OGH 6Ob645/84

OGH6Ob645/846.9.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Riedler, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P***** B*****, geboren am *****, 2. P***** B*****, geboren am *****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Josef Olischar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei J***** L*****, vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Dr. Wolfgang Weinwurm, Dr. Erwin Lorenz, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wegen 500.000 S sA, infolge Revision der zweitklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. Juni 1984, GZ 15 R 117/84‑22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichts Wiener Neustadt vom 15. März 1984, GZ 3 Cg 711/83‑17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0060OB00645.840.0906.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die zweitklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.785,55 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.075,05 S USt und 960 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger begehrten, die Beklagte schuldig zu erkennen, dem Erstkläger einen 1/12tel Anteil und dem Zweitkläger einen 5/12tel Anteil aus den Vermögenswerten der Verlassenschaft nach F***** G*****, verstorben am ***** und M***** G*****, verstorben am *****, herauszugeben oder dem Erstkläger 83.333 S und dem Zweitkläger 416.667 S zu bezahlen. Schließlich stellten sie während des Verfahrens noch ein Eventualbegehren auf Errichtung entsprechender Verträge mit den Klägern. Sie brachten vor, am 9. 6. 1981 hätten die Beklagte, der Zweitkläger, dessen Mutter E***** B***** und „der Ehegatte“ (richtig: der Sohn) der Beklagten schriftlich vereinbart, für den Fall, „dass einer der vier Vertragspartner in der Verlassenschaft nach dem am 21. 5 1981 verstorbenen F***** G***** und in einer künftigen Verlassenschaft nach M***** G***** als Erben oder Nacherben oder Vermächtnisnehmer, einzeln oder gemeinsam, berufen sein würden, künftig solche Verträge zu errichten, wonach jeder von ihnen gleichteilig von den vorbezeichneten Vermögensmassen Vermögenswerte“ erhalte. E***** B***** sei am 7. 11. 1981 verstorben, ihr Anspruch sei auf die nunmehrigen Kläger als Erben übergegangen, und zwar zu einem Drittel auf den Erstkläger und zu zwei Drittel auf den Zweitkläger. Dem Erstkläger stünde somit 1/12tel dieser Vermögensmassen zu, dem Zweitkläger 5/12tel. Universalerbin des am ***** verstorbenen F***** G***** sei dessen am ***** nachverstorbene Schwester M***** G***** gewesen, die aber ihrerseits die Beklagte zur Alleinerbin eingesetzt habe. Die von dieser angegebene unbedingte Erbserklärung sei in der Folge mit Beschluss des Bezirksgerichts Neunkirchen zu Gericht angenommen worden. Zur Verlassenschaft gehörten die Liegenschaften EZ 47, EZ 920, EZ 798, EZ 919 und EZ 921 je KG *****. Die Vermögenswerte der Verlassenschaften nach F***** und M***** G***** betrügen insgesamt mindestens 1.000.000 S. Der Anspruch des Erstklägers betrage daher 83.333 S, derjenige des Zweitklägers 416.667 S. Die Beklagte weigere sich nunmehr, den Vertrag vom 9. 6. 1981 einzuhalten. Sie habe bereits zur EZ 74 KG ***** gehörige Grundstücke veräußert und hinsichtlich zweier Grundstücke Kaufverträge abgeschlossen.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete insbesondere ein, der Inhalt des Vertrags vom 9. 6. 1981 verstoße gegen das Verbot des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB, weil M***** G***** zu diesem Zeitpunkt noch gelebt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und stellte im Wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Am 9. 6. 1981 schlossen die Beklagte, E***** B*****, der Zweitkläger P***** B***** und der Sohn der Beklagten P***** L***** eine Vereinbarung folgenden Inhalts:

„Wir, Endesgefertigten, J***** L*****, E***** B*****, P***** B*****, geboren 1958 und P***** L*****, geboren 1934, sämtliche wohnhaft N*****, erklären für den Fall, dass wir in der Verlassenschaft nach dem am *****, verstorbenen zuletzt *****, wohnhaft gewesenen F***** G***** und allenfalls in einer künftigen Verlassenschaft nach M***** G*****, als Erben oder Nacherben, oder Vermächtnisnehmer einzeln oder gemeinsam berufen sind, künftig solche Verträge zu errichten, wonach jeder von uns gleichteilig von den vorbezeichneten Vermögensmassen, Vermögenswerte erhält.“ Die am ***** verstorbene M***** G***** hatte testamentarisch die Beklagte zu ihrer Alleinerbin eingesetzt. Die Beklagte gab eine unbedingte Erbserklärung ab, welche vom Bezirksgericht Neunkirchen angenommen wurde.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Vereinbarung vom 9. 6. 1981, auf die sich die Klage stütze, sei wegen Verstoßes gegen § 879 Abs 2 Z 3 ABGB rechtsunwirksam. Das Haupt‑ und Eventualbegehren seien daher abzuweisen gewesen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands hinsichtlich des Erstklägers 60.000 S, nicht aber 300.000 S hinsichtlich des Zweitklägers 300.000 S übersteigt und die Revision hinsichtlich des Erstklägers nicht zulässig ist und führt aus:

Nach § 879 Abs 2 Z 3 ABGB sei ein Vertrag nichtig, wenn eine Erbschaft oder ein Vermächtnis, die man von einer dritten Person erhoffe, noch zu deren Lebzeiten veräußert würden. Unter einer Erbschaft und einem Vermächtnis seien dabei auch Bruchteile der Erbschaft und eines Vermächtnisses sowie auch der Pflichtteil zu verstehen. Nichtig sei die bei Lebzeiten des Erblassers vorgenommene Veräußerung. Unter diesen Begriff falle jedes auf Übertragung oder Belastung gerichtete entgeltliche oder unentgeltliche Rechtsgeschäft unter Lebenden, sei es Verfügung oder Verpflichtung. Eine Teilung falle unter dieses Verbot, wenn sich darunter eine Veräußerung verberge. Ein solcher Fall liege hier vor. Die Parteien der Vereinbarung vom 9. 6. 1981 hätten sich noch zu Lebzeiten M***** G*****s über die Aufteilung ihres Nachlasses geeinigt, wobei sie nicht hätten erkennen können, inwieweit sie nach deren Tod bedacht würden, inwieweit sie also durch den Vertrag letztlich begünstigt oder benachteiligt würden. Selbst Verzichtsverträge potentieller Erben mit demjenigen, zu dessen Gunsten verzichtet werden solle, seien bezüglich des künftigen Erbrechts unzulässig. Daran würde auch eine Gestaltung als Vorvertrag nichts ändern, weil das österreichische Recht als einzige Möglichkeit der Verfügung über ein künftiges Erbrecht den notariatsaktspflichtigen Vertrag zwischen dem potentiell Berechtigten und dem Erblasser anerkenne. Für die Berufungswerber sei auch mit der Einwendung nichts zu gewinnen, dass die Vereinbarung als Glücksvertrag zu qualifizieren sei. Einerseits sähe es das Gesetz nämlich als respektlos an, dass ein Erbe schon zu Lebzeiten des Erblassers über sein künftiges Recht verfüge, andererseits wolle die Norm verhindern, dass der Veräußerer im Hinblick auf seine Erbaussicht zu leichtsinnig vorgehe und so benachteiligt werden. Schon aufgrund dieses doppelten Normzwecks fielen auch sonst unbedenkliche und einwandfreie Rechtsgeschäfte unter das gesetzliche Verbot. Die von den Berufungswerbern vorgenommene Qualifikation als Glücksvertrag sei daher nicht geeignet, ihren Standpunkt zu stützen.

Gegen dieses Urteil richten sich die außerordentliche Revision des Erstklägers und die Revision des Zweitklägers.

Die außerordentliche Revision des Erstklägers wurde zu 6 Ob 1532/84 zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Zweitklägers ist nicht berechtigt.

Der Zweitkläger führt in seiner Revision aus, es könne den Parteien der Vereinbarung vom 9. 6. 1981 nicht der Vorwurf gemacht werden, noch zu Lebzeiten von M***** G***** Teile einer Erbschaft oder eines Vermächtnisses veräußert zu haben, weil völlig ungewiss gewesen sei, ob und in welchem Ausmaß sie Rechte erwerben würden. Vertragsgegenstand sei nicht eine Verfügung über eine künftige Erbschaft oder ein künftiges Vermächtnis, sondern ausschließlich der ungewisse Vorteil gewesen. Es liege daher ein Glücksvertrag vor.

Der Zweitkläger übersieht bei diesen Ausführungen, dass der von ihm als ungewisser Vorteil bezeichnete Vertragsgegenstand nichts anderes als die künftige Erbschaft oder ein Teil derselben oder ein Vermächtnis sein konnte. Er verkennt aber auch, dass durch die Bestimmung des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB alle entgeltlichen oder unentgeltlichen Rechtsgeschäfte erfasst sind, die sich auf den Nachlass einer noch lebenden dritten Person beziehen und die auf Übertragung oder Belastung gerichtet sind (vgl Krejci in Rummel , ABGB, Rdz 211 zu § 879; Gschnitzer in Klang‑Komm 2 IV/1, 193; RGRK 12 BGB, Rdz 2 und Münchener Kommentar RdNr 4 zum analogen § 312 BGB; EvBl 1966/50, S 68; 5 Ob 121/73), und es nicht darauf ankommt, wie gewiss oder ungewiss die erhoffte Erbschaft, das erhoffte Vermächtnis oder der erhoffte Pflichtteil sind. Das Gesetz verbietet solche Rechtsgeschäfte ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund und die Zweckbestimmung derselben schlechthin. Auch ein noch so großes aleatorisches Element in einem solchen Rechtsgeschäft vermag an der Nichtigkeit derselben nicht zu ändern.

Da die Vorinstanzen die dem Begehren des Zweitbeklagten zugrundeliegende Vereinbarung somit zu Recht als nichtig erkannt haben, war der Revision der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte