Kontakt betrifft: Sie werden damit
keine Probleme mehr haben. Ich habe sie gelehrt, Sie zu lieben.
Trotz ihres sexuellen Gebrechens kann sie Sie dennoch befriedigen.
Sie müssen verstehen, daß es auf Grund ihres Rückens manchmal
schwierig für sie ist ... Ich liebe Nelli so sehr, daß wenn Nelli
mit Ihnen glücklich ist, dann bin ich auch glücklich." In einem Telefongespräch Ende August 1980 erklärte die Beklagte dem Kläger, sie werde Anfang September 1980 nach Wien zurückkommen. Obwohl ihr der Kläger sagte, sie solle nicht zu dieser Zeit nach Wien kommen, zu welcher der Sohn Nachprüfungen haben werde, kam die Beklagte Anfang September 1980 nach Wien zurück. Der Kläger machte ihr den Vorschlag, sie solle sich eine eigene Wohnung suchen. In der Folge mietete der Kläger mit Mietvertrag vom 5.9.1980 eine Wohnung in Wien 18., Paulinengasse 22, damit die Beklagte diese Wohnung beziehe. Im Mietvertrag wurde festgehalten, daß diese Wohnung nur an die Beklagte zur Benützung weitergegeben weden dürfe. Die Beklagte war beim Abschluß dieses Mietvertrages anwesend. Sie besichtigte die Wohnung zusammen mit dem Kläger, erklärte in der Folge aber, daß sie nicht in diese Wohnung einziehen werde, sondern in der Ehewohnung bleiben wolle. Nach ihrer Rückkehr in die eheliche Wohnung Anfang September führte sie für den Kläger nicht den ehelichen Haushalt. Der Kläger verlangte dies auch nicht. Er nahm nach der Rückkehr der Beklagten mit dieser keinen sexuellen Kontakt auf. Am 13.9.1980 schlug der Kläger die Beklagte auf den Kopf und auf die Schulter.
Außerdem sagte der Kläger zur Beklagten: "Geh weg, sonst bring' ich Dich um". Anfangs Jänner 1981 schlug der Kläger die Beklagte wieder auf den Kopf. Am 14.3.1981 schlug der Kläger die Beklagte auf den Kopf und auf die Arme. Nach der Rückkehr der Beklagten nach Wien im September 1980 war der Kläger zunächst damit einverstanden, daß die Beklagte aus einer in der Küche befindlichen Geldtasche Geld nehme, damit sie für den Sohn der Streitteile kochen könne. Einige Zeit später erhielt die Beklagte vom Kläger wöchentlich S 1.000,--. Im November 1980 brachte die Beklagte gegen den Kläger zu 2 C 23/80 des Bezirksgerichtes Döbling eine Klage wegen Bezahlung des gesetzlichen Unterhaltes ein. Mit der in Rechtskraft erwachsenen einstweiligen Verfügung des Bezirksgerichtes Döbling vom 25.11.1981 wurde dem Kläger aufgetragen, der Beklagten ab 6.11.1980 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in der Höhe von S 8.638,-- zu leisten. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 30.10.1981 wurde eine einstweilige Verfügung erlassen, wonach dem Kläger das Verlassen der Ehewohnung aufgetragen und ihm verboten wurde, diese Wohnung wieder zu betreten. Nach seinem Auszug aus der Ehewohnung wohnte der Kläger von Ende August 1981 bis April oder Mai 1982 in der Wohnung der Waltraud C, mit welcher er in dieser Zeit ehewidrige Beziehungen unterhielt. Der Kläger hat der Beklagten die Eheverfehlungen, welche sie ab Oktober 1979 mit Rob B beging, nicht verziehen. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Beklagte habe dadurch, daß sie ohne Einwilligung die Ehewohnung verlassen habe und mit dem Sohn nach Holland geflogen sei, wo sie von Ende Februar 1980 bis Ostern 1980 mit Rob B in Lebensgemeinschaft gelebt habe, schuldhaft schwere Eheverfehlungen begangen, wodurch die Ehe der Streitteile unheilbar zerrüttet worden sei. Dem Kläger seien seine ehewidrigen Beziehungen zu Waltraud C, die körperlichen Tätlichkeiten gegenüber der Beklagten am 13.9.1980, im Jänner 1981 und am 14.3.1981 sowie die Äußerung vom 13.9.1980 "Geh weg, sonst bring' ich Dich um" als schwere Eheverfehlungen vorzuwerfen. Eine Unterhaltsverletzung liege allerdings nicht vor. Bei Berücksichtigung des Umstandes, daß der Kläger ab 1977 oder 1978 manchmal grundlos Streitigkeiten mit der Beklagten begonnen habe, wiege keines der beiderseitigen Verschulden schwerer.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht, jener des Klägers teilweise Folge und änderte den Schuldausspruch dahin ab, daß das Verschulden der Beklagten überwiegt. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht aus:
Es könne keine Rede davon sein, daß der Auszug der Beklagten aus der Ehewohnung am 9.10.1979 zu entschuldigen sei und keine Eheverfehlung darstelle. Was die Verletzung der Unterhaltspflicht durch den Kläger beträfe, gingen die Ausführungen zur Rechtsrüge zunächst nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sondern zitierten eine Passage aus einem nicht rechtskräftigen Unterhaltsprozeß der Streitteile vor dem Bezirksgericht Döbling. Wenn die Berufungswerberin in der Folge meine, daß allein ihre Rückkehr in die Ehewohnung im September 1980 sie berechtige, einen Unterhalt zu begehren, sei ihr entgegenzuhalten, daß sie durch die festgestellte Lebensgemeinschaft mit Rob B ihren Unterhaltsanpsruch verwirkt habe, weshalb der Kläger auch keine Unterhaltsverletzung begangen haben könne. Nur eine Verzeihung des Klägers durch Wiederaufnahme der Ehegemeinschaft mit der Beklagten hätte erneut ihren Unterhaltsanspruch begründet. Gerade dieser Behauptung der Beklagten sei aber das Erstgericht nicht gefolgt. Der Kläger bringe zu Recht vor, daß das Erstgericht festgestellt habe, die Ehe der Streitteile sei durch die Lebensgemeinschaft der Beklagten zerrüttet worden. Sei die Ehe durch das Verhalten der Beklagten aber bereits zerrüttet gewesen, so träten die nachfolgenden Eheverfehlungen des Klägers erheblich in den Hintergrund, auch wenn die Harmonie der Ehe der Streitteile durch die vom Kläger begonnenen Streitigkeiten mit der Beklagten gestört worden sei. Das festgestellte Verhalten der Beklagten stelle im Vergleich zu dem des Klägers auch einen sehr unterschiedlichen Grad des Verschuldens dar, sodaß es erheblich schwerer wiege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Ausführungen zur Würdigung der Zeugenentschlagung durch den Sohn der Parteien unter dem Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung betreffen in Wahrheit weder einen Verfahrensmangel noch eine unrichtige rechtliche Beurteilung. Sie stellen vielmehr den unzulässigen Versuch dar, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen zu bekämpfen.
Soweit die Beklagte die Auffassung des Berufungsgerichtes, das Erstgericht habe eine Feststellung über die Wegnahme der Wohnungsschlüssel zu Recht nicht getroffen, weil die Beklagte dies in erster Instanz nicht vorgebracht habe, als Verfahrensmangel bekämpft, ist dies schon deshalb verfehlt, weil hier bereits das Bundesgesetz vom 11. November 1983 über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechtes, BGBl. Nr. 566, anzuwenden ist, wonach im Verfahren wegen Ehescheidung der Untersuchungsgrundsatz nicht gilt. Es fehlt daher die Grundlage für eine Ausnahme von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl. 1972, 569; SZ 41/8; JBl. 1976, 370 ua), daß angebliche Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht als solche nicht anerkannt worden sind, nicht mehr gemäß § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO geltend gemacht werden können. In nicht vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verfahren kann es auch nicht als Feststellungsmangel angesehen werden, wenn eine mögliche überschießende Feststellung nicht getroffen wurde.
In ihren in der Rechtsrüge zur Frage der Zerrüttung der Ehe getätigten Ausführungen bestreitet die Beklagte letztlich nicht, daß im Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz eine unheilbare Zerrüttung der Ehe vorlag. Sie versucht vielmehr aufzuzeigen, daß einerseits die Ehe im Herbst 1980 zumindest auf seiten der Beklagten noch nicht zerrüttet gewesen sei und andererseits der Kläger mit der Zerrüttung der Ehe den Anfang gemacht, nach der Rückkehr der Beklagten nach Wien die bestehenden Bande zerstört und eine endgültige Aussöhnung verhindert habe, weil er gegenüber der Beklagten Tätlichkeiten begangen habe. In der Folge habe er auch vom Herbst 1981 bis Frühjahr 1982 in einem ehebrecherischen Verhältnis gelebt.
Der Beklagten ist diesbezüglich zu entgegnen, daß die Zerrüttung der Ehe schon dann gegeben ist, wenn die Grundlage der Ehe objektiv und wenigstens bei einem der Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat (vgl. Schwind, Klang-Kommentar 2 I/1, 764; derselbe, Eherecht 2 , 1, 202). Soweit in der Ausführung der Vorinstanzen, die Ehe sei durch das Verlassen der ehelichen Wohnung durch die Beklagte am 9.10.1979, durch die Lebensgemeinschaft mit Rob B und die geschlechtlichen Beziehungen mit diesem in der Zeit von Ende Feber 1980 bis Ostern 1980 bereits zerrüttet gewesen, auch die Feststellung der Zerrüttung der Ehe in subjektiver und damit tatsächlicher Hinsicht enthalten ist, kann diese in dritter Instanz nicht mehr bekämpft werden. Gegen die Auffassung der Vorinstanzen bestehen auch insoweit keine Bedenken, als sie das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit ihrem Aufenthalt in Holland rechtlich dahin beurteilten, daß dadurch objektiv die Ehe zerrüttet wurde. Dabei kommt es nicht darauf an, ob auf Grund der Feststellungen in diesem Verfahren davon gesprochen werden kann, daß zwischen der Beklagten und Rob B eine Lebensgemeinschaft im Sinne einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft bestanden hat, und ob die Beklagte nach Beendigung ihrer Beziehung zu Rob B zur Fortsetzung der Ehe bereit war. Die in diesem Verfahren festgestellten Verhaltensweisen der Beklagten (unberechtigtes Verlassen der Ehewohnung und telefonische Verständigung vom "Verlassen" am 9.10.1979, telefonische Mitteilung aus Holland, daß sie nicht mehr nach Wien zurückkehren wolle, Gespräch zu Weihnachten mit Übergabe eines Briefes Rob BS und Bekanntgabe, mit Rob B ein sexuelles Verhältnis zu haben, zu diesem zu übersiedeln und mit ihm leben zu wollen, Wohnen bei Rob B von Ende Feber 1980 bis Ostern 1980, Geschlechtsverkehr mit Rob B) stellen - wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben - schwere Eheverfehlungen dar, die zur Zerrüttung der Ehe geführt haben. Das festgestellte Verhalten des Klägers ab Pfingsten 1980 zeigt, daß schon ab Pfingsten 1980 objektiv nicht mehr damit zu rechnen war, daß eine dem Wesen der Ehe entsprechende Gemeinschaft wieder entstehen könnte.
Hinsichtlich der für die beiderseitige Abwägung des Verschuldens erheblichen Frage, ob dem Beklagten die Eheverfehlung der Verletzung der Unterhaltspflicht vorgeworfen werden könne, bekämpft die Beklagte die Auffassung der Vorinstanzen über die Verwirkung ihres Unterhaltsanspruches mit dem Hinweis auf die Entscheidung des Berufungsgerichtes im Unterhaltsverfahren zu 2 Cg 23/80 des Bezirksgerichtes Döbling. Das Berufungsgericht habe einen Rechtsmißbrauch der (hier) Beklagten im Sinne des § 94 Abs. 2 ABGB verneint. Diese Umstände müßten die mit der Scheidung der Ehe befaßten Gerichte berücksichtigen.
Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß im vorliegenden
Scheidungsverfahren selbständig Feststellungen zu treffen und
rechtlich zu beurteilen sind, weil eine Bindung an die Entscheidung
des Berufungsgerichtes schon mangels Rechtskraft derselben nicht
besteht. Auf Grund der oben wiedergegebenen Eheverfehlungen der
Beklagten muß die Geltendmachung eines Unterhaltsanspruches
zumindest ab ihrer Beziehung zu Rob B in der Zeit von Ende
Februar 1980 als rechtsmißbräuchlich im Sinne des § 94 Abs. 2 Satz 2
ABGB angesehen werden. Daß schon vorher eine Unterhaltsverletzung
durch den Kläger bestanden habe, hat die Beklagte gar nicht
behauptet. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann daher bei der
Abwägung des beiderseitigen Verschuldens eine Unterhaltsverletzung
des Klägers nicht berücksichtigt werden. Dasselbe muß auch schon
mangels diesbezüglicher Feststellung von der behaupteten
Schlüsselabnahme im Dezember 1979 gesagt werden. Da auch der
Auffassung der Beklagten nicht zugestimmt werden kann, die Ablehnung
der Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft durch den Kläger im
Jahre 1980 - gemeint offenbar nach der Rückkehr der Beklagten nach
Wien - stelle eine Eheverfehlung des Klägers dar, kann auch dieser
Umstand bei der Verschuldensabwägung nicht zu Lasten des Klägers
berücksichtigt werden. Die Beklagte weicht bei ihren übrigen
Ausführungen zur Frage der Verschuldensabwägung insoweit vom
festgestellten Sachverhalt ab, als sie berücksichtigt haben will,
daß ihre Abreise nach Holland auf die Streitigkeiten mit dem Kläger
zurückzuführen gewesen und ihr der Kläger nicht zu dem Zwecke der
Versöhnung nachgereist sei, sondern, um ihr die Schlüssel
wegzunehmen und ihr zu erklären, er wolle sich am liebsten scheiden
lassen und daß zu diesem Zeitpunkt von Rob B noch gar nicht die
Rede gewesen sei. Auf diese unbeachtlichen Ausführungen ist daher
nicht einzugehen. Legt man aber die festgestellten Tatsachen
zugrunde, so wiegen die Eheverfehlungen der Beklagten gegenüber den
dem Kläger anzulastenden Eheverfehlungen, mag es sich nun um die vor
dem Verlassen der Ehewohnung durch die Beklagte festgestellten vom
Kläger grundlos begonnenen Streitigkeiten handeln oder um die nach
der Rückkehr der Beklagten nach Wien begangenen Eheverfehlungen,
erheblich schwerer, zumal den nach der Rückkehr der Beklagten und
der zu diesem Zeitpunkt bereits gegebenen unheilbaren Zerrüttung
begangenen Eheverfehlungen des Klägers nicht mehr das Gewicht
beigemessen werden kann, das ihnen bei Begehung vor der unheilbaren
Zerrüttung zukäme (vgl. EFSlg. 31.711, 41.277 ua.). An dem
wesentlichen Unterschied des Verschuldens würde sich auch nichts
ändern, wenn man den verziehenen Ehebruch des Klägers im Jahre 1978
berücksichtigte, weil dann auch die verziehenen sexuellen
Beziehungen der Beklagten zu Rob B im Sommer 1978
berücksichtigt werden müßten.
Aus diesen Erwägungen war der Revision der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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