OGH 6Ob634/91

OGH6Ob634/9120.12.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Klinger, Dr. Redl und Dr. Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

B***** GESELLSCHAFT m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Willi Fuhrmann, Rechtsanwalt in Baden u.a. Rechtsanwälte, wider die beklagte Partei K***** GESELLSCHAFT m.b.H., ***** vertreten durch Dr. Franz Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, wegen

S 104.620,-- samt Nebenforderungen (Rechtsmittelgegenstand: S 102.830,--), welchem Rechtsstreit Johann L*****, Spediteur, ***** vertreten durch Dr. Reinhold Kloiber und Dr. Rudolf Beck, Rechtsanwälte in Mödling, auf der Seite der klagenden Partei als Nebenintervenient beigetreten ist, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 1. Juli 1991, AZ 4 R 84/91 (ON 25), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26. Februar 1991, GZ 21 Cg 212/89-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit

S 6.789,60 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 1.131,60) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein in den Vereinigten Arabischen Emiraten wohnhafter Käufer bestellte im Dezember 1987 bei einem niederösterreichischen Kraftfahrzeughändler einen bis Ende Februar/Anfang März 1988 auszuliefernden fabriksneuen Personenkraftwagen.

Den Kaufvertragspartnern war bei Abschluß des Kaufvertrages klar, daß das Fahrzeug zu einer Verwendung im Bereich von Abu Dhabi vorgesehen war.

Der nach der bei der Bestellung zu leistenden Teilzahlung verbleibende restliche Kaufschilling sollte mit der Auslieferung des nach Abu Dhabi zuzustellenden Fahrzeuges fällig werden.

Eine inländische Handelsgesellschaft übernahm für die Zahlungsverpflichtungen des Käufers gegenüber der Verkäuferin die Bürgschaft.

Im Zuge dieses Kaufvertrages, aber auch des Bürgschaftsvertrages, wurde keine Rechtswahl getroffen.

Das Kraftfahrzeug wurde (am 16. März 1988) im Inland zum Verkehr zugelassen. Die Verkäuferin erteilte einem niederösterreichischen Spediteur und Frachtführer den Auftrag zum Transport des Fahrzeuges von dessen - nahe der Niederlassung der Verkäuferin gelegenen - niederösterreichischen Betriebsstätte nach dem Hafen von Abu Dhabi. Der Frächter bewirkte die Überstellung des Fahrzeuges von seiner Betriebsstätte nach einem englischen Seehafen durch eigene Fahrleistung des Wagens. Der Ende August 1988 im Bestimmungshafen eingelangte PKW wurde dort dem Käufer im Zustand nach einer Fahrleistung von 2.000 km übergeben.

Auf den ausdrücklich als Nettokaufpreis (ohne Umsatzsteuer) bezeichneten Kaufschilling von S 635.800,-- hatte der Käufer anläßlich seiner Bestellung eine Teilzahlung von

S 182.005,-- geleistet. Die Bürgin zahlte am 24. November 1988 einen weiteren Betrag von S 319.175,--. Die Verkäuferin erhielt daher auf den Kaufpreis insgesamt nur S 501.180,--.

Die Verkäuferin begehrte von der Bürgin die Zahlung des offenen Kaufpreisrestes von S 134.620,--, schränkte dieses Begehren aber nach Erstattung des Sachverständigengutachtens über den Unterschied zwischen dem Preis eines fabriksneuen und dem eines 2.000 km gefahrenen PKW auf dem inländischen Kraftfahrzeugmarkt um S 30.000,-- "aus dem Titel der Preisminderung" ein.

Die Klägerin stellte über einen beim Kraftfahrzeugkauf etwa vereinbarten Erfüllungsort keine Behauptung auf. Die Beklagte behauptete im Sinne ihrer Klagebeantwortung, die Kaufvertragspartner hätten vereinbart, "daß die klagende Partei das Fahrzeug dem Käufer in Abu Dhabi zu übergeben hat". Das stellte sie lediglich durch den Kaufvertrag vom 17. Dezember 1987 und die Rechnungen des Frachtführers unter Beweis.

Die beklagte Bürgin wendete vor allem ein, durch die vor der Ausfolgung des Fahrzeuges an den Käufer erbrachte Fahrleistung von 2.000 km wäre nach den Marktverhältnissen in Abu Dhabi der Wert des Fahrzeuges gegenüber seinem Neupreis um 30 bis 40 % gemindert worden. Diese Marktverhältnisse in den Vereinigten Arabischen Emiraten seien maßgebend, "weil das Fahrzeug bei der klagenden Partei mit der Bestimmung erworben wurde, daß der Wagen in Abu Dhabi gefahren werden soll".

Die Frage nach der Vereinbarung eines von der inländischen Niederlassung der Verkäuferin verschiedenen ausländischen Erfüllungsortes blieb unerörtert. Die Wertverhältnisse auf einem anderen als dem inländischen Kraftfahrzeugmarkt erachtete das Prozeßgericht erster Instanz als unerheblich.

Das Prozeßgericht erster Instanz nahm vielmehr ein Preisverhältnis des fabriksneuen gegenüber einem 2.000 km gefahrenen PKW auf dem inländischen Markt von 100 : 95 an und erachtete eine Minderung des vereinbarten Preises von S 635.800,-- um mehr als 5 % (= S 31.790,--) als nicht gerechtfertigt. Im Unterschiedsbetrag von (S 635.800,-- - S 31.790,-- =) S 604.010,-- und S 501.180,-- = S 102.830,-- nahm das Prozeßgericht erster Instanz eine aufrechte, seit 1. Dezember 1988 fällige Kaufpreisschuld des PKW-Käufers an, für die die Beklagte als Bürgin und Zahlerin hafte.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Klagebegehren daher - unter unbekämpft gebliebener Abweisung eines auf Zahlung von S 1.790,-- samt Zinsen und eines Zinsenmehrbegehrens - in Ansehung des Teilbetrages von S 102.830,-- samt 5 % Zinsen seit 1. Dezember 1988 statt.

Das Berufungsgericht bestätigte diesen Zuspruch. Dazu sprach es aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Nach Auffassung des Berufungsgerichtes scheitere die Bedachtnahme auf eine der von der Beklagten verbürgten Kaufpreisschuld etwa entgegenstehende Schadenersatzforderung des Käufers daran, daß die Beklagte eine solche Schadenersatzforderung nicht aufrechnungsweise eingewendet habe.

Ein die Kaufpreisforderung als solche herabsetzender Preisminderungsanspruch des Käufers bestimmte sich aber - anders als ein Schadenersatzanspruch oder ein Verbesserungsanspruch - nach den Marktverhältnissen zur Zeit des Vertragsabschlusses am Ort des Vertragsabschlusses, weil nur die dort herrschenden Werte "logischerweise in ein Verhältnis zum vereinbarten Preis gesetzt werden" könnten. Im Unterbleiben einer Feststellung der am Ablieferungsort bestandenen Wertverhältnisse liege aus dieser Erwägung kein Feststellungsmangel.

Die Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO mit einem auf Klagsabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Vorinstanzen unterwarfen die Beurteilung des Kaufvertrages gemäß § 36 IPRG zutreffend inländischem Recht.

Dem Einwendungsvorbringen der Beklagten ist nicht klar zu entnehmen, ob ein gewährleistungsrechtlicher Preisminderungsanspruch des Käufers oder eine auf Verletzung von Vertragspflichten gegründete Schadenersatzforderung des Käufers geltend gemacht werden sollte.

Zu beachten ist, daß die Beklagte nicht Hauptschuldnerin, sondern nur Bürgin und Zahlerin für die Kaufpreisschulden des Käufers ist.

Diesem wurde entgegen der Kaufvertragsverpflichtungen der Klägerin kein fabriksneues Fahrzeug, sondern eines mit einer Fahrleistung von 2.000 km ausgefolgt.

Als wertmindernder Eigenschaftsmangel betrachtet könnte die vor der Ausfolgung des Fahrzeuges am Bestimmungsort eingetretene Abnützung während einer Fahrleistung von 2.000 km einen Preisminderungsanspruch begründen, als Folge einer Vertragspflichtverletzung einen Schadenersatzanspruch.

Der Berücksichtigung einer der Kaufpreisforderung etwa aufrecht gegenüberstehenden Schadenersatzforderung des Klägers steht vor allem der vom Berufungsgericht hervorgehobene verfahrensrechtliche Umstand entgegen, daß die Beklagte keine entsprechende Aufrechnungseinrede erhoben hat.

Darüber hinaus ist aber auch materiellrechtlich zu bemerken, daß der Bürge nicht mit Wirkung für den Hauptschuldner eine nur diesem zustehende Aufrechungserklärung abgeben kann und eine vom Käufer erklärte Aufrechnung nicht einmal behauptet wurde.

Die Ansichten darüber, ob und mit welcher Wirkung der Bürge dem Gläubiger entgegenhalten kann, daß dem Hauptschuldner eine der verbürgten Schuld aufrechnungsweise gegenüberstehende - konnexe oder nichtkonnexe - Gegenforderung zustehe, sind auch in der jüngeren Lehre nach wie vor geteilt (vgl etwa Rummel in Rummel ABGB1 § 1441 Rz 20 und Gamerith in Rummel ABGB1 § 1351 Rz 6; Schwimann/Mader § 1351 Rz 7 und Schwiman/Honsell § 1441 Rz 1 und § 1438 Rz 6; Gschnitzer in Klang2 VI, 520 in IV/1 zu § 1441, Ohmeyer/Klang in Klang2 VI, 216 in Z 5 zu § 1351 und Wahle in Klang2 V, 645 in Z 6 zu §§ 1202, 1203; Mayrhofer SchuldR AT, 122 und 595; Faistenberger/Barta/Eccher Schuldrecht AT, 271 und Reiterer Aufrechnung, Graz 1976, 60 ff). Bei diesem Meinungsstreit gelangt der erkennende Senat nach der positiven österreichischen Gesetzeslage zu dem Ergebnis, daß dem Bürgen keinesfalls die Befugnis zugestanden werden kann, die Schuldtilgung mit einer nicht ihm, sondern dem Hauptschuldner zustehenden Gegenforderung herbeizuführen, daß ihm aber mangels positiv-rechtlicher Grundlage auch kein Zurückbehaltungsrecht zugebilligt werden kann. Der Bürge eines solchen Hauptschuldners, dem zur Tilgung der verbürgten Schuld eine aufrechenbare Forderung zur Verfügung steht, der aber von dieser Aufrechnungsmöglichkeit nicht Gebrauch macht, ist in einer durchaus vergleichbaren Lage wie jener Bürge, dessen Hauptschuldner über ausreichende liquide Mittel zur Schuldtilgung verfügt, diese aber dennoch nicht bewirkt.

Auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes zu gründende Gegenforderungen des Käufers kann die Beklagte gegenüber der Klägerin daher nicht mit Erfolg geltend machen.

Ein auf Gewährleistung gestützter Anspruch auf Preisanpassung hätte sich an den Marktverhältnissen am Erfüllungsort (§ 905 ABGB) auszurichten. Das hätte auch für den Fall eines Versendungskaufes zu gelten, weil die Versendungspflicht am Erfüllungsort nichts ändert.

Daß aber ein anderer Ort als die inländische Niederlassung der Klägerin als Erfüllungsort vereinbart worden wäre, hat auch die Beklagte mit ihren oben zitierten Einwendungen im Sinne der Klagebeantwortung und des Schriftsatzes vom Juli 1990 (ON 18) nicht schlüssig behauptet (und mit den zum Beweis angebotenen Urkunden im übrigen keinesfalls zu beweisen vermocht).

Aus dieser Erwägung hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht keinen Feststellungsmangel deshalb angenommen, daß die Marktverhältnisse am ausländischen Bestimmungsort nicht erhoben und festgestellt worden seien.

Der Revision mußte aus diesen Erwägungen ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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