OGH 6Ob645/85

OGH6Ob645/854.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Petrag als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** G***

W*** FÜR B*** Gesellschaft mbH,

Hietzinger Kai 131, 1130 Wien, vertreten durch Dr. Arthur Brüller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Doris M***, Angestellte, Fischlstraße 17/3, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr. Anton Gradischnig, Dr. Peter Gradischnig und Dr. Gerhard Gradischnig, Rechtsanwälte in Villach, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 7.Juni 1985, GZ 1 R 220/85-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 14.März 1985, GZ 7 Cg 1236/84-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1. den

B e s c h l u ß

gefaßt:

Die Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, verworfen.

2. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.077,44 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 183,04 Umsatzsteuer und S 64,00 Barauslagen) und die mit S 2.387,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 192 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat mit Bernhard M*** am 27.Juli 1977 einen Mietvertrag über die gegenständliche Wohnung abgeschlossen. Mit rechtskräftigem Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 13.Juli 1984 wurde die zwischen Bernhard M*** und der Beklagten geschlossene Ehe im Einvernehmen geschieden. Anläßlich der Scheidung der Ehe vereinbarten die Ehegatten, daß alle Rechte an der bisherigen Ehewohnung mit Wirkung vom Tage der Rechtskraft der Scheidung auf die Beklagte übergehen sollten. Die Klägerin stimmte der Übertragung der Mietrechte nicht zu.

Die Klägerin begehrte, die Beklagte zur Räumung der Wohnung zu verpflichten. Sie brachte vor, es handle sich um eine Dienstwohnung im Sinne des § 88 EheG, die an Bernhard M*** zu einem wesentlich niedrigeren als dem ortsüblichen Mietzins vermietet worden sei. Diese Begünstigung sei laut Satzung der Klägerin nur Bundesbediensteten zuzuwenden. Da die Klägerin die zur Übertragung der Hauptmietrechte auf die Beklagte erforderliche Zustimmung nicht erteilt habe, benütze die Beklagte die Wohnung titellos. Die Beklagte wendete ein, daß es sich um keine Dienstwohnung handle.

Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden auch vom Berufungsgericht übernommenen wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Wohnung hat eine Nutzfläche von 77 m 2 . Der monatliche Hauptmietzins beträgt 10,29 S pro Quadratmeter. Hiebei verzichtet die Klägerin zur Erzielung tragbarer Wohnlasten vorbehaltlich des jederzeitigen Widerrufes auf 3 % der an sich vorgesehenen 4 %-igen Verzinsung der aufgewendeten Eigenmittel. Ohne diesen Verzicht würde sich ein Bruttohauptmietzins von 15,40 S pro Quadratmeter ergeben. Vornehmliche Aufgabe der Klägerin ist nach dem Gesellschaftsvertrag die Versorgung der Bundesbediensteten mit familiengerechten Wohnungen, insbesondere die Errichtung von Miet- und Eigentumswohnungen für diesen Personenkreis. Nach einer Richtlinie des Bundesministeriums für Finanzen an die für die Vergabe der B***-Wohnungen zuständigen Finanzlandesdirektionen dürfen derartige Wohnungen nur an aktive Bundesbedienstete vergeben werden. Die Vergabe einer B***-Wohnung an andere Personen kommt nur dann in Betracht, wenn kein Bundesbediensteter als Bewerber auftritt und in absehbarer Zeit keine derartige Bewerbung zu erwarten ist. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß keiner der drei im § 88 Abs 1 EheG taxativ aufgezählten Fälle gegeben sei, in denen die Zuweisung der Ehewohnung nur mit Zustimmung des Dienstgebers oder des für die Vergabe der Dienstwohnung zuständigen Rechtsträgers erfolgen könne. Insbesondere liege der Hauptmietzins von 10,29 S pro Quadratmeter Nutzfläche nicht wesentlich unter dem ortsüblichen Maß. Sei aber die gerichtliche Zuweisung ohne Zustimmung des Vermieters möglich, dann gelte gleiches auch für eine gemäß § 55 a Abs 2 EheG getroffene Vereinbarung zwischen den Ehegatten über die Ehewohnung. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in eine Klagestattgebung ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes der Berufungsentscheidung 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision zulässig sei. Rechtlich erwog das Berufungsgericht, daß die im § 87 Abs 2 EheG vorgesehene Gestaltungsmöglichkeit - ohne Rücksicht auf Vertrag oder Satzung - nur dem Gericht im Rahmen des nachehelichen Aufteilungsverfahrens zukomme. Fehle einer Vereinbarung der Ehegatten über die Gestaltung des Benützungsrechtes an einer im Fremdeigentum stehenden Ehewohnung die nach allgemeinem bürgerlichen Recht erforderliche Mitwirkung des Dritten, dann sei die Aufteilungsregelung unvollständig und eine gerichtliche Entscheidung erforderlich. Da die Klägerin dem zwischen den Ehegatten vereinbarten Wechsel in der Person des Mieters nicht zugestimmt habe, stelle die Vereinbarung keinen tauglichen Titel für die Benützung der Wohnung dar.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die aus den Gründen der Nichtigkeit sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes über ein Räumungsbegehren des Vermieters gegen den die Wohnung auf Grund einer gemäß § 55 a Abs 2 EheG getroffenen Vereinbarung benützenden geschiedenen Ehegatten erst unmittelbar vor Erhebung der Revision erging und darin diese Frage überdies anders gelöst wurde als vom Berufungsgericht.

Die behauptete Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 6 ZPO liegt nicht vor.

Selbst wenn der Antrag auf Abweisung der Klage - auch - als Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung an die Beklagte zu werten wäre, darf nicht übersehen werden, daß über die vorliegende Räumungsklage nach dem gemäß § 40 a JN maßgeblichen Inhalt des auf titellose Benützung gestützten Klagebegehrens jedenfalls im streitigen Verfahren zu entscheiden war. Im übrigen sei darauf hingewiesen, daß die Beklagte ohnehin am 4.Juli 1985 einen Antrag auf Zuweisung der gegenständlichen Wohnung beim Erstgericht eingebracht hat und der Beschluß des Erstgerichtes vom 17.April 1986, womit der Beklagten die alleinige Benützung der Wohnung zugewiesen wurde, in Rechtskraft erwachsen ist (2 Ob 651/86). Die Beklagte kann sich daher auch nicht mehr mit Grund dadurch beschwert erachten, daß ihr Antrag auf Abweisung der Klage nicht zugleich als Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung gewertet und als solcher ins Außerstreitverfahren überwiesen wurde.

Im übrigen ist die Revision berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 11. Juli 1985, SZ 58/126 (= EFSlg 47.518, 47.519 sowie MietSlg 37.003) ausgesprochen hat, können der durch § 97 ABGB gewährte Anspruch auf Unterlassung von Verfügungen des anderen Ehegatten, die zum Verlust der Wohnmöglichkeit des bedürftigen Ehegatten führen, und der daraus abgeleitete Anspruch des Letzteren auf Benützung der Wohnung zwar an sich nur während der Ehe durchgesetzt werden. Im Hinblick auf die insbesondere durch die §§ 82 Abs 2, 87 Abs 2 und 88 EheG geschaffenen Gestaltungsmöglichkeiten bezüglich der Ehewohnung und die aus § 90 ABGB abgeleitete Verpflichtung der Ehegatten, die während der Ehe zur umfassenden gemeinsamen Lebensführung vereinigten Lebensbereiche in einer der Partnerschaft gemäßen fairen und billigen Weise zu lösen, lebt im Falle einer rechtzeitigen Antragstellung nach den §§ 81 ff, 95 EheG der durch § 97 ABGB gewährte Unterlassungs- und Benützungsanspruch des bedürftigen Ehegatten in seinem Aufteilungsanspruch fort. Im vorliegenden Fall war im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz die Frist zur Antragstellung nach § 95 EheG noch nicht abgelaufen. Daß die Beklagte auf die Ehewohnung nicht angewiesen wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt. Der Revisionswerberin ist daher darin beizupflichten, daß dem auf titellose Benützung gestützten Räumungsbegehren das im Aufteilungsanspruch fortlebende Benützungsrecht der Beklagten entgegensteht, solange eine Antragstellung nach den §§ 81 ff und 95 EheG möglich und über den Aufteilungsanspruch noch nicht rechtskräftig abgesprochen ist. Diese Voraussetzung war bei Schluß der Verhandlung in erster Instanz (28.Februar 1985) gegeben.

Demgemäß war der Revision Folge zu geben und die Entscheidung des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. In der Revisionsbeantwortung wurde eine Umsatzsteuer nicht verzeichnet.

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