Spruch:
Der Revision der ersten Klägerin wird nicht stattgegeben. Die erste Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 4.356,48 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 1.200 S und an Umsatzsteuer 286,95 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revision der zweiten Klägerin wird stattgegeben und das angefochtene Urteil in Ansehung des Ausspruches über das Verdienstentgangsbegehren der zweiten Klägerin im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Zwischenurteiles abgeändert. Die Entscheidung über die auf dieses Teilbegehren entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Die zweite Klägerin betreibt als Pächterin ein Kaffeehaus. In einem abgesonderten Raum dieses Pachtlokales hat die erste Klägerin Spielautomaten (zur Benützung durch die Gäste) aufgestellt. Zur Raumheizung ist im Gastraum neben einem Elektrostrahler ein Gasofen montiert. Die Kaffeehauspächterin betreibt diesen Gasofen mit Propangas. Dazu bezog sie von einem Händler Propangas in Flüssiggasbehältern der Beklagten, die ihre Behälter in einer eigenen Abfüllanlage füllte.
Am 9.2.1982 betätigte die von der Kaffeehauspächterin angestellte Serviererin an der zur Versorgung des Ölofens angeschlossenen Propangasflasche der Beklagten das Handrad zur Öffnung des Ventiles, drehte dieses mangels wirksamer Sperre völlig aus dem Gewinde, sodaß Propangas in den Raum strömte und in der Folge explodierte. Dabei traten Sachschäden an der Einrichtung des Gastraumes auf, deren Behebung einen Aufwand von 52.654 S erforderte. Die Schadensbehebung bedingte eine Stillegung des Kaffeehausbetriebes durch 18 Tage. Während dieser Zeit entgingen sowohl der Kaffeehauspächterin als auch deq Automatenaufstellerin Einnahmen.
Die Kaffeehauspächterin und die Automatenaufstellerin begehrten in getrennten Klagen von der Beklagten Schadenersatz, die Kaffeehauspächterin im Gesamtbetrag von 70.078 S, wobei sie außer dem der Höhe nach außer Streit gestellten Instandsetzungsaufwand einen Betrag von 17.424 S als Abgeltung ihres Verdienstentganges forderte und die Automatenaufstellerin 60.197,40 S als Ersatz für entgangene Einnahmen.
Als Haftungsgrund machten die Klägerinnen geltend, die Beklagte habe den von ihr gefüllten Gastransportbehälter in einem nicht betriebssicheren Zustand ausgeliefert, ihr liege ein die Haftung nach § 1311 ABGB auslösender Verstoß gegen Vorschriften der Druckgefäßverordnung zur Last; davon abgesehen seien Flüssiggasflaschen schlechthin als gefährlich anzusehen. Die Beklagte bestritt das Vorliegen jedes Haftungstatbestandes. In tatsächlicher Hinsicht bestritt sie das Fehlen der ein Herausdrehen des Ventiles verhindernden Hohlnieten im Zeitpunkt der Gasflaschenauslieferung. Für den Fall gegenteiliger Annahme wendete die Beklagte ein, daß der Fehler beim ausländischen Hersteller der Ventile gelegen und für die Beklagte (und deren Beschäftigte) nicht mit zumutbaren Mitteln überprüfbar und damit praktisch nicht erkennbar gewesen sei. Eine Schutzgesetzverletzung habe die Beklagte nicht zu vertreten. Den geltend gemachten Ausfall der Automatenaufstellerin an Einnahmen während der explosionsbedingten Schließung des Aufstellungslokales wertete die Beklagte als nicht ersatzfähigen Drittschaden.
Das Erstgericht fällte ein die Ersatzansprüche beider Klägerinnen bejahendes Zwischenurteil.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung lediglich in Ansehung des reinen Instandsetzungsaufwandes der Kaffeehauspächterin; in Ansehung des Klagebegehrens der Automatenaufstellerin und in Ansehung des Anspruches der Kaffeehauspächterin auf Ersatz von Verdienstentgang änderte das Berufungsgericht das erstinstanzliche Zwischenurteil im klageabweisenden Sinne ab.
Aus den vom Berufungsgericht übernommenen erstrichterlichen Feststellungen ist in Ergänzung des eingangs dargestellten Sachverhaltes hervorzuheben:
Das Gas, das am 9. Februar 1982 die Explosion im Gastraum der Kaffeehauspächterin bewirkte, entströmte einem Versandbehälter der Beklagten. Dieser Druckbehälter mit einem Fassungsraum von 23,5 Liter und einem zulässigen Füllgewicht von 10 kg eines ausländischen Herstellers wurde als Eigentum der Beklagten vom Technischen Überwachungsverein Wien auf seine Druckfestigkeit geprüft, ohne daß dabei auch die Absperrausrüstung überprüft worden wäre. Mit einer Sammelbescheinigung vom 28. Jänner 1980 bestätigte der Technische Überwachungsverein, daß die Versandbehälter, unter denen sich auch der oben erwähnte befand, unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften in Verkehr gesetzt werden können. Der Druckbehälter ist mit einem durch Drehung eines Handrades zu betätigenden Ventil ausgestattet. Das Ventil soll nach seiner Konstruktion gegen ein unbeabsichtigtes vollständiges Herausschrauben der über das Handrad zu bewegenden Spindel aus dem Ventilgehäuse durch zwei Stahlnieten gesichert sein. Jede dieser Hohlnieten soll durch zwei im äußeren Teil des Ventilgehäuses befindliche Bohrungen geführt und beiderseits umgebörtelt sein. Im Inneren des Ventilgehäuses sollen diese Hohlnieten den Ventilweg sperren. Von außen sind die umgebörtelten Enden der Hohlnieten bei geschlossenen Ventilen durch das Handrad derart verdeckt, daß nur unter einem Winkel von etwa 45 Grad zur Ventilachse (= Längsachse des knapp 50 cm hohen Rundkörpers) im Sehstrahl von unten Sicht auf die Hohlnietenenden besteht. Der Versandbehälter der Beklagten, an dem am 9. Februar 1982 die Beschäftigte der Kaffeehauspächterin durch Drehung des Ventilrades das Ventil unabsichtlich ganz aus dem Gewinde schraubte, war mit einem Ventil ausgestattet, das nicht mit den konstruktiv vorgesehenen Sicherheitshohlnieten versehen war. Das Fehlen der Ventilsicherung hätte vor jeder Füllung des Behälters durch den rein mechanischen Prüfvorgang einer Drehung des Handrades bis zum (zu erwartenden) Anschlag festgestellt werden können. Nach einer mit 01/82 datierten internen Arbeitsrichtlinie der Beklagten sollte jede Gasflasche vor ihrer Füllung unter anderem durch Öffnung des Ventiles bis zum Anschlag kontrolliert werden. Eine solche Prüfung nähme je Behälter einige Sekunden in Anspruch. In rechtlicher Beurteilung lastete das Erstgericht der Beklagten die Unterlassung der nach der Dampfkesselverordnung BGBl. Nr.83/1948 in der Fassung des BGBl. Nr.132/1981 und § 51 Abs.2 der Flüssiggasverordnung BGBl. Nr.139/1971 gebotenen und nach der festgestellten Art und dem erforderlichen Zeitaufwand als zumutbar gewerteten Prüfung des Absperrventiles und damit eine haftungsbegründende Übertretung einer Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB an.
Das Berufungsgericht teilte die erstrichterliche Wertung, daß die Beklagte zur Kontrolle der Funktionstüchtigkeit des Absperrventiles als einer ihr zumutbaren, vernünftigerweise vorzukehrenden Sicherungsmaßnahme verpflichtet gewesen wäre, diese Maßnahme aber unterlassen und damit Bestimmungen der Flüssiggasverordnung verletzt habe. Das Berufungsgericht vertrat aber die Ansicht, daß die Beklagte den beiden Klägerinnen, zu denen sie in keinem Vertragsverhältnis gestanden sei, nur nach deliktischen Grundsätzen hafte und ein Organisations- oder Überwachungsversehen der Organe der Beklagten nicht einmal behauptet worden sei, ebensowenig die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Haftung nach § 1315 ABGB. Der Verdienstausfall der ersten Klägerin sei als sogenannter mittelbarer Schaden keinesfalls ersatzfähig. Die zweite Klägerin könnte als Letztverbraucher eines von der Beklagten in Verkehr gesetzten Produktes die vertragliche Haftung des Produzenten in Anspruch nehmen, soweit der Vertrag der Beklagten mit ihrem unmittelbaren Produktabnehmer die Vereinbarung einer Übernahme von Schutzpflichten zugunsten des Letztverbrauchers enthielte. Dabei würden aber nur absolut geschützte Rechte und nicht auch reine Vermögensschäden in den Schutzbereich einbezogen; Verdienstentgang sei im Rahmen einer vertraglichen Haftung auf Grund eines übernommenen Schutzes Dritter nicht zu ersetzen. Die erste Klägerin ficht das in Ansehung ihres Begehrens zur Gänze abweisliche Berufungsurteil, die zweite Klägerin die in Ansehung ihres Verdienstentgangteilbegehrens abweisliche Berufungsentscheidung wegen Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Zwischenurteiles zielenden Abänderungsantrag an. Die Beklagte erachtet die Revision der ersten Klägerin mangels Erfüllung der Voraussetzungen nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO als unzulässig und strebt im übrigen die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Bei der Entscheidung über die Verdienstentgangsbegehren beider Klägerinnen war die Frage nach dem Grund und einer allfälligen Begrenzung der Haftung eines Warenherstellers zu lösen, der seine Erzeugnisse in besonderen, in seinem Eigentum verbleibenden Versandbehältern in Verkehr setzt und sein Erzeugnis über selbständige Zwischenhändler an die Letztverbraucher gelangen läßt, wenn als Folge eines Mangels am Versandbehälter einerseits dem Letztverbraucher selbst und andererseits seinem obligatorisch verbundenen Vertragspartner ein Vermögensschaden erwächst. Diese Fragestellung erfüllt schon wegen der durch das Sachverhaltselement des Versandbehälters die Voraussetzung nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO. Soweit die genannte Fragestellung zum Inhalt der Revisionsausführungen gemacht wurde, erscheint auch ein nach § 503 Abs.2 ZPO beachtlicher Anfechtungsgrund ausgeführt. Entgegen der Ansicht der Revisionsgegnerin ist nicht nur die Revision der zweiten, sondern auch die der ersten Klägerin zulässig.
Zur Haftungsfrage ist zu erwägen:
Propangas muß wegen seiner physikalischen Eigenschaften in Spezialbehältern aufbewahrt werden. Bringt der Hersteller das Gas in eigenen, bereits auf die Bedürfnisse der Letztverbraucher abgestimmten Behältnissen in den Handel, dann verbindet ihn mangels ausdrücklicher abweichender Vereinbarung als Eigentümer des Versandbehälters mit dessen jeweiligem rechtmäßigen Besitzer über das Benützungsrecht am Behälter unmittelbar ein besonderes vertragliches Verhältnis: Das besitzvermittelnde Benützungsrecht des Letztverbrauchers am Versandbehälter ist nicht, einer Untermiete vergleichbar, als ein vom Zwischenhändler abgeleitetes Recht, sondern als ein durch den Zwischenhändler vermitteltes, unmittelbar vom Warenhersteller und Behältniseigentümer abgeleitetes Recht aufzufassen, wobei dem Zwischenhändler die Befugnis eingeräumt erscheint, seinen Warenabnehmer als (zeitlich) nachfolgeberechtigten Besitzer zu bestimmen. Der Erzeuger hat in seinem Warenverkaufspreis bereits die Fremdbenützung seines Versandbehälters durch den jeweiligen rechtmäßigen Besitzer einkalkuliert. Die Benützung durch den Händler durch allfällige weitere Zwischenhändler und endlich durch den Letztverbraucher ist in dem synallagmatischen Leistungsaustausch des Herstellers mit seinem unmittelbaren Vertragspartner eingebunden. Das vertraglich eingeräumte und im Sinne der Verkaufskette abtretbare Recht zum Gebrauch des Versandbehälters des Warenherstellers verbindet diesen dem jeweiligen rechtmäßigen Besitzer des Behälters gegenüber, dafür vorzusorgen und gegebenenfalls dafür einzustehen, daß dem Benützungsberechtigten durch den technischen Zustand des Behälters kein Nachteil an seinen rechtlich geschützten Interessen entstehe. Diese besondere vertragliche Beziehung unterscheidet in schadenersatzrechtlich erheblicher Weise die Stellung der zweiten Klägerin einerseits und die der ersten Klägerin andererseits zur Beklagten.
Die erste Klägerin ist durch keine unmittelbare vertragliche Beziehung, auch nicht durch eine auf Grund Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, in Ansehung der Benützung der Propangasflasche mit der Beklagten verbunden. Die Beklagte könnte der ersten Klägerin gegenüber nur kraft außervertraglichen rechtswidrigen Verhaltens ersatzpflichtig werden, eine solche Haftung ist aber auf die Folgen einer Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter beschränkt. Das gilt grundsätzlich auch für die Fälle von Schutznormübertretungen, wenn nicht etwa als Schutzzweck einer bestimmten Norm die Hintanhaltung eines über die Aufrechterhaltung absolut geschützter Rechtspositionen hinausgehenden Interesses einer bestimmten Person an ihren vermögenswerten Interessen zu erkennen wäre. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß das bei der Flüssiggasverordnung BGBl. Nr.139/1971 nicht der Fall ist. Zwischen der zum Haftungsgrund erhobenen Schutznormverletzung und dem von der ersten Klägerin begehrten Verdienstentgang fehlt es am Rechtswidrigkeitszusammenhang. Nichts anderes hat das Berufungsgericht mit der Wendung über das Vorliegen eines nicht ersatzfähigen mittelbaren Schadens der Sache nach zum Ausdruck gebracht.
Der Revision der ersten Klägerin war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.
Der zweiten Klägerin gegenüber stellt sich die Verwendung einer Propangasflasche ohne funktionstüchtige Sicherung des Ventilverschlusses als Verletzung einer vertraglichen Nebenverpflichtung der Beklagten zur entgeltlichen Gebrauchsüberlassung dar. Daher trifft die Beklagte gegenüber der zweiten Klägerin sowohl die Haftung für Erfüllungsgehilfen als auch die Last eines Freibeweises nach § 1298 ABGB. Ein solcher Beweis ist nicht gelungen. Die zweite Klägerin kann als rechtmäßiger Besitzer des durch die Explosion für den widmungsgemäßen Gebrauch als Kaffeehaus unbrauchbar gewordenen Raumes samt Einrichtung Ersatz des während der notwendigen Instandsetzungszeit erlittenen Verdienstentganges als zwingende Folge des Gerätemangels von der Beklagten fordern, weil zwischen der Vertragspflichtverletzung der Beklagten und dem Verdienstentgang der Klägerin der Rechtswidrigkeitszusammenhang vorliegt. Die Berechnung des Schadens in einer objektiv-abstrakten Methode ist allerdings nach der Art des zu ersetzenden Verdienstausfalles ausgeschlossen.
Der Revision der zweiten Klägerin war daher stattzugeben und das Zwischenurteil erster Instanz wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung im Rechtsstreit der ersten Klägerin beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO, wobei die Kosten der von der Beklagten zu den Revisionen der beiden Klägerinnen in einem einheitlichen Schriftsatz verfaßten Revisionsbeantwortung nach dem Verhältnis der revisionsverfangenen Streitwerte zu 7/9 dem Verfahren der ersten Klägerin und zu 2/9 dem Verfahren der zweiten Klägerin zuzuordnen waren. Der Vorbehalt der Entscheidung über die im Verfahren der zweiten Klägerin aufgelaufenen Rechtsmittelkosten zweiter und dritter Instanz beruht auf § 393 Abs.4 ZPO.
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