OGH 6Ob607/86

OGH6Ob607/8626.6.1986

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj.Irene P***, geboren am 19.Oktober 1969, infolge Revisionsrekurses der mj.Irene P***, 8643 Allerheiligen, Wieden 80, vertreten durch ihre Eltern Karl und Seraphine P***, Molkereiarbeiter bzw. Hausfrau, ebendort, diese vertreten durch Dr.Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Leoben als Rekursgerichtes vom 14.Mai 1986, GZ R 157/86-12, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kindberg vom 15.Jänner 1986, GZ P 5/86-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Minderjährige wurde als Mitfahrende bei einem Motorradunfall am 30.Juni 1985 in Allerheiligen im Mürztal schwer verletzt. Das Motorrad, dessen Lenker Wolfgang R*** den Unfall allein verschuldet hatte, ist bei der W*** A*** Versicherungs-Aktiengesellschaft gegen Haftpflicht versichert. Zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen der Minderjährigen erteilten die Minderjährige und ihre Eltern Karl und Seraphine P*** der O***-Schaden-Versicherungsberatung Gesellschaft m.b.H (im folgenden O***) am 11.September 1985 Vollmacht; außerdem sicherten sie der O*** unabhängig vom Umfang von deren Leistungen ein Honorar im Ausmaß vom 12 % des erstrittenen oder verglichenen Betrages zu, ermächtigten die Gesellschaft zu dessen Einbehaltung aus den eingehenden Zahlungen, verzichteten auf alle Einwendungen gegen deren Honorarforderung und stimmten zu, daß alle Zahlungen an diese Gesellschaft zu leisten seien.

Das Erstgericht versagte der Bevollmächtigung der O*** durch die Minderjährige die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung und erklärte deren bisherige Verhandlungsschritte für nichtig. Es führte aus, der Minderjährigen entstünden durch diese Bevollmächtigung höhere Kosten als durch die Betrauung eines Rechtsanwaltes. Bei außergerichtlicher Bereinigung übernehme der Haftpflichtversicherer des Motorrades die Kosten des Rechtsanwaltes, sodaß die Minderjährige damit nicht belastet würde. Bei gerichtlicher Verfolgung der Ansprüche müsse ohnedies ein Rechtsanwalt befaßt werden. Die Bevollmächtigung der O*** verstoße somit gegen die Interessen der Minderjährigen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Es vertrat die Auffassung, auch die Erteilung einer Vollmacht zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen im Ausmaß von etwa 200.000,-- S bedürfe der gerichtlichen Genehmigung im Sinne des § 154 Abs 3 ABGB, weil derartige rechtliche Schritte nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehörten. Es treffe zu, daß der Haftpflichtversicherer bei außergerichtlicher Bereinigung auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen vorprozessualen Kosten ersetze, wogegen die Minderjährige an die O*** jedenfalls 12 % des vergliechenen Betrages abführen müßte. Dem Argument, die O*** führe nicht bloß außergerichtliche Vergleichsverhandlungen, sondern besorge auch Sachverhaltserhebungen, Zeugenbefragungen und Beweissicherungen, sei entgegenzuhalten, daß das Alleinverschulden Wolfgang R***s ohnedies feststehe, die Ansprüche somit nur der Höhe nach strittig sein könnten und deshalb eine außergerichtliche Bereinigung zu erwarten sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Minderjährigen ist unzulässig. Das Rechtsmittel gegen eine bestätigtende Entscheidung des Rekursgerichtes ist im Verfahren außer Streitsachen nur soweit zulässig, als es sich auf die im § 16 Abs 1 AußStrG genannten Anfechtungsgründe stützten kann, und zurückzuweisen, wenn aus dem Schriftsatz nicht erkennbar ist, worin eine offenbare Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit oder Nullität gelegen sein soll. Die Minderjährige macht zwar Nichtigkeit und offenbare Gesetzwidrigkeit geltend, zeigt aber in ihren Ausführungen solche Anfechtungsgründe nicht auf. Als Nichtigkeit rügt sie lediglich, das Erstgericht habe seinen Beschluß gefaßt, ohne die Minderjährige, deren Eltern bzw. die O*** vorher über die näheren Umstände zu hören. Diese Ausführungen sind soweit aktenwidrig, als das Erstgericht die Minderjährige und deren Vater ohnedies vor seiner Beschlußfassung als Auskunftspersonen vernommen hat (ON 3). Verstößen gegen die Stoffsammlungspflicht (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG) kommt im übrigen grundsätzlich nicht das Gewicht einer Nichtigkeit zu. Außerdem blieb es der Minderjährigen unbenommen, jene Umstände, die das Erstgericht ihrer Meinung nach unberücksichtigt gelassen hatte, im Rechtsmittel an die zweite Instanz geltend zu machen. Von dieser aus dem Recht, im Verfahren außer Streitsachen Neuerungen vorzubringen (§ 10 AußStrG), erfließenden Befugnis hat die Minderjährige zudem ohnehin Gebrauch gemacht. Daß das Rekursgericht dieses Vorbringen nicht als berechtigt fand, kann schon begrifflich keine Nichtigkeit begründen.

Als offenbare Gesetzwidrigkeit rügt die Rechtsmittelwerberin, das Rekursgericht bevorzuge durch seine Entscheidung den Anwaltsstand in ungerechtfertigter Weise vor anderen Berufsgruppen, unterwerfe die Bevollmächtigung der O*** zu Unrecht der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung und erachte ohne zureichende Gründen die Voraussetzungen für eine solche Genehmigung nicht als gegeben.

Eine ungerechtfertigte Bevorzugung des Anwaltsstandes liegt der rekursgerichtlichen Entscheidung nicht zugrunde; das Gericht zweiter Instanz hat in seiner rechtlichen Beurteilung lediglich die Erwägung miteinbezogen, daß die Minderjährige bei Betrauung eines Rechtsanwaltes im Falle außergerichtlicher Bereinigung ihrer Ansprüche nicht durch dessen Kosten belastet werden würde, während sie nach der Vereinbarung mit der O*** jedenfalls 12 % der erstrittenen bzw. verglichenen Beträge an diese abzuführen habe. Die Frage, welche Vermögensangelegenheiten zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören, ist im § 154 Abs 3 ABGB nicht so klar und eindeutig geregelt, daß an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden könnte und das Rekursgericht dennoch anders entschieden hat. Dies gilt umso mehr für die von den Vorinstanzen verneinte Frage, ob die Bevollmächtigung der O*** zur Durchsetzung von Schadenersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall den Interessen der Minderjährigen besser entspreche als die Befassung eines Rechtsanwaltes. Zur Darstellung offenbarer Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG reicht es nicht aus, eine andere Auslegungsmöglichkeit aufzuzeigen. Es müßte vielmehr dargetan werden, daß die rekursgerichtliche Auslegung bestehenden Regeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar ist (EFSlg.44.653 u.v.a.). Eine solche Darstellung läßt die Minderjährige jedoch vermissen. Ob die Auslegung durch das Rekursgericht auch richtig ist, ist dagegen nicht zu prüfen, weil die unrichtige rechtliche Beurteilung keinen Anfechtungsgrund nach § 16 Abs 1 AußStrG bildet.

Der Revisionrekurs war deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

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