Spruch:
Es ist nicht Sache des Gläubigers, zu behaupten und nachzuweisen, daß der Nachlaß zur Befriedigung seiner Forderung ausreicht, sondern der bedingt erbserklärte Schuldner muß die Unzulänglichkeit des Nachlasses einwenden und beweisen
Die verspätete Geltendmachung seiner Forderung schadet einem Gläubiger nur insoweit, als er nur im Rahmen der noch vorhandenen Nachlaßaktiven befriedigt wird. Jedoch dürfen jene Gläubiger, die rechtzeitig angemeldet haben, nicht schlechter gestellt werden, als wenn sich ersterer innerhalb der Ediktalfrist gemeldet hätte
OGH 10. Juni 1976, 6 Ob 598/76 (LGfZRS Wien 42 R 621/75; BG Innere Stadt Wien 34 C 239/75)
Text
Die Klägerin begehrte vom Erstbeklagten den Betrag von 10 549.50 S und von der Zweitbeklagten 3 516.50 S, beides samt Nebengebühren. Sie bracht am 30. September 1972 verstorbene Ernst Josef P habe ihr für Mietwagen- und Reparaturkosten den Betrag von 14 066 S geschuldet. Sein Nachlaß sei dem Erstbeklagten zu 3/4 und der Zweitbeklagten zu 1/4 eingeantwortet worden. Die Forderung finde im Nachlaß Deckung.
Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen und wendeten ein, daß sie nur bedingte Erbserklärungen abgegeben und die Einberufung der, Gläubiger gemäß § 813 ABGB beantragt hätten. Die Klägerin habe ihre Forderung nicht bis zum Ablauf der Ediktalfrist (6. März 1973) geltend gemacht. Der Nachlaß sei in der Höhe von 182 000 S passiv.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der Gatte der Zweitbeklagten und Vater des Erstbeklagten Ernst Josef P verstarb am 30. September 1972. Er hatte bei der Klägerin ein Mietfahrzeug gemietet, für welches an Mietwagenkosten 12 566 S und an Reparaturkosten 1500 S per 12. September 1972 offen waren. Die beiden Beklagten gaben zum Nachlaß bedingte Erbserklärungen ab. Am 13. Dezember 1972 erfolgte die Einberufung der Verlassenschaftsgläubiger. Die Ediktalfrist endete am 6. Feber 1973. Zur Gläubigerkonvokation erschien am 6. Feber 1973 beim Bezirksgericht E niemand. Im Hauptinventar wurden die Aktiven, die fast ausschließlich aus Liegenschaften bestanden, mit 127 330 S, die Passiven aber mit 309 099.02 S festgestellt, woraus sich eine Überschuldung des Nachlasses mit 182 669.02 S ergab. Das Erstgericht stellte im nunmehrigen Verfahren auf Grund neuerlicher Schätzungen den tatsächlichen Wert der Aktiven mit 220 772 S und der Passiven mit 309 099.02 S fest. Zur hauptsächlichen Passivpost, nämlich der Forderung der Volksbank Ost im Betrag von 209 486.52 S stellte das Erstgericht fest, daß der Erblasser der Darlehensnehmer war, während die Zweitbeklagte für diese Schuld nur als Bürgin haftet.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der Klägerin kein Anspruch zustehe, da die Beklagten nur bedingt Erbserklärungen abgegeben hätten, die Klägerin trotz Gläubigerkonvokation ihre Forderung nicht angemeldet habe und die Verlassenschaft durch Bezahlung der angemeldeten Forderungen erschöpft sei. Dies ergebe sich daraus, daß die Zweitbeklagte als Bürgin die aushaftenden Darlehensbeträge noch immer regelmäßig bezahle.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es übernahm zwar die Feststellungen des Erstgerichtes, welche seiner Ansicht nach auf Grund eines mangelfreien Verfahrens getroffen wurden, vertrat jedoch die Rechtsansicht, daß die Sache noch nicht spruchreif sei. Wenn auch die Klägerin ihre Forderung nicht innerhalb der Ediktalfrist angemeldet habe und diese Forderung den Beklagten auch nicht bekannt gewesen sei, so könne sie diese doch so lange geltend machen, als der Nachlaß nicht durch wirkliche Zahlung - also nicht bloß durch abstrakte Überschuldung - erschöpft sei. Der Nachlaß sei bei Überschuldung kridamäßig aufzuteilen. Das Erstgericht werde daher im fortgesetzten Verfahren die Aktiven und Passiven im Zeitpunkt der Einantwortung des Nachlasses zu ermitteln haben (das Schätzungsgutachten des Sachverständigen sei dagegen auf den Todestag des Erblassers abgestellt) und sodann unter Vorabzug der "Masseforderungen" festzustellen haben, inwieweit der Rest der Aktiven durch Zahlungen bereits erschöpft seien. Darauf, daß allenfalls Pfandrechte zu Gunsten irgend welcher Gläubiger bestehen, sei nicht einzugehen, da die Beklagten nie eingewendet hätten, daß solche Pfandrechte bestunden und die Pfandgläubiger ihr dingliches Recht ausgeübt hätten.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Die beschränkte Haftung des bedingt erbserklärten Erben bedeutet keine Exekutionsbeschränkung, sondern ist eine im Prozeß einzuwendende und zu prüfende Minderung der materiellrechtlichen Verpflichtungen. Es ist nicht Sache des Gläubigers, im Verfahren zu behaupten und nachzuweisen, daß der Nachlaß zur Befriedigung seiner Forderung ausreicht, sondern der Schuldner muß die Unzulänglichkeit des Nachlasses einwenden und beweisen (Weiß in Klang[2] III, 1031;, Ehrenzweig, System II/2, 530; SZ 42/59 u. a.). Im vorliegenden Fall haben die Beklagten lediglich auf ihre bedingte Erbserklärung, die Gläubigerkonvokation und die Überschuldung des Nachlasses verwiesen, nicht aber behauptet, daß die Klägerin bei konkursmäßiger Befriedigung der Forderungen gegen den Nachlaß (Weiß, 1028; Gschnitzer, Erbrecht, 63; Ehrenzweig, 529; Pfeiffer, Der überschuldete Nachlaß in NZ 1957, 99, insbesondere 101; SZ 14/208 u. a.) nicht zum Zug gekommen wäre. Trotz dieser mangelnden ausdrücklichen Einrede ist allerdings die Rechtssache noch nicht spruchreif im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens, da das Erstgericht im Hinblick auf die immerhin erhobenen Einreden der Überschuldung des Nachlasses, der bedingten Erbserklärungen und der Gläubigerkonvokation im Rahmen der Prozeßleitung darauf hinwirken hätte müssen, daß die Beklagten ein entsprechendes konkreteres Vorbringen erstatten. Schon aus diesem Grund hat daher das Berufungsgericht das Ersturteil mit Recht aufgehoben. Es können daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, mangels Einwendung derzeit auch keine Absonderungsrechte von Gläubigern an den Nachlaßliegenschaften berücksichtigt werden. Diesbezüglich fehlt im Ersturteil auch jegliche Feststellung über die Höhe derartiger Pfandrechte an den einzelnen Liegenschaften. Daß aber solche pfandrechtlich sichergestellte Forderungen nur dann als nachlaßmindernd zu berücksichtigen seien, wenn sie im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung bereits bezahlt waren, hat das Berufungsgericht, welches die Frage der Absonderungsansprüche ausdrücklich ausklammerte, nicht gesagt.
Dem Berufungsgericht ist auch zuzustimmen, daß die Versäumung der Ediktalfrist durch die Klägerin noch nicht bedeutet, daß sie damit ihre Forderungen verloren hätte. Vielmehr schadet einem Gläubiger die verspätete Geltendmachung seiner Forderung nur insoweit, als er nur im Rahmen der noch vorhandenen Nachlaßaktiven befriedigt wird (Ehrenzweig, 529; Koziol - Welser, Grundriß[3] II, 266; GlU 10 941, 12 648 und 13 465). Schließlich ist dem Berufungsgericht auch zuzustimmen, daß hiedurch jene Gläubiger, die rechtzeitig angemeldet haben, nicht schlechter gestellt werden dürfen, als wenn sich die Klägerin innerhalb der Ediktalfrist gemeldet hätte.
Das Berufungsgericht hat damit mit Recht das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
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