OGH 6Ob615/93

OGH6Ob615/937.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel, Dr.Redl, Dr.Kellner und Dr.Schiemer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Land Oberösterreich, vertreten durch Dr.Helmut Wildmoser, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen 132.680 S samt Nebenforderungen (Revisionsgegenstand: 123.080 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das zum Urteil des Landesgerichtes Linz vom 30.März 1993, GZ 5 Cg 240/91-13, ergangene Berufungsurteil des Oberlandesgerichtes Linz vom 13.Juli 1993, AZ 1 R 154/93 (ON 17), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 6.789,60 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten Umsatzsteuer 1.131,60 S) binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Ein oberösterreichischer Spediteur hatte im Sommer 1988 mehr als 70 200-l-Fässer mit PCB-hältigen Transformatorenaltöl, die er von einem niederösterreichischem Sonderabfallsammler übernommen hatte, zur Zwischenlagerung bis zum Weitertransport zur Entsorgung ins Ausland auf seinem Betriebsgelände gelagert. Die Gewerbebehörde hatte die Lagerung dieser Fässer im Freien und auf unbefestigtem Boden ohne besondere Brand- und Gewässerschutzvorkehrungen als nicht umweltgerecht erkannt und den Spediteur bescheidmäßig verpflichtet, sofort bis zum Vorhandensein einer geeigneten und genehmigten Lagereinrichtung die Transformatorenöle aus seinem Betrieb zu entfernen. Am 5.August 1988 hatte die Gewerbebehörde die Überstellung der Fässer mit dem Transformatoröl vom Speditionsgelände auf das Gelände eines oberösterreichischen Sonderabfallbeseitigers mündlich angeordnet und diese noch am selben Freitag vollzogene Sicherheitsmaßnahme nachträglich mit Bescheid vom Montag, dem 8. August 1988, ausgesprochen.

Der Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr, in deren Pflichtbereich das Lager des Sonderabfallbeseitigers liegt, setzte am Samstag, dem 6. August 1988, den im sogenannten Rufbereitschaftsdienst gestandenen Beamten der zuständigen Bezirkshauptmannschaft fernmündlich davon in Kenntnis, daß er wegen der - in den Medien berichteten - Lagerung der zu entsorgenden Fässer mit dem Transformatorenöl drei Anrufe anonym gebliebener Personen erhalten habe und daß Sabotageakte zu befürchten wären.

Hierauf sprach der Beamte der Bezirkshauptmannschaft gegenüber dem Feuerwehrkommandanten aus, daß die Freiwillige Feuerwehr durch ihre Mitglieder die Überwachung der Fässer aufrecht zu erhalten habe. Der Beamte der Bezirkshauptmannschaft ging dabei davon aus, daß sein Auftrag durch Art II § 4 Abs. 2 V-ÜG 1929 gedeckt sei. Eine besondere ministerielle Genehmigung, zur Sicherung des Einsatzes der Freiwilligen Feuerwehr einen (privatrechtlichen) Überwachungsauftrag zu erteilen, lag nicht vor.

Die Freiwillige Feuerwehr richtete sofort eine turnusmäßige Überwachung durch drei bis sechs Männer ein und hielt diese Überwachung bis zu dem am 22.August 1988 erfolgten Abtransport der Fässer aufrecht.

Der Landes-Feuerwehrkommandant übermittelte zu Handen des zuständigen Landesrates am 10.Januar 1989 eine unter Zugrundelegung der Feuerwehr-Tarifordnung (Fassung Januar 1987) erstellte Abrechnung über die von der Freiwilligen Feuerwehr geleisteten Dienste. Die nach Tagesleistungen aufgegliederte Zusammenstellung wies einen Gesamtbetrag von 132.680 S aus.

Die Bezirkshauptmannschaft übersandte diese - an sie weitergeleitete - Abrechnung dem Bundesministerium für Inneres mit dem Ersuchen um Bezahlung. Diese (dem Ministerium am 19.Mai 1989 zugegangene) Aufforderung blieb unbeantwortet.

Letztlich löste das Bundesland die Forderung der Freiwilligen Feuerwehr durch Zahlung des sich aus der Abrechnung ergebenden Betrages am 24.August 1990 ein.

Mit der am 2.August 1991 eingebrachten Klage begehrte das Bundesland vom Bund die Zahlung der eingelösten Forderung der Freiwilligen Feuerwehr für die im behördlichen Auftrag erbrachten Leistungen.

Der Bund bestritt vor allem eine ihn treffende Zahlungspflicht, einen bürgerlich-rechtlichen Anspruchsgrund für die Forderung der Freiwilligen Feuerwehr sowie einen wirksamen Forderungsübergang auf das klagende Bundesland und bestritt das Begehren ausdrücklich auch der Höhe nach.

Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Klagebegehren - nachdem die Prozeßeinrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges nach abgesonderter Verhandlung rechtskräftig verworfen worden war - statt.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil hinsichtlich des Zuspruches von 123.080 S samt 4 % Zinsen seit 24.August 1990 als Teilurteil und faßte im übrigen einen Aufhebungsbeschluß. Dazu sprach das Berufungsgericht zu seinem Teilurteil aus, daß eine Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs. 1 ZPO vorliege; zum Teilaufhebungsbeschluß sprach es aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht folgerte dabei in rechtlicher Beurteilung: Die auf Grund der von der Bezirkshauptmannschaft angeordneten Überwachung tätig gewordenen Freiwilligen Feuerwehr sei eine juristische Person im Sinne des § 20 OÖ Feuerpolizeiordnung, LGBl 1951/8. Bei dem Überwachungsdienst habe es sich um keine Brandbekämpfungsmaßnahme, aber auch um keine (von der Gemeinde) angeordnete individuelle Brandverhütungsmaßnahme (im Sinn des § 2 Abs. 2 b OÖ FeuerpolO) gehandelt. Die Leistungen der Freiwilligen Feuerwehr seien außerhalb ihres (gesetzlichen) Aufgabenbereiches gelegen gewesen. Die Behörde habe die Überwachung wegen befürchteter Sabotageakte - und nicht etwa wegen einer dem gelagerten Material eigenen besonderen Brandgefahr - veanlaßt. Der Feuerwehreinsatz sei daher nicht als feuerpolizeiliche Maßnahme, sondern als Maßnahme der allgemeinen Sicherheitspolizei zu werten. Die Behörde habe die Freiwillige Feuerwehr mittels privatrechtlichen Vertrages in Dienst genommen, denn die Erklärung des Beamten der Bezirkshauptmannschaft habe ein redlicher Erklärungsempfänger in der Lage des Feuerwehrkommandanten mangels öffentlich-rechtlicher Verpflichtung der Feuerwehr zur Überwachungsleistung nur als Anbot zum Abschluß eines privatrechtlichen Vertrages verstehen können. Zurechenbar sei die Erklärung des Beamten der Bezirkshauptmannschaft dem Bund, weil die konkrete Sicherungsmaßnahme als Angelegenheit der allgemeinen Sicherheitspolizei zu werten sei. Ob die Bezirkshauptmannschaft vom zuständigen Minister ermächtigt gewesen sei, die Freiwillige Feuerwehr durch bürgerlich-rechtlichen Vertrag in Dienst zu nehmen, sei nicht entscheidend, weil der Feuerkommandant nach der Kompetenz der Bezirksvertretungsbehörde im Sinne des Art II § 4 V-ÜG 1929 und der grundsätzlichen Möglichkeit, besonders in Dringlichkeitsfällen hoheitliche Aufgaben durch vertraglich in Dienst genommene Privatpersonen besorgen zu lassen, aus dem Grunde des § 1029 ABGB von der Befugnis des Beamten der Bezirkshauptmannschaft zum Abschluß eines Überwachungsvertrages namens des Bundes habe ausgehen dürfen. Zwischen der Feuerwehr und dem Bund sei daher ein privatrechtlicher Vertrag zustande gekommen, dessen Entgeltlichkeit durch die öffentlich-rechtlichen Kostenersatzregelungen der §§ 73 und 74 OÖ FeuerpolO nicht berührt würde. Mangels ausdrücklicher Entgeltvereinbarung seien die Tarifsätze für die auf öffentlich-rechtlicher Grundlage erbrachten Feuerwehrleistungen für die Beurteilung der angemessenen Entlohnung heranzuziehen. Für die reinen Überwachungsleistungen stehe der Freiwilligen Feuerwehr darnach ein bürgerlich-rechtlicher Entlohnungsanspruch in Höhe von 123.080 S zu. In Ansehung der in Rechnung gestellten Beträge für eine Mitwirkung beim Umfüllen der Fässer von zusammen 9.600 S müsse die vertragliche Grundlage für das Tätigwerden der Freiwilligen Feuerwehr noch näher geklärt werden.

Der Bund ficht das bestätigende Teilurteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klagsabweisung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Das Land strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen des in der vorliegenden Art noch nicht entschiedenen Zusammentreffens von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Fragen zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach Ansicht des Rekurswerbers habe die Freiwillige Feuerwehr nur Leistungen innerhalb ihres öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereiches erbracht, zu denen sie auch ohne besondere Aufforderung verpflichtet gewesen wäre.

Die in der Revision zitierte Regelung des § 18 OÖ FeuerpolO behandelt die Brandbekämpfung, nicht die im II.Teil des zitierten Gesetzes geregelte Brandverhütung (über Anordnung der Gemeinde). Soweit die Revisionsausführungen auf einen Aktenvermerk der Bezirkshauptmannschaft vom 10.August 1988 gestützt werden, gehen sie nicht von urteilsmäßig festgestellten Umständen aus. Im übrigen ist die Sicherung des zu entsorgenden Sonderabfalls auf dem Gelände des Sonderabfallbeseitigers als Begleitmaßnahme des gewerbebehördlichen Vollzuges einer Entfernung der Fässer vom Speditionsgelände und deren Lagerung auf einem als besser geeignet erachteten Gelände zu sehen.

Der Revisionswerber vertritt weiters die Ansicht, daß weder dem Beamten der Bezirkshauptmannschaft noch dem Feuerwehrkommandanten der Wille zum Abschluß eines bürgerlich-rechtlichen Vertrages unterstellt werden dürfe.

Mangels konkreter Parteienbehauptungen und Feststellungen über einen diesbezüglichen rechtsgeschäftlichen Willen der Gesprächspartner ist die Unterstellung des Berufungsgerichtes gerechtfertigt, daß der Feuerwehrkommandant den Auftrag zum Überwachungseinsatz zumindestens in der bedingten Absicht entgegengenommen habe, falls der Einsatz nicht auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Titels von der Gemeinde oder sonst wem kostenmäßig abgedeckt würde, mit dem Rechtsträger, in dessen Vollzugskompetenz die Sicherungsmaßnahme falle, einen Privatrechtsvertrag abzuschließen. Für eine gegenteilige Annahme fehlt es sowohl an einer Prozeßbehauptung als auch an tragfähigen Beweisergebnissen. (Die Frage nach der Zulässigkeit und den Voraussetzungen einer Umdeutung eines behördlichen Auftrages im Sinne eines hoheitlichen Befehls in eine bürgerlich-rechtlichen Vertragsofferte stellt sich aus diesem Grunde nicht.)

Der Revisionswerber will nach wie vor die vom Beamten der Bezirkshauptmannschaft veranlaßte Sicherungsmaßnahme als Akt der Feuerpolizei oder der örtlichen Sicherheitspolizei gewertet wissen.

Die Sicherung der zu entsorgenden Sonderabfallfässer, die auf dem behördlich ausgewählten Gelände nicht gegen einen als drohend angenommenen unbefugten Zugriff und Angriff ausreichend verschlossen werden konnten, durch Überwachungsmannschaften haben die Vorinstanzen ohne Rechtsirrtum dem Bereich der allgemeinen Sicherheitspolizei zugeordnet, die in die Vollzugskompetenz des Bundes fällt. Der Überwachungsdienst wäre im übrigen als Begleitmaßnahme zu der aus Umweltschutzgründen durchgeführten gewerbebehördlichen Vorkehrungen anzusehen und fiele daher auch unter diesem Gesichtspunkt in die Vollzugskompetenz des Bundes.

Unter dem Gesichtspunkt der Zurechnung der Sicherungsüberwachung in den Vollzugsbereich des Bundes bestreitet der Revisionswerber eine tragfähige Grundlage für die berufungsgerichtliche Annahme einer Anscheinsvollmacht auf Grund übertragener Verwaltungtätigkeit.

Grundsätzlich muß vorausgeschickt werden, daß die Betrauung mit dem Vollzug öffentlich-rechtlicher Aufgaben nicht einfach dem Anvertrauen einer Verwaltung im Sinne des § 1029 ABGB gleichgesetzt werden darf, weil der als Regelfall vorauszusetzende Vollzug durch behördliche Befehls- und Zwangsgewalt eben gewöhnlich nicht mit der rechtsgeschäftlichen Indienstnahme von Personen verbunden oder austauschbar ist. In dem Fall, als Vollzugsmaßnahmen besonders dringlich und anders nicht wirksam durchführbar erscheinen mögen, kann aber ausnahmsweise einem vom Vertreter der Behörde zu Leistungen außerhalb seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen Angesprochenen zugebilligt werden, keine Aufforderung zur Behördenhilfe, sondern das Anbot zu einem bürgerlich-rechtlichen Vertrag anzunehmen. Unter diesem allgemeinen grundsätzlichen Vorbehalt tritt das Revisionsgericht der im konkreten Fall aus den dargelegten besonderen Umständen getroffenen Ableitung des Berufungsgerichtes bei, daß zwischen dem mit der Vollzugskompetenz belasteten und durch den Beamten der Bezirkshauptmannschaft vertretenen Bund einerseits und der Freiwilligen Feuerwehr anderseits über deren Überwachungsleistungen ein privatrechtlicher Vertrag zustande gekommen ist.

Der Revision des Beklagten gegen das berufungsgerichtliche Teilurteil war aus diesen Erwägungen ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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