Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Das klagsstattgebende Urteil des Erstgerichtes wurde dem Beklagtenvertreter während der (Sommer)Gerichtsferien am 24.August 1992 zugestellt. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten als verspätet zurück, weil nach dem diesbezüglichen Vermerk (§ 108 Abs 3 GeO) der Leiterin der zuständigen Geschäftsabteilung die Berufung erst am 23.September 1992 beim Erstgericht überreicht worden sei. Das entsprechende Kuvert erliegt nicht im Akt.
Rechtliche Beurteilung
Der gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO idF der WGN 1989 zulässige und rechtzeitige Rekurs der Beklagten ist gerechtfertigt.
Die vierwöchige Berufungsfrist nach § 464 Abs 1 ZPO beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Urteils (§ 464 Abs 2 ZPO) und endet nach § 125 Abs 2 erster Satz ZPO mit dem Ablaufe desjenigen Tages der letzten Woche ....., welcher durch seine Benennung oder Zahl dem Tage des fristauslösenden Ereignisses entspricht. Fällt der ....... Beginn der Frist in die Gerichtsferien, so wird gemäß § 225 Abs 1 ZPO die Frist um den bei ihrem Beginn noch übrigen Teil der Gerichtsferien verlängert. Gemäß § 222 ZPO dauern die Gerichtsferien vom 15.Juli bis 25. August. Im vorliegenden Fall verlängerte sich deshalb die der Beklagten zur Verfügung stehende Rechtsmittelfrist um einen Tag (25.August 1992) und endete dementsprechend mit Ablauf des 22. September 1992 (RZ 1989/108, RZ 1985/5; SZ 57/65 ua), einem Dienstag, und nicht, wie die Rekurswerberin vermeint, erst am 23. September 1992. Der Beginn der Frist wird durch § 225 Abs 1 ZPO nicht verschoben (3 Ob 502, 503/84).
Nach dem Ergebnis der durch das Erstgericht gepflogenen Erhebungen
(Vorlage einer Fotokopie des Aufgabescheins betreffend die Berufung
der Beklagten, Vernehmung des Beklagtenvertreters, seiner
Kanzleiangestellten, einer Postbeamtin sowie dreier
Gerichtsbediensteter) gab der Beklagtenvertreter die Berufung am
22. September 1992 eingeschrieben am Postamt Güssing an das
Erstgericht auf, wo sie am 23.September 1992 einlangte. Der Oberste
Gerichtshof geht ungeachtet des Vermerkes auf der Berufungsschrift
der Beklagten "überreicht 23.Sep. 1992" sowie des Fehlens des Kuverts
und eines Vermerkes auf der Berufung "zur Post gegeben am
............" davon aus, daß die Berufung der Beklagten bereits am
22. September 1992 an das zuständige Gericht zur Post gegeben worden
war. Sie erweist sich demnach als rechtzeitig (§ 464 Abs 1 ZPO iVm §
89 GOG), weshalb der zweiten Instanz eine neuerliche Entscheidung
über die Berufung der Beklagten aufzutragen ist.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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