OGH 6Ob634/95

OGH6Ob634/957.12.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Helmut P*****; 2) Elisabeth P*****, beide vertreten durch Dr.Ferdinand Rankl, Rechtsanwalt in Micheldorf, wider die beklagten Parteien 1) Alois W*****; 2) Pauline W*****, beide vertreten durch DDr.Manfred Nordmeyer und Dr.Widukind Nordmeyer, Rechtsanwälte in Wels, wegen Unterlassung und Wiederherstellung des vorigen Standes (Gesamtstreitwert: 80.000 S), infolge Revisionsrekurses der klagenden Parteien gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 28.Juni 1995, AZ 23 R 63/95 (ON 13), womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 12.Jänner 1995, GZ 13 C 1633/94-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten hat:

"Die von den beklagten Parteien erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit wird verworfen."

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 12.069,36 S bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten 2.011,56 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Kläger begehrten in ihrer beim Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems eingebrachten Klage, die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, 1) die Ableitung der Dachwässer ihres Hauses in H***** auf das Grundstück der Kläger zu unterlassen, und 2) den vorigen Zustand durch Behebung der bereits am Grundstück der Kläger eingetretenen Schäden bei sonstiger Ersatzvornahme auf Kosten der Beklagten wiederherzustellen. Sie stützten diese Ansprüche darauf, daß die Beklagten als Miteigentümer einer Liegenschaft mit einem darauf errichteten Einfamilienhaus in H***** die Dachabwässer dieses Hauses über eine unterirdische Verrohrung ohne besonderen Rechtstitel direkt auf die im Miteigentum der Kläger stehende, steil abfallende Wiese zuleiteten, auf der es deshalb bereits zu Hangrutschungen gekommen sei. Als Klagegrund machten die Kläger einen Verstoß der Beklagten "insbesondere gegen § 364 Abs 2 ABGB" geltend, weshalb ihnen "auch ein Ausgleichsanspruch" zustehe; im übrigen sei die unmittelbare Zuleitung der Dachabwässer auf das Grundstück der Kläger nicht nur rechtswidrig, sondern die Beklagten hätten dabei auch schuldhaft gehandelt.

Das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems wies die Klage a limine mit der Begründung zurück, daß der Gerichtsstand nach § 81 Abs 1 JN nur für Immissionabwehrklagen, nicht jedoch für Schadenersatzansprüche infolge Beeinträchtigung durch Immissionen gelte.

Aufgrund eines Überweisungsantrages der Kläger hob das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems den Zurückweisungsbeschluß gemäß § 230 a ZPO auf und überwies die Rechtssache an das Erstgericht, in dessen Sprengel sich der Wohnsitz der Beklagten befindet.

In der ersten mündlichen Streitverhandlung erhoben die Beklagten die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit und begründeten sie damit, daß nach § 81 Abs 1 JN die geltend gemachten Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche aus einer nachbarrechtlichen Immission ausschließlich vor das Gericht gehörten, in dessen Sprengel das unbewegliche Gut gelegen ist, also vor das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems.

Das Erstgericht wies die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück, wobei es hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens die Ansicht der Beklagten teilte. Für das zu Punkt 2 erhobene Begehren auf Schadenersatz komme zwar der ausschließliche Gerichtsstand nach § 81 Abs 1 JN nicht in Betracht, es sei aber auch für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems gemäß § 92 a JN zuständig.

Das Rekursgericht bestätigte den Zurückweisungsbeschluß des Erstgerichtes und sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es billigte dessen Rechtsansicht, daß nur für die Unterlassungsklage, nicht aber für die Schadenersatzklage der ausschließliche Gerichtsstand nach § 81 Abs 1 JN gegeben sei, hätten doch die Kläger mit ihrem Klagebegehren zu Punkt 2 entgegen der Meinung der Beklagten nicht die Beseitigung der Störquelle, sondern die Wiederherstellung des vorigen Zustandes durch Behebung der bereits eingetretenen Schäden, also die Naturalrestitution verlangt. Für das Schadenersatzbegehren zu Punkt 2 komme aber entgegen der Meinung des Erstgerichtes der Wahlgerichtsstand nach § 92 a JN nicht mehr in Betracht, weil eine entsprechende Wahl der Kläger gemäß § 102 JN erst mit der Zustellung der Klage an die Beklagten vollzogen worden wäre. Im vorliegenden Fall hätten die Kläger die von ihnen zunächt ausgeübte, jedoch mangels Zustellung der Klage an die Beklagten noch nicht vollzogene Wahl durch Stellung ihres Überweisungsantrages nach § 230 a ZPO wieder zurückgenommen. Dennoch sei die Unzuständigkeitsentscheidung des Erstgerichtes im Ergebnis richtig, weil infolge tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhanges beider Klageansprüche eine nach § 55 JN zu beurteilende Klagenhäufung vorliege, welche - anders als eine objektive Klagenhäufung nach § 227 Abs 1 ZPO - keinen gemeinsamen Gerichtsstand voraussetze. Ansprüche, die im Sinne des § 55 Abs 1 JN zusammenzurechnen sind, für die aber unterschiedliche örtliche Zuständigkeiten bestehen, könnten nach Wahl des Klägers nur dann vor einem der in Betracht kommenden Gerichte geltend gemachte werden, wenn es sich um "gleichrangige" Gerichtsstände handle. Das sei hier nicht der Fall, weil der für den Unterlassungsanspruch der Kläger gegebene ausschließliche Gerichtsstand gemäß § 81 Abs 1 JN den für das Schadenersatzbegehren in Anspruch genommenen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten ausschließe, sodaß für die vorliegende Klagenhäufung nur die Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Kirchdorf an der Krems gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Kläger ist entgegen der Meinung der Beklagten schon deshalb zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; das Rechtsmittel ist im Ergebnis auch berechtigt.

Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung zählt zu den in § 81 Abs 1 JN angeführten Klagen insbesondere die Eigentumsfreiheitsklage (Negatorienklage) gemäß § 523 ABGB (Mayr in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 81 JN); die Abwehr unzulässiger Immissionen oder unmittelbarer Zuleitung ist aber nichts anderes als ein Anwendungsfall der Eigentumsfreiheitsklage (Klang in Klang2 II 173; Koziol/Welser9 II 43; Spielbüchler in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 364; Petrasch ebendort Rz 9 zu § 523; 10 Ob 506/95), weshalb für die Geltendmachung des aus § 364 Abs 2 ABGB abgeleiteten Unterlassungsanspruches (Punkt 1 des Klagebegehrens) die Geltung des ausschließlichen Gerichtsstandes nach § 81 Abs 1 JN zu Recht bejaht worden ist (JBl 1988, 323 mwN; EvBl 1988/113 = JBl 1988, 459 [Böhm] = RdW 1988, 165). Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits ausgesprochen, daß für die Geltendmachung des Ersatzanspruches von schon eingetretenen Nachteilen, mag es sich dabei um einen gewöhnlichen Schadenersatzanspruch oder auch um einen verschuldensunabhängigen Ersatzanspruch nach § 364 a ABGB handeln, der Gerichtsstand des § 81 Abs 1 JN nicht in Betracht kommt, weil es sich insoweit nicht um eine Negatorienklage handelt (JBl 1988, 323). Letzteres trifft auf das zu Punkt 2 erhobene Klagebegehren - ungeachtet der Frage seiner Schlüssigkeit - zu, weil es entgegen der Meinung des Beklagten nicht auf Beseitigung, sondern auf die Wiederherstellung des vorigen Zustandes durch Behebung der bereits eingetretenen Schäden (gemeint: der Hangrutschungen) gerichtet ist und von den Klägern ausdrücklich sowohl auf den Titel eines nachbarrechtlichen "Ausgleichsanspruches" (§ 364 a ABGB per analogiam) als auch auf das schuldhafte Verhalten des Beklagten, also auf den Titel des Schadenersatzes (Naturalrestitution im Sinne des § 1323 ABGB) gestützt wird.

Das Rekursgericht hat auch zutreffend erkannt, daß der Unterlassungsanspruch der Kläger und ihr Anspruch auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes sowohl in einem rechtlichen als auch in einem tatsächlichen Zusammenhang im Sinne des § 55 Abs 1 JN stehen, sodaß sie zusammenzurechnen sind und daher gemäß § 227 ZPO in einer Klage auch dann geltend gemacht werden können, wenn das Prozeßgericht für einen der Ansprüche nicht zuständig ist (EvBl 1988/145; vgl Fasching Zivilprozeßrecht2 Rz 1119; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 227). In einem solchen Fall kann aber entgegen der Meinung des Rekursgerichtes die objektive Klagenhäufung auch dann vor dem für den einen Anspruch gegebenen allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten erfolgen, wenn für den anderen Anspruch nur eine durch eine Gerichtsstandvereinbarung abdingbare abweichende örtliche Zuständigkeit bestünde, also für diesen nicht ein anderer örtlicher Zwangsgerichtsstand besteht (EvBl 1988/145, wo bei sonst identischem Sachverhalt das Erstgericht für den einen Anspruch [Zahlungsbegehren] gemäß §§ 65, 66 JN zuständig war, für den anderen Anspruch [Begehren auf Aufhebung eines Schiedsspruches] nach § 596 Abs 1, § 582 ZPO die individuelle Zuständigkeit eines anderen Gerichtes vorlag).

Für das zu Punkt 2 erhobene Begehren auf Wiederherstellung des vorigen Zustandes ist demnach das Erstgericht schon deshalb zuständig, weil die Beklagten ihren allgemeinen Gerichtsstand im Sprengel dieses Gerichtes haben. Damit durfte aber auch die Klage hinsichtlich des mit diesem Begehren verbundenen und mit ihm zusammenzurechnenden Unterlassungsbegehren nicht wegen örtlicher Unzuständigkeit zurückgewiesen werden, ist doch der hiefür gegebene ausschließliche Gerichtsstand nach § 81 Abs 1 JN kein Zwangsgerichtsstand.

Diese Erwägungen führen bereits dazu, daß in Stattgebung des Revisionsrekurses die von den Beklagten erhobene Einrede der örtlichen Unzuständigkeit zu verwerfen war.

Ein Ausspruch über die Kosten des erstinstanzlichen Zwischenverfahrens über die Unzuständigkeitseinrede hatte zu entfallen, weil die Kläger keine Kostennote gelegt haben. Der Ausspruch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 Abs 1, 52 Abs 1 ZPO.

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