European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00058.16X.0329.000
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.197,80 EUR (davon 366,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeanwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Der Kläger sammelt seit 1963 Briefmarken, die er von der „Beklagten“ kaufte. Er besitzt zahlreiche Schilling-Briefmarken.
Nach der Währungsumstellung von Schilling auf Euro Anfang 2002 konnten Schilling‑Briefmarken nur noch bis 30. Juni 2002 zur Frankierung von Postsendungen verwendet werden. Die Beklagte informierte von Ende 2001 bis 2003 über das Ende der Gültigkeit der Schilling‑Briefmarken regelmäßig unter anderem in Pressemeldungen, die in den österreichischen Medien publiziert wurden. So wurde etwa in der Pressemeldung vom 29. Mai 2002 mitgeteilt:
„ […]
Bis Ende Juni dieses Jahres können alle noch vorhandenen frankaturgültigen Schilling‑Briefmarken (Stichtag: 10. Dezember 1947; Landschaftsserie) in Euro Dauermarken kostenlos eingetauscht werden. Ab 1. Juli 2002 verlieren sämtliche Schilling‑ und Groschen‑Briefmarken sowie Ganzsachen mit diesen Währungsangaben ihre Gültigkeit […]. Es können nur mehr die von der Österreichischen Post AG herausgegebenen Euro‑Briefmarken verwendet werden. Ein Umtausch von Briefmarken in Bargeld ist – wie in anderen Euro‑Teilnehmerländern auch – nicht möglich.
Umtausch bis 30. Juni 2002: Noch bis 30. Juni 2002 besteht die Möglichkeit, ganze oder halbe Bögen und Einzelmarken bis zu einer Menge von 50 Stück bei allen Postämtern kostenlos in Euro‑Dauermarken einzutauschen. Größere Mengen sind an das Briefmarkenumtausch‑Center zu senden. Die Sendungen können bei allen Postämtern abgegeben werden ohne dass dabei Kosten anfallen. Entsprechende Formblätter und Informationen über die Abwicklung sind bei jedem Postamt erhältlich.
Umtausch ab 1. Juli 2002: Ab 1. Juli 2002 ist der Umtausch nur mehr über das zentral beim Postamt 1150 Wien eingerichtete Briefmarkenumtausch‑Center möglich. […]
Ab 1. Juli 2002 wird bis Jahresende ein Pauschalbetrag in der Höhe von 10 EUR pro Umtausch– unabhängig von der Menge – eingehoben und vom Umtauschwert abgezogen. Ab 1. Jänner 2003 betragen die Kosten für jeden Umtausch 10 % des umgetauschten Markenwertes, mindestens aber 12 EUR. Ein bei allen Postämtern erhältliches Informationsblatt beschreibt im Detail das Vorgehen beim Umtausch über das Briefmarkenumtausch‑Center. Die notwendige Erklärung bezüglich der Bedingungen für den Wertzeichen‑Umtausch beim Briefmarkenumtausch‑Center ist ebenfalls bei allen Postämtern erhältlich.“
Dem Kläger war die Ankündigung des Verlusts der Frankaturgültigkeit schon im ersten Halbjahr 2002 bekannt. Er überlegte, seine Schilling‑Briefmarken umzutauschen, entschied sich aber nicht zuletzt wegen des Zeitaufwands dagegen.
Die Möglichkeit zum Umtausch der Schilling‑Briefmarken in Euro‑Briefmarken gegen Gebühren bestand nur bis zum 19. Dezember 2003.
Ende 2012 versuchte der Kläger erfolglos, eine Briefsendung von der Beklagten befördern zu lassen, auf die er Schilling‑Briefmarken aufgeklebt hatte. Am 11. Juli 2014 sandte er der Beklagten ein Schreiben, in dem er sich erkundigte, ob er seine Schilling‑Briefmarken zum Versenden seiner Poststücke verwenden könne. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 28. Juli 2014, dass sämtliche Schilling‑ und Groschen‑Briefmarken ihre Gültigkeit verloren haben und nur noch die von der Beklagten herausgegebenen Euro‑Briefmarken verwendet werden dürften.
Nach den ab 1. Jänner 2014 gültigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen Brief National der Beklagten ist eine „ordnungsgemäße Freimachung (Bezahlung des Entgelts) der Briefsendung Voraussetzung für die Annahme und Zustellung“. Für eine Freimachung mit Briefmarken „dürfen nur gültige, von der Post herausgegebene Briefmarken verwendet werden; ausländische Briefmarken, Briefmarken, die beschädigt, verändert oder bereits zur Freimachung benutzt wurden, dürfen nicht verwendet werden“.
Die Beklagte hätte bei Weiterführung des dualen Systems der parallelen Verwendung von Euro‑ und Schilling‑Briefmarken jedenfalls einen Mehraufwand gehabt. Die konkrete Höhe dieses Mehraufwands ist nicht feststellbar.
Der Kläger begehrte von der Beklagten Zahlung von 35.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 13. September 2014. Er habe bei der Beklagten bzw ihrer Rechtsvorgängerin von 1985 bis 2001 Briefmarken um zumindest 481.610,50 ATS gekauft. Aufgrund der Mitteilung der Beklagten vom Juli 2014 stehe fest, dass die Beklagte ihre Verpflichtung zur Beförderung der Postsendungen des Klägers bei Verwendung der von ihm erworbenen Schilling‑Briefmarken verweigere. Durch die Nichterfüllung des Vertrags erleide der Kläger einen Schaden in Höhe der Nominale der von ihm erworbenen Schilling‑Briefmarken.
In der Verhandlungstagsatzung vom 27. April 2015 änderte der Kläger sein Klagebegehren dahin, die Beklagte schuldig zu erkennen, die vom Kläger mit Schilling‑Briefmarken in einem Gesamtbetrag von 481.610,50 ATS freigemachten Postsendungen ordnungsgemäß zu befördern; in eventu für den Fall der Nichtbeförderung dem Kläger den sich daraus ergebenden Schaden in Höhe von zumindest 35.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 13. September 2014 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Anlässlich der Währungsumstellung sei die Frankaturgültigkeit aller Schilling‑Briefmarken beendet worden. Zu einem unbefristeten Umtausch sei die Beklagte nicht verpflichtet. Die Frist für den Umtausch von nahezu zwei Jahren sei angemessen und ausreichend gewesen. Nach ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei das Entgelt bei der Aufgabe der Sendung durch gültige Briefmarken zu leisten.
Das Erstgericht ließ die Klagsänderung nicht zu und wies das Klagebegehren ab. Die von der Beklagten gesetzte Übergangsfrist von sechs Monaten kostenlosen und annähernd eineinhalb Jahren gebührenpflichtigen Umtauschs in unbeschränkt gültige Euro‑Briefmarken sei angemessen. Der Verwaltungsaufwand der Beklagten sei höher, je länger Schilling‑Briefmarken und Euro‑Briefmarken parallel verwendet werden könnten. Der Kläger habe sich bewusst gegen den Umtausch entschieden.
Das Berufungsgericht gab dem Rekurs des Klägers gegen die Nichtzulassung der Klagsänderung Folge und ließ die Klagsänderung zu. Das zugelassene Hauptbegehren sei nicht richtig formuliert. Dem Kläger gehe es nach seinem Vorbringen nicht darum, bereits vorliegende Sendungen, deren Beförderungsentgelt er durch das Bekleben mit Schilling-Briefmarken entrichtet habe, von der Beklagten befördern zu lassen, sondern nur darum, für die Freimachung von Postsendungen Schilling-Briefmarken verwenden zu dürfen. Ein so zu fassendes Feststellungsbegehren sei ausreichend bestimmt.
Der Berufung des Klägers gegen das Urteil des Erstgerichts gab es nicht Folge. Es bestätigte das angefochtene Urteil derart, dass es das Klagebegehren, es werde festgestellt, die Beklagte sei schuldig, a) vom Kläger mit Schilling‑Briefmarken in einem Gesamtbetrag von 481.610,50 ATS freigemachte Postsendungen ordnungsgemäß zu befördern, b) in eventu, für den Fall der Nichtbeförderung, dem Kläger den sich daraus ergebenden Schaden von 35.000 EUR samt 4 % Zinsen seit 13. September 2014 zu zahlen, abwies. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die durchzuführende ergänzende Vertragsauslegung eine Frage betreffe, mit der alle Eigentümer von ungültig gewordenen Schilling‑Briefmarken konfrontiert sein können.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Da § 18 Abs 2 PostmarktG (PMG) der Beklagten die Befugnis einräume, Briefmarken herzustellen und auszugeben, sei sie grundsätzlich auch befugt, von ihr ausgegebene Briefmarken für ungültig zu erklären. Wolle die Beklagte an die Kunden bereits verkaufte Briefmarken für ungültig erklären, dann setze dies voraus, dass ein derartiges Vorgehen aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung gerechtfertigt sei. Die Vorgangsweise der Beklagten, die zuerst die Schilling‑Briefmarken für einen bestimmten Termin ungültig erklärt und dabei den Umtausch in gültige Euro‑Briefmarken angeboten habe, entspreche dem hypothetischen Parteiwillen. Es sei nämlich sinnvoll, wenn der Nachweis der Entrichtung des Beförderungsentgelts– inzwischen etliche Jahre nach der Währungsumstellung – auch nur in der geltenden Währung erbracht werden könne. Wären die Schilling‑Briefmarken weiter gültig, um Briefsendungen freizumachen, dann müssten sowohl die Kunden als auch die Arbeitnehmer der Beklagten immer (wenn auch zu einem immer gleichbleibenden Umrechnungsschlüssel) die Währung umrechnen. Die Ungültigerklärung der Schilling‑Briefmarken an sich sei auch nicht zum Nachteil der Kunden; nachteilig für sie sei bloß die Tatsache, dass die Beklagte den Umtausch der Schilling‑Briefmarken in Euro‑Briefmarken nur bis zum 19. Dezember 2003 durchgeführt habe. Das Begehren des Klägers sei zwar nicht auf die Durchführung eines derartigen Umtauschs gerichtet, die Zulässigkeit der Befristung des Umtauschs sei aber im Zusammenhang mit der vorzunehmenden ergänzenden Vertragsauslegung zu beurteilen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass in den Informationen der Beklagten zur Ungültigerklärung der Schilling‑Briefmarken (mit 30. Juni 2002) von einer Befristung der Umtauschmöglichkeit noch überhaupt keine Rede gewesen sei. Nach den von der Beklagten im Verfahren vorgelegten Urkunden scheine sie die Befristung der Umtauschmöglichkeit erst im September 2003 bekanntgegeben zu haben. Eine derartige Befristung des Umtauschrechts, die nicht einseitig durch eine Anordnung der Beklagten, sondern nur aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung erfolgen könne, sei nicht gerechtfertigt. Die ursprüngliche Regelung, dass die Schilling‑Briefmarken zuerst noch bis 30. Juni 2002 gegolten haben und während dieser Zeit kostenlos und problemlos gegen Euro‑Marken getauscht werden konnten, und dass danach für den Umtausch eine zuerst geringe Gebühr und dann eine höhere Gebühr eingehoben worden sei, sei nicht zu beanstanden. Wenn die Beklagte Briefmarken wegen der Währungsumstellung aus guten Gründen für ungültig erklärt habe, dann sei nicht einzusehen, warum sie die ungültig gewordenen Briefmarken nicht in gültige Euro‑Briefmarken umtauschen solle. Die Beklagte behaupte dazu nur, dass durch die Befristung der Umtauschmöglichkeit die Postkunden lediglich Gefahr gelaufen seien, den Gegenwert für den Kaufpreis der Briefmarke zu verlieren. Ein unbefristetes oder längeres Umtauschrecht hätte die Beklagte wesentlich mehr belastet. Es gebe keinen nachvollziehbaren Grund, warum die Beklagte nicht verpflichtet sein sollte, die Schilling‑Briefmarken zeitlich unbegrenzt in gültige Euro‑Briefmarken umzutauschen. Es sei nicht davon auszugehen, dass ein unbefristetes Umtauschrecht die Beklagte besonders belasten würde. Sie habe schon von Juli 2002 bis Dezember 2003 den Umtausch nur noch zentral bei einem einzigen Postamt durchgeführt. Dies wäre auch weiterhin möglich. Der Umrechnungskurs sei immer gleich. Außerdem habe die Beklagte verlangt, dass die Kunden die umzutauschenden Briefmarken aufbereiten, wobei sie dann noch eine angemessene Gebühr für ihren Aufwand eingehoben habe. Eine derartige Regelung sei angemessen, weil die Kunden immerhin ein halbes Jahr lang die Gelegenheit gehabt hätten, ihre Schilling‑Briefmarken bei jedem beliebigen österreichischem Postamt kostenlos in Euro‑Briefmarken umzutauschen. Die Ungültigerklärung der Schilling‑Briefmarken durch die Beklagte – mit dem, wenn auch nach einer gewissen Frist nicht kostenlosen Angebot, die ungültigen Schilling‑Briefmarken in gültige Euro‑Briefmarken umzutauschen – entspreche dem hypothetischen Parteiwillen. Diesem hätte es nicht entsprochen, die Umtauschmöglichkeit zu befristen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Beklagte nicht vertragsbrüchig geworden, weil sie dem Kläger für dessen Zahlung zuerst die Briefmarken verkauft habe und jetzt auch zu einem Umtausch der Briefmarken in gültige Euro‑Briefmarken und damit auch zur Erbringung der Beförderung zur Leistung verpflichtet wäre. Das Hauptbegehren des Klägers, Postsendungen auch jetzt mit seinen Schilling‑Briefmarken freimachen zu können, sei nicht berechtigt, weil die Beklagte diese Briefmarken zu Recht für ungültig erklärt habe. Der Kläger könne den Umtausch seiner ungültigen Schilling‑Briefmarken in Euro‑Briefmarken erwirken, mit diesen könne er dann Postsendungen freimachen. Das Eventualbegehren sei auch nicht berechtigt, weil die Beklagte nicht verpflichtet sei, vom Kläger mit Schilling‑Briefmarken freigemachte Postsendungen ordnungsgemäß zu befördern.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
1. Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers liegt eine Überraschungsentscheidung des Berufungsgerichts (nämlich dass eine ergänzende Vertragsauslegung zu dem Ergebnis führe, ein Umtausch sei zeitlich unbefristet möglich) nicht vor. Die Beklagte wendete gegen das ursprüngliche Schadenersatzbegehren ein, dass dem Kläger der Umtausch befristet möglich gewesen sei. Der Kläger brachte vor, dass er an einem Umtausch nicht interessiert sei und es keinen sachlich gerechtfertigten Grund dafür gebe, dass die Beklagte einen kostenlosen Umtausch nicht unbefristet oder zumindest für 30 Jahre gewähre. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu einem rechtlichen Gesichtspunkt, den eine Partei schon im Verfahren erster Instanz ins Spiel brachte, kann diese Partei nicht (ernsthaft) in unzulässiger Weise überraschen (RIS-Justiz RS0122365 [T1]). Im Übrigen wäre auch ein Umtauschbegehren erfolglos geblieben (s Punkt 12.)
2. Die sonst noch vom Kläger behaupteten Mängel des Berufungsverfahrens hat der Oberste Gerichtshof geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
3. Die Feststellungen und die Beweiswürdigung der Vorinstanzen sind mit Revision nicht bekämpfbar; der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz (RIS-Justiz RS0069246).
4. Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache (§ 503 Z 4 ZPO) liegt nur vor, wenn aufgezeigt wird, dass der festgestellte Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt wurde (RIS-Justiz RS0043312). Nur soweit die Rechtsrüge des Klägers vom festgestellten Sachverhalt ausgeht, sind die Ausführungen zu berücksichtigen. Die behaupteten Feststellungsmängel wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung liegen nicht vor.
5. Der Revisionswerber meint, das PostmarktG (PMG), insbesondere dessen § 18 Abs 2, gebe keinen Hinweis auf eine Befugnis der Beklagten, alle im Umlauf befindlichen Marken außer Kraft setzen zu dürfen. Mit § 18 Abs 2 PMG werde die Beklagte nur mit der Herausgabe von Briefmarken der Republik Österreich belehnt. Das Recht selber verbleibe bei der Republik Österreich. Zu einer Außerkraftsetzung der Briefmarken der Republik Österreich bedürfe es daher einer gesetzlichen Ermächtigung der Beklagten. Da diese fehle, sei die Ungültigerklärung ohne Rechtsgrundlage erfolgt und somit rechtsunwirksam.
Hierzu wurde erwogen:
6.1. Für die Beantwortung der Frage, ob die Beklagte befugt war, Schilling-Briefmarken im Jahr 2002 für ungültig zu erklären, ist nicht die Rechtslage nach dem PMG, sondern jene nach dem damals geltenden PostG 1997 maßgeblich. Das am 4. 12. 2009 kundgemachte PMG ist nämlich im hier interessierenden Umfang am 1. 1. 2011 in Kraft getreten (§ 64 Abs 1 und 2 PMG). Mit Inkrafttreten des PMG ist das PostG 1997 – mit Ausnahme von zwei hier nicht relevanten Bestimmungen – außer Kraft getreten (§ 63 Abs 1 und 2 PMG). Insoweit ist auf die Argumentation des Klägers nicht einzugehen.
6.2. Mit dem am 1. 5. 1996 in Kraft getretenen PoststrukturG BGBl 1996/201 (PTSG) wurde zur Besorgung der bisher von der Post- und Telegraphenverwaltung als Teil der Bundesverwaltung wahrgenommenen Aufgaben die Post- und Telekom Austria Aktiengesellschaft (PTA) eingerichtet. Das bisher im Eigentum des Bundes gestandene Vermögen der Post- und Telegraphenverwaltung einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten ging im Weg der Gesamtrechtsnachfolge mit dem Inkrafttreten des PTSG in das Eigentum der PTA über (§ 10 Abs 1 leg cit). Mit 1. 1. 1999 wurde die beklagte Österreichische Post AG von der PTA durch privatrechtlichen Vertrag abgespalten (s 9 ObA 54/04p).
6.3. Nach der bis zum 1. 1. 1997, dem Inkrafttreten der Novelle zum PostG 1957 BGBl 1996/765, geltenden Rechtslage waren die Rechtsbeziehungen zwischen der Post und ihren Kunden hoheitlicher Natur (vgl § 7 PostG; ErläutRV 940 BlgNR 20. GP 16; differenzierend Schaginger/Trpin , Postgesetz und Postordnung [1958] 40 f: „Rechtsverhältnis eigener Art, das ... sowohl öffentlich-rechtlicher als auch privatrechtliche Elemente“ aufweist). Mit dieser Novelle wurde unter anderem bestimmt, dass die PTA Post im Sinne des PostG 1957 ist, die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Postdienstleistungen entstehenden Rechtsbeziehungen der Post zu ihren Kunden privatrechtlicher Natur sind, die Post für die Inanspruchnahme ihrer Dienstleistungen Geschäftsbedingungen festzulegen hat und neben anderen Normen die Postordnung, BGBl 1957/110, bis zum Inkrafttreten der Geschäftsbedingungen als vorläufige Geschäftsbedingungen sinngemäß anzuwenden sind (§ 49a PostG idF BGBl 1996/765).
6.4. Nach § 20 PostG 1957 war das Recht zur Herstellung und Ausgabe von Briefmarken, die als Zeichen für die Entrichtung von Postgebühren dienen, der Post vorbehalten. Der rechtlich bedeutsame postdienstliche Verwaltungsakt bei der Ausgabe der Briefmarken bestand in der Verlautbarung im Post- und Telegraphenverordnungsblatt ( Schaginger/Trpin , Postgesetz und Postordnung [1958] 98; vgl 9 Os 108/69). Wem die Befugnis zukommt, von der Post ausgegebene Briefmarken für ungültig zu erklären, wurde nicht ausdrücklich normiert.
6.5. Nach § 7 PostG 1957 waren die Beförderungsbedingungen mit Verordnung festzusetzen. Die vom Bundesminister für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft aufgrund dieser Ermächtigung erlassene Postordnung – PO (BGBl 1957/110) sah in ihrem § 25 in der Stammfassung vor, dass unter anderem Briefmarken, „die außer Verkehr gesetzt sind“, ungültig sind. Eine Briefmarke war außer Verkehr gesetzt, wenn öffentlich verlautbart wurde, dass sie von einem bestimmten Zeitpunkt an ihre Fähigkeit verliert, als Zeichen für die Entrichtung von Postgebühren zu dienen. Die Verlautbarung erfolgte im Post- und Telegraphenverordnungsblatt ( Schaginger/Trpin , Postgesetz und Postordnung [1958] 239).
6.6. Nach § 25 PO idF BGBl 1981/2 waren Briefmarken „vor dem kundgemachten ersten oder nach dem kundgemachten letzten Tag ihrer Zulassung zur Freimachung ungültig“.
6.7. Nach der Neufassung des § 25 PO durch BGBl 1993/163 waren Briefmarken nach dem kundgemachten letzten Tag ihrer Zulassung zur Freimachung nicht geeignet.
7. Zutreffend ist die Auffassung des Revisionswerbers, dass § 20 PostG 1957 im Licht des § 25 PostO dahin auszulegen ist, dass das Recht zur Herstellung und Ausgabe von Briefmarken auch die Befugnis umfasst, Briefmarken für ungültig zu erklären. Auch der Verordnungsgeber ordnete ersichtlich die Befugnis zur Ungültigerklärung dem der Post vorbehaltenen Recht zur Herstellung und Ausgabe von Briefmarken zu. Dass sich daran nach der Errichtung der PTA und der Bestimmung der privatrechtlichen Natur der Rechtsbeziehung der PTA zu ihren Kunden durch die Novelle zum PostG 1957 BGBl 1996/765 etwas ändern sollte, lässt sich den Gesetzesmaterialien zu dieser Novelle (IA 332/A BlgNR 20. GP ) nicht entnehmen und wird in der Revision auch nicht ausgeführt.
8.1. Mit dem Inkrafttreten des PostG 1997 BGBl I 1998/18 am 1. 1. 1998 trat das PostG 1957 außer Kraft (§ 31 Abs 1 und § 32 PostG 1997). § 17 PostG 1997 normierte, dass die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Postdienstleistungen entstehenden Rechtsbeziehungen der PTA zu ihren Kunden privatrechtlicher Natur sind. Wie das PostG 1957 idF BGBl 1996/765 behielt § 19 Abs 1 PostG 1997 der PTA das Recht zur Herstellung und Ausgabe von Briefmarken, die als Zeichen für die Entrichtung von Entgelten für Postdienstleistungen gelten, vor. Bis zum Inkrafttreten von Geschäftsbedingungen waren neben anderen Gesetzen und Verordnungen die PostO 1957 in der vor dem 1. 1. 1997 geltenden Fassung als vorläufige Geschäftsbedingungen sinngemäß anzuwenden (§ 34 Abs 2 PostG 1997). Der Spaltung der PTA im Jahr 1999 in die Beklagte und die Telekom Austria AG trug der Gesetzgeber mit der Änderung des PostG 1997 durch BGBl I 2003/72 durch Ersetzung des Ausdrucks „PTA“ durch den Ausdruck „Österreichische Post“ Rechnung, der nach der geänderten Legaldefinition in § 2 Z 2 PostG 1997 die Beklagte und die mit dem Erbringen von Postdiensten befassten Unternehmen, an denen die Beklagte zu mehr als der Hälfte an Kapital oder an Stimmrechten beteiligt ist, bezeichnet.
8.2. Nach Auffassung des erkennenden Senats lässt sich aus der Anordnung der vorläufigen sinngemäßen Anwendbarkeit der PostO 1957 ableiten, dass § 19 Abs 1 PostG 1997 nicht anders als § 20 PostG 1957 dahin auszulegen ist, dass das Recht zur Herstellung und Ausgabe von Briefmarken auch die Befugnis umfasst, Briefmarken für ungültig zu erklären, zumal es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass der Gesetzgeber Gegenteiliges wollte.
9. Demnach war die Beklagte von Gesetzes wegen und nicht erst aufgrund ergänzender Auslegung der von ihr und ihren Rechtsvorgängern mit ihren Kunden geschlossenen Kaufverträgen über die Briefmarken befugt, anlässlich der Währungsumstellung von Schilling auf Euro Schilling- und Groschen-Briefmarken für unzulässig zu erklären.
10.1. Dem steht die VO (EG) 1103/97 über bestimmte Vorschriften mit der Einführung des Euro nicht entgegen. Nach Art 3 dieser Verordnung bewirkt die Einführung des Euro – vorbehaltlich etwaiger Vereinbarungen der Parteien – weder eine Veränderung der Bestimmungen in Rechtsinstrumenten, die in Art 1 der Verordnung definiert werden, oder eine Schuldbefreiung noch rechtfertigt sie die Nichterfüllung rechtlicher Verpflichtungen, noch gibt sie einer Partei das Recht, ein Rechtsinstrument einseitig zu ändern oder zu beenden.
10.2. Nach der im Schrifttum vertretenen Ansicht hat diese Bestimmung allerdings nur währungsrechtlichen und keinen schuldrechtlichen Charakter und regelt somit unter anderem nicht, welche zivilrechtlichen Einreden die Währungsumstellung und ihre Folgen einer Vertragspartei erlauben ( Oberlechner/Obernosterer , Euro-Umstellung 1999 Wirtschaftliche und rechtliche Fakten, AnwBl 1998, 12 mwN; vgl Oberlechner , Die Auswirkungen der Währungsunion auf Bankverträge, ÖBA 1996, 933). Davon abgesehen bestimmt Art 3 leg cit, dass die Einführung des Euro keine Veränderung von Bestimmungen in Rechtsinstrumenten bewirkt. Zu den Rechtsinstrumenten zählen auch Rechtsvorschriften. Die Verordnung würde demnach § 19 Abs 1 PostG 1997 nicht unanwendbar machen. Im Übrigen kann von einer einseitigen Beendigung von Verträgen nicht die Rede sein, wenn die Ungültigerklärung von Briefmarken mit einem Angebot verbunden wird, die ungültig werdenden und ungültig gewordenen Schilling-Briefmarken in wertgleiche Euro-Briefmarken umzutauschen.
11. Da die Beklagte nicht verpflichtet ist, nicht freigemachte Briefsendungen anzunehmen und Schilling-Briefmarken nicht zur Freimachung von Briefsendungen zugelassen sind, hat das Berufungsgericht das geänderte Klagebegehren im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
12.1. Letztlich ist darauf einzugehen, ob die Beklagte zu einem unbefristeten Umtausch verpflichtet ist.
12.2. Der Oberste Gerichtshof teilt die diese Frage bejahende Ansicht des Berufungsgerichts nicht.
12.3. Da die Folgen des Falles, dass Briefmarken durch einen einseitigen Akt der Beklagten ihre Gültigkeit verlieren, weder gesetzlich noch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geregelt sind, ist diese Lücke mit Hilfe ergänzender Vertragsauslegung zu schließen.
a) Die Beklagte hat den Inhabern von Schilling-Briefmarken den Umtausch dieser Briefmarken in wertgleiche neue Euro-Briefmarken angeboten, sodass sich insofern Ausführungen erübrigen. Aus einer ergänzenden Vertragsauslegung ergibt sich aber kein unbefristeter Anspruch der betroffenen Kunden der Beklagten auf Umtausch.
b) Bei der ergänzenden Vertragsauslegung ist danach zu fragen, was redliche und vernünftige Parteien nach dem Vertragszweck unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile vereinbart hätten, wenn sie die planwidrige Regelungslücke gekannt hätten (RIS-Justiz RS0017758; 4 Ob 73/03v).
c) Dass die Beklagte den Umtausch ab 1. 7. 2002 nur noch gegen Entgelt anbot, ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil mit dem Umtausch erheblicher Verwaltungsaufwand verbunden ist. Auch nach § 26 PO 1957 war ein Umtausch selbst gültiger Briefmarken nur gegen Entrichtung einer Umtauschgebühr möglich.
d) Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die Befristung der Umtauschmöglichkeit. Zu berücksichtigen ist der (entgegen der Meinung des Berufungsgerichts) zunehmende Verwaltungsaufwand (insbesondere für die Gültigkeitsprüfung [inländische, unbeschädigte, unveränderte, nicht entwertete Marken]) für den Umtausch seit 10. 12. 1947 ausgegebener Marken, zumal er aufgrund der europäischen Währungsumstellung veranlasst wurde und der Beklagten ein berechtigtes Interesse daran zuzubilligen ist, dass Briefsendungen mit von ihr ausgegebenen Marken mit Nominalen in Euro freigemacht werden.
e) Hingegen ist ein berechtigtes Interesse der betroffenen Kunden der Beklagten an einem zeitlich unbegrenzten Umtauschrecht nicht zu erkennen. Die Einführung der neuen Währung war seit längerem allgemein bekannt. Für niemanden, insbesondere niemanden, der angesammelte Schilling-Briefmarken zur Freimachung von Briefsendungen verwenden wollte, bestand angesichts der seit langem angekündigten Währungsumstellung Veranlassung, mit dem Umtausch zu zögern.
f) Dem Kläger war schon im ersten Halbjahr 2002 bekannt, dass Schilling-Briefmarken nach Ablauf des 30. 6. 2002 ungültig sein werden. Er hat sich bewusst gegen einen, damals noch kostenlos möglichen Umtausch entschlossen. Eine Grundlage dafür, dass redliche und vernünftige Parteien unter Berücksichtigung des Zwecks des Vertrags und ihrer Interessen für den Fall einer Währungsumstellung eine Umtauschmöglichkeit von auf die alte Währung lautenden und nicht mehr verwendbaren Briefmarken auch noch nach mehr als einem Jahrzehnt nach der Währungsumstellung vereinbart hätten, ist nicht ersichtlich.
13. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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