OGH 6Ob593/88

OGH6Ob593/889.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Egon K***, Gastwirt, Birgitz 3, vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander und Dr. Harald Vill, Rechtsanwälte in Innsbruck wider die beklagte Partei Anna K***, im Haushalt, Birgitz 6, vertreten durch Dr. Wilhelm Steidl und Dr. Harald Burmann, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Feststellung des Bestehens einer Dienstbarkeit und Einwilligung in deren grundbücherliche Einverleibung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 17. Februar 1988, GZ 4 R 9/88-24 (in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. März 1988, ON 26), womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 24. September 1985, GZ 8 Cg 514/84-14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 4.843,80 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 600 S und an Umsatzsteuer 385,80 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind Grundnachbarn. Der Kläger ist Eigentümer einer Liegenschaft, zu deren Gutsbestand das Grundstück 51 gehört. Auf dieser steht ein Gasthof. Die Beklagte ist Eigentümer einer Liegenschaft mit dem Grundstück 50. Auf diesem sind ein Wohnhaus und die Wirtschaftsgebäude errichtet. Zwischen den beiden Anwesen liegt ein 4 m bis 11 m breiter unverbauter Grundstreifen. Auf diesem verläuft die Grundstücksgrenze. Seit dem Jahre 1963 ist in diesem Grundstreifen ein der Versorgung des Gasthofes dienender Öltank derart eingebaut, daß er sich zum Teil in dem zum Grund der Beklagten gehörenden Erdreich befindet.

Als der Öltank eingebaut wurde, waren jeweils die Väter der nunmehrigen Streitteile Grundeigentümer. Bei dem Öltank handelt es sich um einen unterirdischen einwandigen Lagerbehälter mit einer Länge von rund 8,5 m und einem Fassungsvermögen von 150 hl. Er ruht auf einem 2,5 m breiten Fundament.

Der Vater des Klägers hatte seinem Ansuchen um Betriebsbewilligung einen Plan angeschlossen gehabt, nach dessen Darstellung die Mittelachse des in die Erde einzubauenden Lagerbehälters etwa mit der Grundgrenze zusammengefallen wäre, der Tank also etwa zur Hälfte in dem Nachbargrund zu liegen gekommen wäre, der nunmehr im Eigentum der Beklagten steht. Nach dem von außen sichtbaren Tankverschluß ist anzunehmen, daß der Behälter zum Großteil in den Grund der Beklagten eingebaut ist. Die tatsächliche Lage konnte im anhängigen Rechtsstreit nicht genau festgestellt werden.

Der Vater des Klägers und dieser selbst führten mit dem Vater der Beklagten wegen des grenzüberschreitenden Einbaues Gespräche. Dazu hielt das Erstgericht ausdrücklich fest, das Ergebnis dieser Gespräche ließe sich nicht mehr verläßlich feststellen. Das Erstgericht hielt dazu weiters fest, es habe auch nicht festgestellt werden können, daß der Vater des Klägers als Gegenleistung für die Gestattung der Mitbenützung fremden Grundes zum Einbau des Öltanks dem Vater der Beklagten den für verschiedene Pachtgrundstücke geschuldeten Pachtschilling für mehrere Jahre erlassen habe. Durch den Aushub der für den Erdeinbau des Öltanks

erforderlichen Grube in dem zwischen den Häusern der Streitteile gelegenen Grundstreifen war es auch für den Vater der Beklagten unverkennbar, daß der Behälter zum Teil in seinem Grund eingebaut wurde. Dennoch widersprach er dem Erdeinbau gegenüber dem Nachbarn nicht und unternahm bis zu seinem im Jahre 1978 eingetretenen Tod nichts gegen den teilweise in seinem Grund eingebauten Lagerbehälter. Im Jahre 1981 stellte die nunmehrige Beklagte gegen den nunmehrigen Kläger ein auf die Behauptung der Rechtsgrundlosigkeit der Benützung ihres Grundes gestütztes Klagebegehren auf Beseitigung des Erdbehälters aus ihrem Grund. Dieses Beseitigungsbegehren verfiel mit der Begründung der Abweisung, daß der Vater der nunmehrigen Beklagten dem Vater des nunmehrigen Klägers nicht bloß bittleihweise die Mitbenützung seines Grundes zum Einbau des Öltanks gestattet, sondern ihm ein (nicht näher qualifiziertes) Recht dazu eingeräumt habe.

Daß es sich dabei nicht denknotwendig um das dingliche Recht einer Dienstbarkeit gehandelt haben müsse, hat das Revisionsgericht bereits in seinem Aufhebungsbeschluß vom 26. November 1987, 6 Ob 727/87 (= ON 23), dargelegt.

Mit einer im September 1984 angebrachten Klage begehrte der Kläger als Eigentümer des Grundstücks 51 die Feststellung der Dienstbarkeit zur Lagerung eines Öltanks auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden Grundstück 50 sowie die Einwilligung der Beklagten zur grundbücherlichen Einverleibung dieser Grunddienstbarkeit.

Während das Prozeßgericht erster Instanz dem Klagebegehren voll stattgegeben hatte, änderte das Berufungsgericht dieses Urteil im klageabweisenden Sinne ab. Dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorliege.

In rechtlicher Beurteilung des vom Erstgericht festgestellten Sachverhaltes folgerte das Berufungsgericht:

Gegenstand des Rechtsstreites sei ausschließlich die Feststellung des dinglichen Rechtes einer (Grund-)Dienstbarkeit und deren grundbücherliche Einverleibung. Eine ausdrückliche Vereinbarung über die Einräumung des dinglichen Rechtes einer Dienstbarkeit sei nicht erwiesen worden. Eine schlüssige Vereinbarung als Titel für die Begründung der Dienstbarkeit sei zwar grundsätzlich nicht auszuschließen, an die Konkludenz seien aber im Sinne des § 863 ABGB strenge Anforderungen zu stellen. Hinweise darauf, daß die übereinstimmende Absicht der Väter der Streitteile auf die Begründung eines dinglichen Rechtes durch grundbücherliche Einverleibung gerichtet gewesen wäre, fehlten. Der Kläger selbst habe eingeräumt, daß er an die Eintragung eines Rechtes im Grundbuch gar nicht gedacht hätte. Es entspreche der Lebenserfahrung, daß vor allem in bäuerlichen Kreisen eine Abneigung gegen eine ständige Belastung des Grundbuches mit Dienstbarkeiten bestehe und eher die Bereitschaft vorherrsche, vorübergehende, gegebenenfalls auch für längere Zeiträume, obligatorische Benützungsrechte einzuräumen. Deshalb sei auch aus einer länger andauernden Duldung der beschränkten Nutzung des eigenen Grundes durch den Nachbarn nicht ohne weiteres die schlüssige Einräumung einer Dienstbarkeit abzuleiten. Der Vater der Beklagten habe weder - im Gegensatz zu dem in JBl 1963, 377 veröffentlichten Fall eines Wasserleitungsrechtes - die Unterfertigung einer Vertragsurkunde, noch - im Gegensatz zu dem in SZ 48/78 veröffentlichten Fall des Gebrauchsrechtes an einer Garage - ein immer währendes Nutzungsrecht zugesagt, noch auch ein (vorher jemals zwischen den Nachbarn in Zweifel gezogenes) Dienstbarkeitsrecht durch tätige Mithilfe am Einbau der Anlage in schlüssiger Weise konstitutiv anerkannt (wie das in dem in JBl 1964, 264 mit kritischer Anmerkung veröffentlichten Fall eines Wegerechtes angenommen worden war). Dem Kläger sei der ihm oblegene Beweis, daß ein dingliches Benützungsrecht hätte begründet werden sollen, nicht gelungen. Der Kläger ficht das abändernde Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO im Hinblick auf eine qualifiziert unrichtige Lösung einer Frage des materiellen Rechtes mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles zielenden Abänderungsantrag an.

Die Beklagte strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar aus den noch darzulegenden Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Beachtlich ist zunächst im Sinne des § 503 Abs 2 ZPO nur die Anwendung der sich aus § 479 zweiter Satz ABGB einerseits und aus § 863 ABGB in Beziehung auf den ersten Fall des § 480 ABGB andererseits ergebenden Folgerungen auf den zur Entscheidung vorliegenden Fall.

Ein Gastwirt beabsichtigte den Einbau eines unterirdischen Öllagerbehälters zur Versorgung einer seinem Gewerbebetrieb dienenden Warmwasserheizanlage. Aus technischen Gründen war er dabei wegen der Größe des Tanks und den örtlichen Gegebenheiten auf die Benützung des Nachbargrundes angewiesen und führte deshalb auch Gespräche mit dem betroffenen Grundnachbarn. Das Ergebnis dieser Gespräche war nicht mehr feststellbar. Der Erdeinbau des 150 hl fassenden Behälters erfolgte vor den Augen des Nachbarn. Es war nicht festzustellen, daß dieser vom Erdeinbau betroffene Nachbar während eines Zeitraums von rund 15 Jahren dem Gastwirt gegenüber jemals gegen den Lagerbehälter Einwendungen erhoben hätte. Diese festgestellten Umstände erlauben den Schluß, daß der Gastwirt beim Erdeinbau seines Öllagerbehälters unter Mitverwendung fremden Grundes nicht entgegen einem vom Nachbarn geäußerten Willen, sondern vielmehr mit dessen Zustimmung gehandelt hat. Durch die rechtskräftige Abweisung einer Eigentumsfreiheitsklage steht zwischen den Streitteilen bindend fest, daß die Zustimmung des Grundnachbarn nicht bloß eine bittleihweise Gestattung gegen jederzeitigen Widerruf gewesen ist. Umfang, Dauer und Art des Grundbenützungsrechtes, das in Ansehung des Öllagerbehälters zwischen den Grundnachbarn als vereinbart zu gelten hat, sind aus den konkreten Umständen unter Berücksichtigung der örtlichen Gewohnheiten und Gebräuche im Sinne des § 863 ABGB zu bestimmen. Für einen verständigen, rechtschaffenen Rechtsgenossen konnte das passive Verhalten des Nachbarn nicht anders gedeutet werden, als daß dieser einer Belassung des Öllagerbehälters durch den Gastwirt in fremdem Grund a) zur besseren Bewirtschaftung der Betriebsliegenschaft, b) zugunsten des jeweiligen Eigentümers,

c) zumindest auf die technische und wirtschaftliche Bestanddauer von Tank und Anlage zustimme und damit ein Recht einräume, daß nach seinem Inhalt einer - wenn auch möglicherweise zeitlich beschränkten (§ 527 ABGB) - Grunddienstbarkeit entspräche.

Damit fällt gemäß § 479 ABGB die Beweislast dafür, daß dennoch keine Dienstbarkeit als dingliches Recht, sondern nur eine rein schuldrechtliche Dauerverpflichtung beabsichtigt gewesen sei, demjenigen zu, der diese Abweichung von dem gesetzlich unterstellten Normfall behauptet.

Dieser Beweis ist der Beklagten aber aus dem vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobenen Umstand gelungen, daß in den örtlichen bäuerlichen Kreisen eine Scheu vor der Belastung des eigenen Grundes - insbesondere des Hofes - mit grundbücherlich einzuverleibenden fremden Nutzungsrechten besteht. Im Zusammenhang damit, daß eine Entgeltlichkeit der Rechtseinräumung nicht festgestellt werden konnte, reicht die vom Berufungsgericht - als solche unbekämpft - zugrunde gelegte örtliche Gewohnheit zur Erschütterung der als gesetzlichen Anscheinsbeweis zu wertenden Regel des § 479 ABGB hin.

Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes ist entgegen den Revisionsausführungen nicht damit belastet, bei der Bewertung des festgestellten Gesamtverhaltens der Väter der Streitteile eine für die Entscheidung des Rechtsstreites erhebliche Frage des materiellen Rechtes entgegen den in der Rechtsprechung anerkannten Auslegungsgrundsätzen gelöst zu haben. Der vom Berufungsgericht an die Spitze seiner Ableitung gestellte Leitsatz aus der Entscheidung EvBl 1962/366 (im Berufungsurteil offenbar irrig: EvBl 1966/366) muß allerdings in Zusammenschau mit der Beweisregel des § 479 ABGB gesehen werden.

Diese Klarstellung rechtfertigt zwar die Annahme der Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO. In der Sache selbst mußte dem Rechtsmittel allerdings ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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