OGH 6Ob617/85

OGH6Ob617/854.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma S*** A*** FÜR E***, Salzburg,

Schwarzstraße 44, vertreten durch Dr. Rupert Wöll und Dr. Ferdinand Wöll, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Ö*** B***, vertreten durch die Finanzprokuratur,

Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 108.289,40 S s.A. infolge der Revisionen der klagenden und der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4. Feber 1985, GZ 1 R 301/84-12, womit infolge der Berufungen der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 10. August 1984, GZ 1 Cg 507/83-5, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Beiden Revisionen wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei ist Inhaber der 30 kV-Stichleitung (Hochspannungsdrehstromfreileitung) Mittersill/Aufeld. Die beklagte Partei ist Inhaber der von Uttendorf nach Zirl führenden 110 kV Bahnstromübertragungsleitung. Die Leitung der beklagten Partei wird in deren 352,3 m langem Kreuzungsspannfeld 25-26 in 159 m Entfernung vom nächsten 110 kV-Mast Nr. 26 von der 30 kV-Leitung der klagenden Partei in deren 67 m langem Kreuzungsspannfeld 5-6 unterkreuzt. Am 26. Dezember 1981 rissen bei Mast 26 der 110 kV-Leitung der beklagten Partei beide Isolatorketten der Doppelabspannung vom oberen Leiterseil (Phase R). Dadurch fiel das Leiterseil der beklagten Partei auf die unterkreuzende 30 kV-Leitung der klagenden Partei, wobei beide Leitungen bei Berührung durch Abbrand getrennt wurden. Die klagende Partei begehrte die Bezahlung eines Betrages von 108.289,40 S s.A. und brachte vor, daß das Begehren auf Rückersatz der Reparaturkosten für die bei dem dargestellten Vorfall entstandenen Schäden auf die Bestimmungen des Reichshaftpflichtgesetzes (RHG) gestützt werde. Die Ersatzforderung für die Wiederinstandsetzung der Schäden an den abgebrannten Leitungen wurde mit 71.826 S beziffert. Die Kosten für die Auswechslung eines beschädigten Schalters einer Gittermaststation wurden mit 17.939,40 S angegeben. Daneben wurden Auslagen im Zusammenhang mit Leitungsstörungen im Umspannwerk Mittersill insbesondere in der Stromversorgung des Rechners im Betrag von 18.524 S geltend gemacht.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage und brachte vor, daß sie ein Verschulden an dem Gebrechen nicht zu vertreten habe. Die klagende Partei habe vor Errichtung ihrer 30 kV-Leitung auf alle Schadenersatzansprüche gegenüber der beklagten Partei verzichtet. Das Begehren der klagenden Partei sei nicht ausgehend von den Bestimmungen des Reichshaftpflichtgesetzes, sondern jenen des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes zu prüfen, das einen derartigen Verzicht nicht ausschließe. Aber selbst bei Anwendung des Reichshaftpflichtgesetzes wäre der Verzicht der klagenden Partei wirksam, weil § 5 RHG auf das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen keine Anwendung zu finden habe. Auch wenn sich die beklagte Partei auf einen vereinbarten Haftungsausschluß nicht berufen könne und eine Haftung der beklagten Partei zu bejahen sei, wäre mit Rücksicht auf die beiderseitige Gefährlichkeit der stromführenden Anlagen eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 angemessen. Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Behebung der Schäden an bzw. in der Trafostation sei nach dem Gesetz ausgeschlossen. Hilfsweise wendete die beklagte Partei aus dem Titel der Reparaturkosten der eigenen 110 kV-Leitung einen Betrag von 7.231 S aufrechnungsweise ein.

Außer Streit gestellt wurde, daß beiden Streitteilen durch das Ereignis ein Schaden in der Höhe von je zumindest einem Schilling entstand.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren auf den Grund des Anspruches ein und sprach mit Zwischenurteil aus, daß der von der klagenden Partei geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach zu zwei Drittel zu Recht bestehe. Dabei legte es seine Entscheidung über den eingangs dargestellten Sachverhalt hinaus, folgende weitere Feststellungen zugrunde:

Mit Schreiben vom 17. Oktober 1982 übersandte die klagende Partei die Reparaturkostenrechnung und ersuchte um prompte Überweisung des aus dem Doppelkettenriß der 110 kV-Leitung der beklagten Partei entstandenen Schadensbetrages. Mit Schreiben der Elektrostreckenleitung Innsbruck der beklagten Partei vom 14. Jänner 1983 wurde die Bezahlung des geforderten Schadensbetrages abgelehnt. Mit Beschluß des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 16. Jänner 1979, Zl. 1.01-5710/11-1969, wurde für die 30 kV-Leitung Mittersill-Burg-Mittersill/Jochenfeld der klagenden Partei unter Auflagen die elektrizitätsrechtliche Bau- und Betriebsbewilligung erteilt. Diese Bewilligung wurde von der Behörde unter anderem mit der Auflage verbunden, daß den Ö*** B*** durch

die Errichtung, den Bestand und den Betrieb der projektierten S***-Leitung keinerlei Kosten erwachsen. Die Ö***

B***, Bundesbahndirektion Innsbruck, haben in einer Stellungnahme im Bau- und Betriebswilligungsverfahren gegen die Erteilung der elektrizitätsrechtlichen Bewilligung unter anderem unter der Bedingung keinen Einwand erhoben, daß den Ö*** B*** durch die Errichtung, den Bestand und den Betrieb der projektierten S***-Leitung keinerlei Kosten erwachsen. Bereits dem ursprünglichen Ansuchen der klagenden Partei um eisenbahnrechtliche Bewilligung der Unterkreuzung der 110 kV-ÖBB-Leitung Uttendorf/Zirl durch die 30 kV-Leitung Mittersill/Aufeld der S*** hatte die beklagte Partei mit Schreiben vom 10.Jänner 1972, GZ 80568-1-1971 unter anderem nur unter der Bedingung zugestimmt, daß die S*** bzw. deren Rechtsnachfolger auf Ersatz aller Schäden, die durch den ordnungsgemäßen Bestand oder Betrieb der Eisenbahn entstehen sollten, verzichtet. Das Erstgericht bejahte die Anwendbarkeit des § 1 a RHG auf den vorliegenden Fall mit der Erwägung, daß es sich bei der 110 kV-Übertragungsleitung um eine Anlage zur Fortleitung oder Abgabe von Elektrizität im Sinne dieses Gesetzes handle. Sie sei nicht dem Betrieb der Eisenbahn zuzurechnen, sodaß keine Grundlage für die Anwendbarkeit des Eisenbahn- und Kraftfahrzeughaftpflichtgesetzes bestehe. Der Schade sei auf die spezifische Wirkung der Elektrizität zurückzuführen, weshalb die Gefährdungshaftung des § 1 a Abs. 1 Satz 1 RHG eingreife. Damit sei auch der Entlastungsbeweis nicht zulässig. Ein Haftungsausschluß sei gemäß § 5 RHG unwirksam. Aus dem Gesetz könne nicht abgeleitet werden, daß diese Bestimmung zwischen zwei dem § 1 RHG angehörenden Personen keine Anwendung zu finden habe.

Gemäß § 9 b Abs. 1 RHG hänge die gegenseitige Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes zweier Inhaber einer Anlage im Sinne des § 1 a RHG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden überwiegend durch die eine oder andere Anlage verursacht worden sei, dies notwendigerweise unter der Voraussetzung, daß der Schaden durch mehrere im § 1 a bezeichnete Anlagen verursacht werde. § 9 b Abs. 1 zweiter Satz RHG setze also voraus, daß der Schaden durch mehrere Anlagen verursacht worden sei, im vorliegenden Fall also speziell in Form eines Unfalls, der auf die Wirkungen der Elektrizität zurückzuführen sei (§ 1 a RHG). Es könne kein Zweifel bestehen, daß der Schade an den Anlagen der klagenden Partei, insbesondere auch am Schalter der Gittermaststation, durch die Wirkungen der durch die 30 kV-Leitung Mittersill/Jochenfeld geleiteten Elektrizität (mit-)verursacht worden und demnach der Unfall auch auf diese Wirkungen zurückzuführen sei. Auch für die Anlage der klagenden Partei gelte, daß die an ihr entstandenen Schäden typischerweise durch die Wirkungen der Elektrizität verursacht worden seien, wenngleich auslösendes Moment des Schadenseintrittes das herabfallende Leiterseil der beklagten Partei gewesen sei. Es sei der Ansicht Koziols beizutreten, daß die bloß natürliche Kausalität kein über die bloße Feststellung der Mitverursachung des Schadens durch die Anlage der klagenden Partei hinausgehendes Aufteilungskriterium gebe. Von Mitverursachung könne nur gesprochen werden, wenn der Geschädigte eine conditio sine qua non für den Schandenseintritt gesetzt habe. Diese Verursachung sei jedoch nicht abstufbar. Jede Bedingung sei für das Eintreten des Erfolges nötig gewesen, keine könne weggedacht werden, ohne daß der Erfolg wegfiele. Demnach könne das Aufteilungskriterium des § 9 b RHG, wonach die gegenseitige Ersatzpflicht insbesondere davon abhänge, inwieweit der Schaden überwiegend durch die eine oder andere Anlage verursacht worden sei, so verstanden werden, daß es auf die von jeder der überkreuzenden Leitungen ausgegangene Gefahr ankomme. Da feststehe, daß das überkreuzende Leiterseil der beklagten Partei auf die Freileitung der klagenden Partei herabgefallen sei und sich erst dadurch die Wirkungen der Elektrizität hätten entfalten können, könne gesagt werden, daß von der Anlage der beklagten Partei jedenfalls eine deutlich größere Gefährdung ausgegangen sei als von der Anlage der klagenden Partei. Eine Schadensteilung im Ausmaß von 1 : 2 zu Lasten der beklagten Partei sei im Sinne des § 9 b Abs. 1 RHG angemessen. Das Berufungsgericht gab den von beiden Parteien gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen nicht Folge. Es billigte unter Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Ersatzansprüche der klagenden Partei auf der Grundlage des Reichshaftpflichtgesetzes zu beurteilen seien. Auch dem Einwand, daß zwischen den Streitteilen ein Haftungsausschluß der beklagten Partei vereinbart worden sei, sei das Erstgericht zu Recht nicht gefolgt, weil § 5 RHG, der auch im Verhältnis der Streitteile anzuwenden sei, ednem wirksamen Haftungsausschluß entgegenstehe. Zu Unrecht berufe sich die beklagte Partei auf eine unrichtige Anwendung des § 1 a Abs. 3 Z 1 RHG, wonach die Ersatzpflicht nach § 1 a Abs. 1 RHG ausgeschlossen sei, wenn der Schade innerhalb eines Gebäudes entstanden und auf eine darin befindliche Anlage zurückzuführen oder wenn er innerhalb eines im Besitz des Inhabers der Anlage stehenden befriedeten Grundstückes entstanden sei. Nicht nur beim befriedeten Grundstück sondern auch beim dort erwähnten Gebäude sei darauf abgestellt, daß sich dieses im Besitz des Inhabers der Anlage und nicht im Besitz des Geschädigten befinde. Damit beziehe sich die Außerstreitstellung "des Klagebegehrens" durch die beklagte Partei der Höhe nach mit einem Schilling auch auf einen rechtlich dem Grunde nach einheitlich zu beurteilenden Schaden aus dem Absturz der 110 kV-Leitung der klagenden Partei und aus dem damit verbundenen Leitungsabbrand. Den von beiden Parteien gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensteilung vorgebrachten Argumenten sei nicht zu folgen. Entsprechend der im deutschen Recht üblichen Formulierung spreche auch § 9 b RHG davon, daß es auf die überwiegende Verursachung ankomme. Da die Verursachung selbst jedoch nicht abstufbar sei, könne es nur auf die Stärke der übrigen Zurechnungsgründe vor allem auf die Größe der Gefährlichkeit ankommen. Eine derartige Abwägung schreibe auch § 11 EKHG vor. Eine Aufteilung nach der Stärke der Zurechnungsmomente sei auch dann vorzunehmen, wenn ein Inhaber einer Anlage durch Fortleitung oder Abgabe von Elektrizität einen anderen Anlageninhaber geschädigt habe. Es werde damit nur entsprechend der Regel des § 1304 ABGB festgelegt, daß sich der Geschädigte auch seine Betriebsgefahr anrechnen lassen müsse. Es sei im Verfahren grundsätzlich unbestritten geblieben, daß der Eintritt des Schadens maßgeblich darauf zurückzuführen sei, daß zwei stromführende Hochspannungsleitungen miteinander in Berührung gekommen seien und dadurch der Abbrand erfolgt sei. Durch die vorgenommene Schadensteilung habe das Erstgericht die Größe der Gefährlichkeit der beiden Anlagen sachgerecht berücksichtigt, und insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, daß die 110 kV-Leitung der beklagten Partei auf die unterkreuzende 30 kV-Leitung der klagenden Partei abgestürzt und es dadurch zur Berührung der beiden Stromwege gekommen sei, welche den Schaden ausgelöst habe. Es sei zwar der klagenden Partei zuzugestehen, daß ihre Leitung für das Herabfallen der Leitung der beklagten Partei keine Ursache gebildet habe. Dies ändere aber nichts an der Tatsache, daß der Überschlagstrom der Leitung der beklagten Partei im Zusammenwirken mit der Stromführung auf der Leitung der klagenden Partei, für den Schadenseintritt in der gegebenen Form mitursächlich gewesen sei. Von den Prozeßparteien sei bezüglich der Größe und Intensität der Gefährlichkeit der beiden streitgegenständlichen Stromleitungen kein näheres Tatsachenvorbringen erstattet und kein unmittelbar darauf gerichtetes Beweisanbot gestellt worden. Bei den aufgezeigten Gefährlichkeitskomponenten und deren Intensität erscheine es als durchaus berechtigt, davon auszugehen, daß von der Anlage der beklagten Partei eine doppelt so große Gefahr ausgegangen sei, wie von jener der klagenden Partei.

Gegen den abweisenden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes richtet sich die auf die Anfechtungsgründe der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das Urteil dahingehend abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde oder aber es aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht, in eventu an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Die beklagte Partei begehrt mit ihrer auf den Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung.

Beide Parteien beantragen jeweils, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Beiden Revisionen kommt Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die beklagte Partei gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen wendet, daß der Beurteilung des erhobenen Begehrens die Bestimmungen des Reichshaftpflichtgesetzes zugrundezulegen seien, kommt ihren Ausführungen allerdings keine Berechtigung zu. Ein Unfall beim Betrieb einer Eisenbahn liegt dann vor, wenn ein unmittelbarer örtlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder mit Betriebseinrichtungen besteht. Ein Unfall ereignet sich dann beim Betrieb, wenn sich dabei die spezifischen Gefahren bei Eisenbahnen verwirklicht haben (ZVR 1985/158, S 311; 8 Ob 10/80). Im vorliegenden Fall war auslösendes Moment für den Eintritt des Schadensereignisses ein Gebrechen in einer Bahnstromleitung, einer Freileitung, die der Zuleitung der elektrischen Energie zur Einspeisung in die Fahrleitung der Ö*** B*** dient. Mag diese Leitung auch zur Versorgung des Eisenbahnbetriebes unterhalten werden und damit mittelbar dem Betrieb der Eisenbahn dienen, kann sie doch dem Begriff des Betriebes der Eisenbahn nicht unterstellt werden. Unabhängig vom späteren Verwendungszweck der durch die Leitung geführten Energie entwickelte sie keine, für den Bahnbetrieb spezifische Gefahr. Der Betrieb der Leitung schaffte vielmehr ausschließlich die Gefahrenlage, die durch § 1 a Abs. 1 erster Fall RHG umschrieben ist.

Auch aus der Berufung auf den behaupteten Haftungsausschluß ist für die beklagte Partei nichts gewonnen. § 9 b RHG bestimmt, daß dann, wenn der Schaden durch mehrere im § 1 a bezeichnete Anlagen verursacht worden ist und die Inhaber der Anlagen einem Dritten kraft Gesetzes zum Ersatz des Schadens verpflichtet sind, im Verhältnis der Inhaber zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon abhängt, inwieweit der Schaden überwiegend durch die eine oder andere Anlage verursacht worden ist. Das gleiche gilt, wenn der Schaden einem der Inhaber entstanden ist, von der Haftpflicht, die einen anderen von ihnen trifft. Durch diese Bestimmung wurde für den Fall des § 1 a RHG bei mehreren gesamtschuldnerisch haftenden Personen eine Ausgleichsvorschrift geschaffen (Wussow, Das Unfallhaftpflichtrecht12, Rdz 671), die nach der Fassung der Bestimmung auch Platz zu greifen hat, wenn sich der Schadensfall zwischen mehreren Inhabern von Anlagen im Sinne § 1 a ereignet. Die Bestimmungen über die Ausgleichspflicht können nicht losgelöst vom Haftungstatbestand betrachtet werden. Voraussetzung für die Ausgleichspflicht ist das Bestehen einer Haftung kraft Gesetzes. Ob diese Haftung besteht, ist auf Grund des § 1 a RHG zu prüfen. Nur wenn diese Prüfung das Bestehen einer Haftpflicht ergibt, kommt der Ausgleichsanspruch in Frage. Damit ist aber § 5 RHG, der den Grund der Haftung betrifft, bereits in diese erste Prüfung einzubeziehen. Vorerst ist zu untersuchen, ob ein Haftungstatbestand nach § 1 a RHG vorliegt, im weiteren ob allenfalls die Haftung wirksam ausgeschlossen wurde (was für den Fall eines Verzichtes nach Entstehen des Schadens zulässig wäre), und erst wenn dies zu einer Bejahung der Haftung führt, ist in eine Prüfung des Ausgleichsanspruches nach § 9 b RHG einzutreten. Der Inhaber einer Leitung, der gegen einen anderen Leitungsinhaber Ansprüche geltend macht, gründet seine Ansprüche gleichwohl auf § 1 a RHG, wobei § 9 b RHG durch die Normierung des Ausgleichsanspruches seinen Ersatzanspruch unter Umständen beschränkt. Der Rechtsansicht der beklagten Partei, das Begehren der klagenden Partei werde nicht aus § 1 a RHG sondern aus § 9 b RHG hergeleitet und § 5 RHG sei damit unanwendbar, kann nicht beigetreten werden.

Auch soweit die beklagte Partei dahin argumentiert, daß § 5 RHG auf Vereinbarungen zwischen zwei Leitungsinhabern nicht zur Anwendung zu kommen habe, kommt ihren Ausführungen keine Berechtigung zu. Die beklagte Partei vertritt dazu die Ansicht, daß schon aus der Formulierung des § 5 RHG, die zwischen Haftungsbeschränkungen zum Vorteil des Leitungsinhabers und anderen Haftungsbeschränkungen differenziere, die Absicht des Gesetzgebers deutlich zu erkenenn sei, die Ausnützung der Leichtfertigkeit oder der wirtschaftlich schwächeren Position eines von der Errichtung einer Leitung Betroffenen zu unterbinden, während grundsätzlich gegen die Regelung von Haftungsansprüchen auch im vorhinein nichts einzuwenden sei. Die Ansicht, daß eine im vorhinein getroffene Haftungsregelung zwischen zwei gleichberechtigten Leitungsinhabern unwirksam sei, sei verfehlt.

Friese, Kommentar zum Reichshaftpflichtgesetz setzt sich mit dem Motiv des Gesetzgebers nicht auseinander. Er führt unter Berufung auf die Gesetzesmaterialien (StenBer. 3,72) aus, daß die Vorschrift zwingendes Recht sei, der Unternehmer dürfe eine solche Vereinbarung auch dann nicht eingehen, wenn sie ihm von der anderen Seite angeboten werde, sei es von einer einzelnen Person sei es von einer Personengruppe. Unabänderbar sind die Bestimmungen über den Grund und den Umfang der Haftpflicht nach Maßgabe des Reichshaftpflichtgesetzes (Friese aaO 210). Wohl trifft es zu, daß in der neuen Lehre die Ansicht vertreten wird, daß die Bestimmung nur einen Schutz vor Leichtfertigkeit bezwecke, die häufig Platz greifen würde, wenn auf Ersatz für Schäden verzichtet werden solle, die noch nicht eingetreten seien und mit deren Eintritt der Betreffende auch nicht rechne, und daß überdies der Schutz des wirtschaftlichen Schwächeren gegenüber dem wirtschaftlichen Übermächtigen gewährleistet werden solle (Koziol, Haftpflichtrecht2 II, 423), doch kann hieraus nicht der von der beklagten Partei gewünschte Schluß abgeleitet werden. Die teleologische Reduktion verschafft der ratio legis nicht gegen einen so engen sondern gegen einen überschießenden weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung (vgl. SZ 52/132). Die Lücke besteht im Fehlen einer nach der ratio notwendigen Ausnahme. Vorausgesetzt ist stets der Nachweis, daß eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird, und daß sie sich von den "eigentlich gemeinten" Fallgruppen soweit unterscheidet, daß die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (Bydlinski in Rummel, Rdz 7 zu § 7 ABGB). Ein derartiger Fall liegt hier nicht vor, zumal nicht generell gesagt werden kann, daß eine wirtschaftliche Übermacht nur zwischen Inhabern von Anlagen nach § 1 a RHG und Personen bestehen kann, die dieser Gruppe nicht zuzurechnen sind. Ein wirtschaftliches Ungleichgewicht ist durchaus auch zwischen mehreren Inhabern von Anlagen im Sinne des Reichshaftpflichtgesetzes denkbar. Selbst unter Zugrundelegung der Aussagen der Lehre zur ratio des § 5 RHG kann daher die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung zwischen mehreren Unternehmern, die Inhaber von im § 1 a RHG bezeichneten Anlagen sind, nicht geschlossen werden. Damit fehlt es aber an der Voraussetzung, daß nach dem eindeutigen Zweck, den der Gesetzgeber mit der Regelung verfolgte, eine fest umrissene Personengruppe nicht erfaßt werden sollte, zumal in jedem Fall geprüft werden müßte, ob die Voraussetzung einer wirtschaftlichen Übermacht vorliegt. Der Gesetzeswortlaut bietet keine Grundlage für eine teleologische Reduktion in dem von der beklagten Partei vertretenen Sinn. Es ist daher davon auszugehen, daß die Bestimmung des § 5 RHG auch auf das Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen zur Anwendung zu kommen hat. Damit könnten aber aus einem allfällig abgegebenen Verzicht der klagenden Partei auf künftige Ersatzansprüche keine Rechtsfolgen abgeleitet werden, womit sich eine Überprüfung der Frage, ob eine derartige Vereinbarung zwischen den Streitteilen getroffen wurde, erübrigt. Aus dem Bescheid des Amtes der Salzburger Landesregierung vom 16.Jänner 1979 kann für den Standpunkt der beklagten Partei nichts abgeleitet werden, zumal dort nur die Auflage aufgenommen wurde, daß der beklagten Partei durch den Bestand und Betrieb der projektierten Leistung der klagenden Partei keine Kosten erwachsen dürfen. Die Regelung von Ersatzansprüchen zwischen den Streitteilen bildete nicht den Gegenstand dieser Entscheidung.

Die klagende Partei begehrt die Kosten für die Behebung des Leitungsschadens selbst, für den Ersatz eines Schalters einer Gittermaststation, sowie Kosten, die durch Leitungsstörungen im Umspannwerk Mittersill bzw. in der Stromversorgung des Rechners entstanden sind. Nach den Verfahrensergebnissen traten sowohl der Leitungsbruch wie auch der Schaden am Schalter der Gittermaststation nicht in einem Gebäube oder innerhalb eines im Besitz der beklagten Partei stehenden befriedeten Grundstückes auf, sodaß der Haftungsausschluß nach § 1 a Abs. 3 Z 1 RHG nicht in Frage kommen kann.

Die genaue örtliche Lage des Schadenseintrittes im Umspannwerk Mittersill steht nicht fest. Sollte jedoch, wofür die Umstände zu sprechen scheinen, der Schaden innerhalb eines Gebäudes entstanden sein, so wäre auch hieraus ein Haftungsausschluß nicht abzuleiten. Gemäß § 1 a Abs. 3 Z 1 RHG ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Schaden innerhalb eines Gebäudes entstanden und auf eine darin befindliche Anlage zurückzuführen, oder wenn er innerhalb eines im Besitz des Inhabers der Anlage stehenden befriedeten Grundstückes entstanden ist. Nach § 1 a Abs. 3 Z 2 RHG ist die Ersatzpflicht auch ausgeschlossen, wenn ein Energieverbrauchsgerät beschädigt oder durch ein solches Gerät ein Schaden verursacht worden ist. Diese Regelung ist nach der amtlichen Begründung beabsichtigt. Der Grund für diesen Haftungsausschluß liegt darin, daß solche Ereignisse die Öffentlichkeit nicht berühren. Schäden dieser Art treffen im allgemeinen nur Personen, die entweder als Abnehmer von Elektrizität oder Gas oder als deren Familienangehörige, Hausangestellte, Besucher oder Mieter die von der Anlage ausgehende Gefahr selbst auf sich nehmen müssen. Außerdem wollte das Gesetz ausgesprochenermaßen nicht in die vertraglichen Beziehungen zwischen den Elektrizitätsversorgungsunternehmen und ihren Abnehmern über die Lieferung von Strom eingreifen (Friese aaO 142). Diese Bestimmung kann nach der Begründung der Gesetzesmaterialien nur dahin verstanden werden, daß der Haftungsausschluß nur im Verhältnis zwischen dem Strombezieher und dem Stromabgeber zur Anwendung kommen soll. Nur auf diese Fälle kann nach dem Inhalt der amtlichen Begründung der Haftungsausschluß bezogen werden. Sind aber an einem Schadensfall ausschließlich zwei Inhaber von Anlagen im Sinne des § 1 a RHG beteiligt, ohne daß sie im Verhältnis von Stromabnehmer und Stromabgeber stehen, und kommt es durch ein Gebrechen an einer Leitung zur Einleitung von Strom in eine andere Leitung und in der Folge zum Eintritt eines Schadens innerhalb eines Gebäudes eines der Unternehmer, so sind die vorstehenden Haftungsausschlußbestimmungen nicht anwendbar. Den Ausführungen der Revision der beklagten Partei kommt in diesem Punkt sohin keine Berechtigung zu.

Zutreffend wenden sich beide Revisionswerber jedoch gegen die Entscheidung der Vorinstanzen über den Ausgleichsanspruch. Nach der Fassung des § 9 b RHG hängt im Fall, daß von einem Schadensfall nur Inhaber von Anlagen im Sinne des § 1 a RHG betroffen sind, im Verhältnis der Inhaber zueinander die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schade überwiegend durch die eine oder andere Anlage verursacht worden ist. Da die Verursachung nicht abstufbar ist, kann es, worauf die Vorinstanzen bereits zutreffend verwiesen haben, nur auf die größere Gefährlichkeit ankommen (Koziol Haftpflichtrecht2 II, 426), wobei die Eignung zur Schadenszufügung im konkreten Fall zu berücksichtigen ist (Koziol aaO I, 245 f). Bei Abwägung der im Rahmen des Ausgleichsanspruches von den Streitteilen jeweils zu tragenden Anteile wird allerdings auch die Tatsache zu berücksichtigen sein, daß durch die Errichtung der Leitung durch die klagende Partei die in diesem Zeitpunkt bereits bestehende Leitung der beklagten Partei unterkreuzt und damit erst die Gefahrenlage geschaffen wurde, die zur Entstehung des prozeßgegenständlichen Schadens führen konnte.

Für die Entscheidung über den Ausgleichsanspruch sind Feststellungen erforderlich über die Gefahr darüber, ob die Ursache für den Eintritt des Schadens einem der beteiligten Unternehmen allein zuzurechnen ist, oder ob auch die mit der Stromführung verbundene Gefährlichkeit der anderen Anlage zum Entstehen des Schadens beigetragen hat, bzw. wenn beide Unternehmen beteiligt waren, in welchem Ausmaß der Eintritt des Schadens der Gefährlichkeit der einen und der anderen Anlage zuzurechnen ist. Es trifft zwar zu, daß, wie das Berufungsgericht ausführt, von den Prozeßparteien zur Frage der Gefährlichkeit der beiden Leitungen kein näheres Tatsachenvorbringen erstattet und auch keine Beweisanbote gestellt wurden. Im Hinblick darauf, daß das Gesetz jedoch die Entscheidung über den Ausgleichsanspruch von diesen Umständen abhängig macht, wäre es erforderlich gewesen, diese Frage mit den Parteien zu erörtern, sie zur Erstattung eines Vorbringens zu diesem Fragenkomplex und zu geeigneten Beweisanboten anzuleiten. Da durch die Unterlassung dieser Erörterung wesentliche Grundlagen für die Entscheidung über den Ausgleichsanspruch fehlen, leidet das Verfahren an Mängeln, die zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen führen mußten.

Der Kostenvorbehalt stützt sich auf § 52 ZPO.

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