Spruch:
Der Revision der beklagten Partei wird nicht stattgegeben. Der Revision der Klägerin wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird in seinem abändernden Ausspruch im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles abgeändert. Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 13.926 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte setzte als Subunternehmer des Straßenbauführers auf einer Straßenbaustelle zur Entfernung eines nur teilweise freigelegten rund 155 cm langen, zwischen 60 cm und 140 cm breiten und zwischen 60 und 70 cm hohen Felsbrockens in Kenntnis, daß dieser mit seiner Längsachse quer zur Straßenlängsachse und der dazu parallel neben dem Staßengrund verlaufenden Trasse von unterirdisch verlegten Fernmeldekabeln in einer nicht näher bestimmten Lage und Form unterhalb der Kabeltrasse im Erdreich liege, zwei Erdbewegungsgeräte ein. Mit dem einen sollte der Findlingstein quer zur Kabeltrasse in Richtung Fahrbahn aus dem Erdreich gezogen werden, mit dem anderen Gerät sollte eine Drehung des Gesteinsbrockens, von der der Beklagte eine mögliche Schädigung der Kabelstränge besorgte, verhindert werden. Weder der Straßenbauführer noch der Beklagte selbst hatten das Einvernehmen mit dem zuständigen Telegraphenbauamt über dieses Manöver hergestellt, obwohl auch dem Beklagten bekannt war, daß dies nach der von der POST- UND TELEGRAPHENVERWALTUNG zum Schutz ihrer unterirdischen Kabelanlagen aufgestellten Richtlinien (sogenannte Kabelschutzanweisung) vorgeschrieben ist.
Der Beklagte kannte vor Beginn seines Arbeitsvorganges die genaue Konfiguration des an seinem straßenfernen Endstück nicht freigelegten Gesteins nicht. Er kannte auch die genaue Lage der nur der Trassenführung nach bekannten, aber nicht bis zu ihrer Abdeckung freigelegten Kabel im Verhältnis zu dem Gesteinsbrocken nicht. Es war ihm nicht bekannt, daß der Findlingstein anläßlich der Kabelverlegung künstlich bearbeitet, nämlich zur Herstellung der Kabeltrasse ausgeschrämt worden war, so daß der Gesteinsbrocken im gedachten Querschnitt gesehen an der straßenfernen Seite der Kabeltrasse eine scharfkantige, ca 35 cm hohe aufsteigende "Nase" bildete. Eine Kabelverlegung über einen künstlich behauenen Findlingstein ist nicht allgemein üblich und gilt als ungewöhnlich.
Bei dem Versuch, den Findlingstein aus dem Erdreich zu ziehen, streifte die durch das Ausschrämen der Kabeltrasse künstlich geschaffene "Nase" gegen zwei der verlegten Kabel und beschädigte sie.
Der Beklagte hat den Beweis nicht erbracht, ja nicht einmal angetreten, daß auch im Fall eines nach der Kabelschutzanweisung gepflogenen Einvernehmens mit dem zuständigen Telegraphenbauamt dieses keine solchen konkreten Anweisungen zur Entfernung des Findlings erteilt hätte, bei deren Befolgung der Kabelschaden vermieden worden wäre.
Aus der Kabelbeschädigung erwuchs der Klägerin ein - der Höhe nach außer Streit gestellter - Schaden von 80.727,25 S.
Die Klägerin begehrte vom Beklagten den Ersatz dieses Betrages, weil er das nach der Kabelschutzanweisung gebotene Einvernehmen mit dem zuständigen TELEGRAPHENBAUAMT nicht gesucht, sondern vielmehr ein mit dem für ihn erkennbaren Risiko einer Kabelbeschädigung verbundenes Arbeitsmanöver ausgeführt habe.
Der Beklagte bestritt jede Haftung dem Grunde nach. Er wendete ein, daß die Klägerin ihre Kabel in einer ungewöhnlichen Art habe verlegen lassen, sie habe das daraus erwachsende "Baurisiko" zu tragen. Sie hätte die mit der Ausführung der Straßenbauarbeiten betrauten Unternehmen auf die ungewöhnliche Kabelverlegung (von sich aus) hinweisen müssen und eine ihr oblegene Warnpflicht verletzt. Der Beklagte habe alle nach menschlicher Voraussicht hinreichenden Vorsichtsmaßnahmen angestellt; ihn treffe kein Verschulden.
Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Ersatzbegehren voll statt. Es folgerte, dem Beklagten läge eine Schutzpflichtverletzung zur Last, weil er entgegen der ihm bekannten und in anderen Fällen auch eingehaltenen Regelungen der von der Klägerin aufgestellten Kabelschutzanweisung nicht das den Umständen nach erforderliche Einvernehmen mit dem zuständigen TELEGRAPHENBAUAMT gesucht habe und im Vertrauen auf die Ungefährlichkeit seiner Arbeitsweise ein objektiv gefährliches Manöver ausgeführt und dabei den Kabelschaden verursacht habe, ohne daß er bewiesen hätte, daß derselbe Schaden auch bei Einhaltung der Kabelschutzanweisung der Klägerin nicht vermieden worden wäre. Der Beklagte habe aber auch entgegen seinem Prozeßstandpunkt nicht alle ihm zumutbaren Vorkehrungen zur Verhütung des dann eingetretenen Schadens getroffen, weil er sich von der konkreten Konfiguration des Felsbrockens und dessen Lage im Verhältnis zum Kabelstrang nicht durch eine rundum erfolgte Freilegung des Findlings überzeugt habe. Der Beklagte könne der Klägerin deshalb keine Vernachlässigung eines Informationsgebotes anlasten, weil es an ihm gelegen wäre, vor dem konkreten Arbeitsvorgang das Einvernehmen mit dem zuständigen Amt zu suchen.
Das Berufungsgericht änderte dieses erstinstanzliche Urteil im Sinne einer gleichteiligen Schadensteilung ab. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht trat in seiner rechtlichen Beurteilung der erstrichterlichen Ansicht über eine Verantwortlichkeit des Beklagten für die Nichteinhaltung der in der Kabelschutzanweisung der Klägerin enthaltenen Verhaltensnormen bei, weil diese auch außerhalb ihrer Geltung als Vertragsnormen als Zusammenfassung der von einem Fachmann zu beobachtenden Verhaltensweisen zur gebotenen tunlichsten Vermeidung von Schädigungen Dritter zu gelten hätten. Der Beklagte habe mit den ohne vorheriges Einvernehmen mit dem zuständigen TELEGRAPHENBAUAMT durchgeführten Erdbewegungsmaßnahmen sorgfaltswidrig gehandelt. Der im Einwand der ausschließlichen Selbstverantwortlichkeit der Klägerin gelegene Mitschuldeinwand sei aber berechtigt: Die Klägerin hätte anläßlich der von ihren Leuten vorgenommenen Aussteckung der Kabeltrasse in der Natur die Straßenbauunternehmung oder den Beklagten auf die ungewöhnliche Lage der Kabel in einem ausgeschrämten Findling hinzuweisen gehabt. Sollte aber der Klägerin diese von der seinerzeit mit der Velegung der Kabel beauftragten Unternehmung gewählte ungewöhnliche Verlegungsart selbst nicht bekannt gewesen sein, so hätte sie die Schaffung der Gefahrenlage bei der Verlegung der Kabel (zumindest im Sinne eines Baugrundrisikos) zu vertreten. Demnach erscheine eine gleichteilige Schadenstragung angemessen.
Die Klägerin ficht das Berufungsurteil in seinem abändernden Teil aus den Revisionsgründen nach § 503 Z 3 und 4 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles gerichteten Abänderungsantrag an.
Der Beklagte bekämpft das Berufungsurteil in seinem bestätigenden Teil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO mit einem auf vollständige Klageabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag.
Beide Streitteile beantragen wechselseitig, der Revision der Gegenpartei nicht stattzugeben.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittel sind zulässig, weil der von den Vorinstanzen zugrundegelegte Haftungsgrund einer Klarstellung bedarf. Die Revision der Klägerin ist auch berechtigt, jene des Beklagten dagegen nicht.
Der Beklagte hat als Subunternehmer eines vom Straßenhalter beauftragten Straßenbauführers Erdbewegungen geleitet und an ihnen selbst mitgewirkt. In voller Kenntnis über den Verlauf einer teilweise freigelegten Kabeltrasse hat er ohne genaue Kenntnis über Größe und Form eines unterhalb der Kabel im Erdreich befindlichen vereinzelten Felsbrockens diesen quer zur Kabeltrasse aus dem Erdreich zu ziehen versucht. Dieses Manöver war an sich mit der Gefahr verbunden, daß der Felsbrocken mit einem möglicherweise vorhandenen - sei es natürlichen, sei es künstlich geschaffenen - Vorsprung die Kabel streifen und dabei auch beschädigen hätte können. Diese Gefahr hat der Beklagte - sei es aus Zeit- oder aus Kostengründen - auf sich genommen. Dafür hat er dem Eigentümer der durch seinen leichtfertigen Arbeitsvorgang beschädigten Kabel außervertraglich einzustehen.
Fragen der vertraglich übernommenen Schutzpflicht zugunsten Dritter, aber auch Fragen der Verletzung eines Schutzgesetzes sind dabei unerheblich.
Die Klägerin aber mußte trotz Kenntnis von der in unmittelbarer Nähe ihrer Kabeltrasse im Gang befindlichen Straßenbauarbeiten nicht mit einem Arbeitsvorgang in der Art und Weise, wie ihn der Beklagte ausführte, rechnen. Um die Kabel vor Schädigungen durch Achtlosigkeit der beim Straßenbau Tätigen zu bewahren, oblag ihr keine vorsorgliche Warnpflicht.
Der Revision des Beklagten war deshalb ein Erfolg zu versagen. Jener der Klägerin aber war stattzugeben und in Abänderung des abändernden Teiles des Berufungsurteiles das dem Klagebegehren vollinhaltlich stattgebende erstinstanzliche Urteil wieder herzustellen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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