Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 2.Dezember 1991, in welcher beide Parteien durch ihre Verfahrenshelfer vertreten waren, verkündete das Erstgericht das Urteil auf Abweisung des Klagebegehrens auf Wiederaufnahme des Scheidungsverfahrens und auf Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Beklagten. Der Klagevertreter gab nach der Verkündung des Urteiles keine Erklärung (Berufungsanmeldung) ab. Innerhalb der einwöchigen Frist des § 461 Abs 2 ZPO zur Anmeldung einer Berufung erfolgte über Ersuchen des Klagevertreters durch die Rechtsanwaltskammer für Niederösterreich am 4.Dezember 1991 eine Umbestellung des Verfahrenshelfers, die beim Erstgericht am 6.Dezember 1991 einlangte. Auf Grund der Verständigung von einer neuerlichen Umbestellung des Verfahrenshelfers - es wurde der nunmehrige Klagevertreter bestellt - wurde diesem das Urteil des Erstgerichtes am 20.Dezember 1991 zugestellt. Dieser überreichte, ohne daß zuvor eine Berufungsanmeldung erfolgt war, am 14.Jänner 1992 die Berufung des Klägers.
Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß die Berufung als verspätet zurück. Es führte aus, nach § 464 Abs 3 ZPO trete die Unterbrechung der Berufungsfrist dann ein, wenn eine die Verfahrenshilfe genießende oder beantragende Partei die Beigebung eines Rechtsanwaltes beantrage. Ein solcher Parteiantrag sei im Sinne des § 461 Abs 2 letzter Satz ZPO als Berufungsanmeldung zu beurteilen, weil anzunehmen sei, daß die Partei einen derartigen Antrag nicht um seiner selbst willen stelle. Im vorliegenden Fall sei aber kein Parteiantrag erfolgt. Die beiden Umbestellungen des Verfahrenshelfers für den Kläger seien vielmehr auf jeweilige Anträge der bestellten Verfahrenshelfer an die Rechtsanwaltskammer Niederösterreich, somit an eine gerichtsfremde Stelle, erfolgt; ein Antrag der Partei an das Gericht auf Beigebung eines anderen Rechtsanwaltes liege nicht vor. Damit sei eine fristgerechte Berufungsanmeldung nicht erfolgt. Selbst wenn man davon ausginge, daß die Frist zur Anmeldung der Berufung erst mit der Zustellung des Bestellungsdekretes und Urteiles an den zuletzt bestellten Verfahrenshelfer in Lauf gesetzt worden sei, sei die Berufung verspätet, weil die Zustellung am 20.Dezember 1991 erfolgt, die einwöchige Frist zur Berufungsanmeldung am 13.Jänner 1992 abgelaufen, die Berufung aber erst am 14.Jänner 1992 überreicht worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Dem Rekurs des Klägers kommt keine Berechtigung zu.
Die Ansicht des Rechtsmittelwerbers, eine Berufungsanmeldung im Sinne des § 461 Abs 2 ZPO sei nicht erforderlich gewesen, weil die Anwesenheit des Verfahrenshelfers bei der Urteilsverkündigung nicht als Anwesenheit der Partei zu werten sei, ist verfehlt. Der Verfahrenshilfeanwalt schreitet zwar auf Grund des Bestellungsbescheides für die Partei ein, ohne daß es einer Vollmacht bedürfte; das Gesetz überträgt ihm aber im § 64 Abs 1 Z 3 ZPO, welcher ausdrücklich auch die sinngemäße Anwendung des § 31 Abs 2 und Abs 4 normiert, die Rechtsstellung eines Bevollmächtigten. Diese ist gegenüber der Stellung eines von der Partei bestellten Prozeßbevollmächtigten nur dahin eingeschränkt, daß der Verfahrenshilfeanwalt ohne Zustimmung der Partei keine Verfügungen über den Streitgegenstand treffen darf. Es besteht aber kein Zweifel, daß dem Verfahrenshilfeanwalt von dieser Einschränkung abgesehen die Rechtsstellung eines "Bevollmächtigten" im Sinne des § 39 ZPO zukommt. Das in der mündlichen Streitverhandlung vom 2.Dezember 1991 erflossene Urteil wurde daher "in Anwesenheit beider Parteien" im Sinne des § 461 Abs 2 ZPO verkündet, sodaß es zu dessen fristgerechter Bekämpfung einer Anmeldung der Berufung bedurfte.
Die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die Umbestellung eines Verfahrenshilfeanwaltes durch die Rechtsanwaltskammer auf den Fristenlauf ohne Einfluß sei, trifft nicht zu. Aus § 45 RAO ergibt sich deren Befugnis, anstelle einer zunächst namhaft gemachten Person eine andere zu bestellen, wenn die ursprünglich namhaft gemachte aus irgendwelchen Gründen außerstande ist, die ihr zugedachte Funktion zu erfüllen. Da die Bestimmung des § 36 Abs 2 ZPO für den enthobenen Verfahrenshelfer nicht gilt, weil es sich um keine Kündigung der Vollmacht handelt, bewirkt das im Sinne der vorstehenden Ausführungen herbeigeführte Ausscheiden eines Verfahrenshilfeanwaltes aus seiner Funktion entsprechend den Bestimmungen der §§ 160 Abs. 1 und 163 Abs. 1 ZPO, daß eine im Zeitpunkt des Ausscheidens noch im Lauf befindliche Rechtsmittelfrist mit der Zustellung der Bestellung eines neuen Verfahrenshelfers an diesen neu zu laufen beginnt (SZ 44/133 mwN, AnwBl. 1984, 448; EvBl 1990/161).
Da jedoch die Berufung durch den zuletzt bestellten Verfahrenshelfer nicht innerhalb der einwöchigen Frist des § 461 Abs 2 ZPO ab Zustellung seiner Bestellung und des Urteiles erhoben und sein Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsanmeldung rechtskräftig abgewiesen wurde, hat das Berufungsgericht die Berufung zu Recht als verspätet zurückgewiesen.
Der Ausspruch über die Rekurskosten beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO.
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