OGH 6Ob597/89

OGH6Ob597/8931.5.1989

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** Gesellschaft m.b.H., 8243 Pinggau 170, vertreten durch Dr. Tobias Reinisch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ingrid M***, Angestellte, Klosterwald 674/2/3, 6100 Seefeld, vertreten durch Dr. Ilse Kraml, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 1,451.367,86 s.A. infolge Revisionsrekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgerichtes vom 1. Dezember 1988, GZ. 5 R 202/88-12, womit der Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 21. September 1988, GZ. 13 Cg 40/88-8, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 19.886,40 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten S 3.314,40 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung

Die klagende Partei berief sich in der Klage, die auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des aus der laufenden Belieferung mit Waren errechneten Saldos von zuletzt S 1,451.367,86 s. A. gerichtet ist, zur Dartuung der Zuständigkeit des Erstgerichtes auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes sowie eine Gerichtsstandsvereinbarung.

Die Beklagte erhob die Einreden der örtlichen und der sachlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes.

Das Erstgericht wies - nachdem es die abgesonderte Verhandlung über diese Einreden der Beklagten angeordnet hatte - beide Einreden zurück. Es führte aus, durch Unterfertigung des Stammauftrages, auf dessen Rückseite die Verkaufsbedingungen der klagenden Partei abgedruckt gewesen seien, die vorsähen, daß Erfüllungsort für die Zahlung sowie ausschließlicher Gerichtsstand Wien sei, habe die Beklagte Wien als Gerichtsstand vereinbart. Da sich auf der Vorderseite neben der für die Unterschrift der Beklagten vorgesehenen Spalte ein Hinweis auf die umseits abgedruckten Verkaufsbedingungen der klagenden Partei befinde, widerspreche es jedweder kaufmännischen Gebarung, die Bedingungen vor Unterfertigung nicht durchzulesen. Die einzelnen dem eingeklagten Saldo zugrundeliegenden Forderungen stünden im rechtlichen und tatsächlichen Zusammenhang, weil die Beklagte auf Grund des Stammauftrages jährlich zwei Bestellungen aufgegeben habe, die die klagende Partei in Teillieferungen erfüllt habe. Außerdem habe die Beklagte den Saldo ausdrücklich schriftlich anerkannt. Die Forderungen seien daher zusammenzurechnen. Daß die Beklagte derzeit nicht mehr Handelsfrau sei, sei gemäß § 43 Abs. 3 JN ohne Bedeutung. Das Gericht zweiter Instanz sprach die Unzuständigkeit des Erstgerichtes aus, hob das bisherige Verfahren auf und wies die Klage zurück. Es führte aus, die klagende Partei habe sich auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes gemäß § 88 Abs. 1 JN berufen, nach welcher Bestimmung der Kläger im Bestreitungsfall die Vereinbarung des Erfüllungsortes urkundlich nachzuweisen habe. Der Erfüllungsort müsse in der Urkunde namentlich angeführt sein und dürfe sich nicht aus der Verweisung auf eine andere Urkunde ergeben. Eine konkludente Vereinbarung sei ausgeschlossen. Zumindestens die Annahme des Antrages auf Vereinbarung eines Erfüllungsortes bedürfe des urkundlichen Nachweises. Einen solchen Beweis habe die klagende Partei nicht angetreten. Die von ihr vorgelegte Urkunde Beilage A enthalte als Blankoformular keinen Hinweis auf die Beklagte und damit auch nicht deren Unterschrift. Auch auf der Urkunde Beilage B finde sich keine Unterschrift der Beklagten. Die Urkunde Beilage C sei zwar von der Beklagten unterfertigt, beschäftige sich aber mit der Regelung eines Saldos und nicht mit der Festlegung eines Erfüllungsortes. Die Urkunden Beilagen E bis G seien von der Beklagten unterfertigte Bestellschreiben, die zwar die Klausel enthielten, für diesen Auftrag und alle sonstigen Aufträge gälten ausschließlich die umseitig abgedruckten Verkaufsbedingungen, auf den vorgelegten Urkunden fänden sich aber trotz dieser Ankündigung die Verkaufsbedingungen und damit auch der von der klagenden Partei behauptete Erfüllungsort auf der Rückseite nicht. Die klagende Partei habe daher den urkundlichen Nachweis des vereinbarten Erfüllungsortes nicht erbracht, wenn auch die Beklagte einen Stammauftrag, in dem möglicherweise Wien als Erfüllungsort vorgesehen war, unterfertigt haben möge. Deshalb sei die Unzuständigkeit des Erstgerichtes auszusprechen gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes von der klagenden Partei erhobene Revisionsrekurs ist im Ergebnis nicht berechtigt. Es trifft zwar zu, daß sich die klagende Partei - was das Gericht zweiter Instanz offensichtlich übersehen hat - schon in der Klage nicht bloß auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes nach § 88 Abs. 1 JN, sondern auch auf eine Gerichtsstandsvereinbarung berufen hat. Damit ist aber für den Standpunkt der klagenden Partei schon deshalb nichts gewonnen, weil deren Behauptungen zufolge nicht bloß die Vereinbarung über den Erfüllungsort, sondern auch die Gerichtsstandsklausel (also §§ 1 und 2) in den auf der Rückseite des von der Beklagten unterfertigten Stammauftragsformulars abgedruckten Verkaufsbedingungen enthalten gewesen sein soll und sowohl die Vereinbarung über den Erfüllungsort als auch jene über den Gerichtsstand gemäß § 88 Abs. 1 bzw. § 104 Abs. 1 jeweils zweiter Satz JN urkundlich nachgewiesen werden müssen. In den von der klagenden Partei bis zur Beschlußfassung des Erstgerichtes vorgelegten Urkunden, die sich auf die Beklagte beziehen und von ihr gefertigt sind, findet sich jedoch - wie das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat - weder eine Klausel über den Erfüllungsort noch eine Gerichtsstandsvereinbarung. Vor allem die von der Beklagten unterfertigten Stammaufträge enthalten gerade den von der klagenden Partei ins Treffen geführten Aufdruck der Verkaufsbedingungen auf der Rückseite des Vertragsformblattes nicht. Daran kann auch nichts ändern, daß die Beklagte die ihr überlassenen Ausfertigungen des Stammauftrages, auf welchen die Vertragsbedingungen mit den Klauseln über den Erfüllungsort und den Gerichtsstand aufgedruckt sein sollen, nicht vorgelegt hat. Es ist nämlich Sache der klagenden Partei für den im Gesetz vorgeschriebenen urkundlichen Nachweis Sorge zu tragen. Dieser urkundliche Nachweis kann nicht etwa dadurch ersetzt werden, daß das angerufene Gericht - wie der Erstrichter - aufgrund anderer als urkundlicher Nachweise als erwiesen annimmt, eine solche Urkunde sei vorhanden bzw. vorhanden gewesen. Lediglich dann, wenn die Parteien den Inhalt der Vereinbarung über den Erfüllungsort bzw. den Gerichtsstand außer Streit stellten, bedarf es der Vorlage der Urkunde nicht (JBl. 1932, 544 uva.; Fasching, Komm, I, 504). Eine solche Außerstreitstellung liegt aber nicht vor (vgl. ON 2). Soweit sich die klagende Partei im Revisionsrekurs erstmals auch auf den Fakturengerichtsstand gemäß § 88 Abs. 2 JN beruft, genügt der Hinweis, daß es sich bei diesem Vorbringen um eine unbeachtliche Neuerung handelt. Im übrigen beruht dieser Gerichtsstand auf anderen Voraussetzungen als jener des Erfüllungsortes. Das notwendige Vorbringen zu dessen Dartuung kann aber auch dem Revisionsrekurs nicht entnommen werden.

Dem Rechtsmittel der klagenden Partei war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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