Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurskosten sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die zweit- und drittbeklagte Partei sind persönlich haftende Gesellschafter und Geschäftsführer der zu FN 94699t des Firmenbuches beim Landesgericht Wels eingetragenen erstbeklagten Partei. Im Vorprozeß 3 Cg 264/95y des Landesgerichtes Wels nahm die Erstbeklagte den nunmehrigen Kläger auf Zahlung von 444.783,88 S für die Vermittlung von Dachdeckerarbeiten, Zimmermannsarbeiten und Elektroinstallationen sowie für die Lieferung diverser Baustoffe in Anspruch. Das Landesgericht Wels stellte mit rechtskräftigem Urteil vom 23. 5. 1997, 3 Cg 264/95y-29, fest, die Erstbeklagte habe den mit dem nunmehrigen Kläger abgeschlossenen Werkvertrag betreffend den Aus- und Umbau eines Tennenraumes bzw Wirtschaftstraktes zu Wohnzwecken nicht fachgerecht ausgeführt, sodaß die Dachkonstruktion nicht mehr tragfähig sei und Bruchgefahr bestehe. Es beurteilte diesen Mangel als wesentlich und wies das Zahlungsbegehren infolge Wandlung des Werkvertrages ab.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von den Beklagten zur ungeteilten Hand Rückersatz bereits geleisteter Zahlungen, Ersatz nutzloser Aufwendungen und Kosten der Entfernung des mangelhaften Werkes. Aus den im Vorprozeß getroffenen Feststellungen ergebe sich die Berechtigung des Wandlungsanspruches. Damit sei der Rechtsgrund für die vom Kläger bereits geleisteten Zahlungen aus dem Werkvertrag weggefallen; überdies hätten die Beklagten auch die vom Kläger in Unkenntnis ihrer Fehlleistungen getätigten weiteren Aufwendungen, wie auch die Kosten der Wiederherstellung des vorigen Zustandes als Mangelfolgeschäden zu ersetzen.
Die Beklagten beantragten Klageabweisung. Der Kläger habe keinen Auftrag zur Bauführung erteilt, er habe die Beklagten lediglich mit der Vermittlung des Wareneinkaufes und von Leistungen Dritter beauftragt. Allfällige Mängel in der Statik seien durch vom Kläger direkt und nachträglich beauftragte Änderungen verursacht und mit nur geringem Aufwand zu beheben. Ein zur Wandlung berechtigender Mangel liege nicht vor. Eine Bindung an das im Vorprozeß ergangene Urteil bestehe nicht.
Die A***** GmbH trat dem Verfahren als Nebenintervenientin des Klägers bei.
Das Erstgericht erließ ein Zwischenurteil und sprach aus, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die Rechtskraft des Urteiles im Vorprozeß erstrecke sich auf alle die Klageabweisung tragenden Entscheidungsgründe, so daß im gegenständlichen Verfahren keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erhoben werden könnten, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozesses in Widerspruch stünden. Die im Vorprozeß getroffenen Feststellungen seien daher zu übernehmen. Daraus ergebe sich die Berechtigung des Wandlungsanspruches. Infolge Wegfalls des Werkvertrages hätten die Beklagten dem Kläger die davor geleisteten Beträge zurückzuerstatten, die Kosten der Beseitigung des mangelhaften Werkes und die sonstigen durch ihre Fehlleistung eingetretenen Schäden zu tragen.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der beklagten Parteien Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehle und die Rechtsprechung zur Frage, inwieweit die Grenzen der materiellen Rechtskraft aus Gründen der "Entscheidungsharmonie" ausgeweitet werden können, uneinheitlich sei.
Das Berufungsgericht verneinte die Bindungswirkung des im Vorprozeß ergangenen Urteils. Bei der Bindungswirkung handle es sich um einen Aspekt der materiellen Rechtskraft. Diese umfasse nur den in der Klage geltend gemachten Anspruch, sowie ein im Laufe des Prozesses streitig gewordenes Recht oder Rechtsverhältnis, über dessen (Nicht-)Bestehen aufgrund eines Zwischenantrages auf Feststellung urteilsmäßig abgesprochen worden sei. Sie erfasse nicht auch die Beurteilung von Vorfragen, es sei denn, diese wären aufgrund eines Zwischenantrages auf Feststellung zur Hauptfrage des Feststellungsurteils gemacht worden. Die Rechtsprechung erkenne Bindungswirkung auch dann zu, wenn die Parteien und der rechtserzeugende Sachverhalt identisch seien und beide Prozesse in so engem inhaltlichen Zusammenhang stünden, daß die Gebote der Rechtssicherheit und Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben in beiden Prozessen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatte. Allerdings erachte es ein Teil der Rechtsprechung als mit dem Gedanken der Rechtssicherheit vereinbar, wenn eine für unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage des Urteiles im Vorprozeß der Entscheidung im Folgeprozeß über weitere Ansprüche des Klägers nicht mehr zugrundegelegt werde. Eine Ausweitung der Grenzen der materiellen Rechtskraft allein aus Gründen der Entscheidungsharmonie komme nach dieser Auffassung nicht in Betracht. Die Entscheidung über Einwendungen erwachse - mit Ausnahme der Aufrechnungseinrede - nicht in Rechtskraft. Somit hindere die Bejahung oder Verneinung des einredeweisen vorgetragenen Wandlungsanspruches nicht die selbständige Geltendmachung der daraus abgeleiteten Ansprüche. Die Frage des Bestehens eines Wandlungsanspruches sei im Vorprozeß bloß Vorfrage für die Beurteilung der Berechtigung der den Gegenstand des Vorprozesses bildenden Kaufpreis- bzw Werklohnforderung gewesen. Einen Zwischenantrag auf Feststellung habe der nunmehrige Kläger nicht gestellt. Der im Vorprozeß getroffenen Feststellungen zum Vorhandensein wesentlicher Mängel und der einen Wandlungsanspruch des nunmehrigen Klägers bejahenden Rechtsansicht des damals erkennenden Gerichtes komme keine Bindungswirkung für den im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Anspruch zu. Die Rechtssache sei damit aber auch hinsichtlich des Anspruchsgrundes noch nicht zur Entscheidung reif. Das Erstgericht werde die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen der vom Kläger geltend gemachten Ansprüche im fortgesetzten Verfahren selbst zu prüfen haben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Klägers ist aus den vom Berufungsgericht angeführten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.
Der Rekurswerber vertritt die Auffassung, das im Vorprozeß über die Zahlungsklage ergangene abweisende Urteil entfalte insoweit Bindungswirkung, als es die Voraussetzung der Wandlung bejahte.
Bei der Bindungswirkung eines rechtskräftigen Urteiles handelt es sich um einen Aspekt der materiellen Rechtskraft (Fasching, Lehrbuch2 Rz 1499 ff; Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 411; SZ 69/54). Diese wirkt nicht nur bei einer - im vorliegenden Fall ohne Zweifel nicht vorliegenden - Identität des Anspruches oder im Falle des "begrifflichen Gegenteils", sondern auch - als Bindungswirkung - im Fall der Präjudizialität, das heißt, wenn der rechtskräftig entschiedene Spruch Vorfrage (bedingendes Rechtsverhältnis) für den neuen Anspruch ist (SZ 69/54; 4 Ob 132/98k; 5 Ob 12/99x; RIS-Justiz RS0041572 und RS0041251; Fasching aaO Rz 1514 ff; Rechberger aaO Rz 6 ff), also der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zum Tatbestand der mit der neuen Klage begehrten Rechtsfolge gehört (Fasching aaO Rz 1518; RZ 1989/96; 9 ObA 205/98g = RdW 1999, 80).
In der Rechtsprechung wird auch die Meinung vertreten, daß selbst mangels Identität des Begehrens das Urteil eines Vorprozesses zufolge seiner materiellen Rechtskraft zur inhaltlichen Bindung des später entscheidenden Gerichts führen könne, insbesondere, wenn Parteien und rechtserzeugender Inhalt identisch seien und beide Prozesse in einem so engen inhaltlichen Zusammenhang stünden, daß die Gebote der Rechtssicherheit und der Entscheidungsharmonie eine widersprechende Beantwortung derselben, in beiden Fällen entscheidenden Rechtsfrage nicht gestatten. Diese von der überwiegenden Lehre (Deixler-Hübner JBl 1996, 467; Frauenberger JBl 1994, 484; Oberhammer JAB 1996/97, 28 f; derselbe JBl 1995, 461; Fasching aaO Rz 1519; Rechberger aaO Rz 10; derselbe in FS Nakamura 477, 483 f) abgelehnte Ansicht wird von der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eingeschränkt
(SZ 68/2 = JBl 1995, 458 [Oberhammer]; SZ 69/54 = ecolex 1996, 600
[Oberhammer]; MietSlg 48.646; 48.645; 9 ObA 205/98g = RdW 1999, 80; 6
Ob 2155/96x; 6 Ob 211/98t; 5 Ob 12/99x). Danach reicht es nicht aus, daß eine im Vorprozeß relevante Vorfrage auch eine solche des späteren Prozesses ist. Bildet eine bestimmte Tatsache im Vorprozeß nicht den Hauptgegenstand des Verfahrens, sondern stellte sie lediglich eine Vorfrage dar, dann kommt der Entscheidung dieser Vorfrage keine bindende Wirkung im folgenden Prozeß zu. Lehre (etwa Rechberger in FS Nakamura 485) und Rechtsprechung (SZ 68/2; 9 ObA 205/98g = RdW 1999, 80 mwN; 5 Ob 12/99x) weisen zutreffend darauf hin, daß der Zwischenantrag auf Feststellung ausnahmsweise die Möglichkeit einer rechtskräftigen Feststellung von Vorfragen eröffnet. Die Annahme, daß auch die Feststellungen über eine Vorfrage im Vorprozeß selbständig rechtskräftig werden können, würde diesen Zwischenantrag auf Feststellung völlig entwerten und überdies § 411 ZPO widersprechen, wonach präjudizielle Rechtsverhältnisse dann rechtskräftig entschieden werden, wenn sie zum Inhalt eines Zwischenfeststellungsantrages gemacht wurden. Werden Vorfragen aber ohnehin bindend festgestellt, wäre dieser Halbsatz überflüssig (9 ObA 205/98g = RdW 1999, 80; 5 Ob 12/99x).
Bei der Entscheidung über die Zahlungsklage im Vorprozeß war das Vorliegen von zur Wandlung berechtigender Mängel lediglich eine Vorfrage. Das Klagebegehren hätte auch aufgrund anderer möglicher Einwendungen abgewiesen werden können. Die Vorfrage der Wandlung ist lediglich den Entscheidungsgründen zu entnehmen, die für sich allein nicht in Rechtskraft erwachsen können (Fasching aaO Rz 1520 und 1523; SZ 68/2; 6 Ob 211/98t; RIS-Justiz RS0041342). Eine Bindung bloß an die Entscheidungsbegründung der Vorentscheidung, womit diese Vorfrage des Vorprozesses behandelt wurde, besteht jedenfalls nicht (RIS-Justiz RS0041157).
Der erkennende Senat teilt die vom Obersten Gerichtshof schon mehrfach ausgesprochene Ansicht, wonach die Grenzen der materiellen Rechtskraft aus Gründen der "Entscheidungsharmonie" - möge diese auch noch so erstrebenswert sein - nicht ausgeweitet werden können und es mit dem Gedanken der Rechtssicherheit durchaus vereinbar ist, wenn eine als unrichtig erkannte Sachverhaltsgrundlage des Urteils im Vorprozeß der Entscheidung im Folgeprozeß nicht mehr zugrundegelegt wird, hindert doch die Feststellung einer Tatsache das Gericht nicht daran, über diese Tatsache, falls sie zur Begründung eines anderen Anspruches vorgebracht wird, andere oder gegenteilige Feststellungen zu treffen (SZ 69/55; RIS-Justiz RS0102102).
Das Berufungsgericht hat die Bindungswirkung der im Vorprozeß über die Zahlungsklage der nun erstbeklagten Partei ergangenen Entscheidung für das nun anhängige Verfahren zutreffend verneint. Die aufgetragene Verfahrensergänzung erweist sich damit als unumgänglich. Dem gegen den Aufhebungsbeschluß gerichteten Rekurs des Klägers wird nicht Folge gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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