Spruch:
Weder der Revision des Zweitklägers noch jener des Erstbeklagten wird stattgegeben.
Der Zweitkläger ist schuldig, dem Erstbeklagten die Kosten des Revisionsverfahrens im Betrage von 3.087 S (darin enthalten an Umsatzsteuer 514,50 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Der Erstbeklagte ist schuldig, der Erstklägerin die Kosten des Revisionsverfahrens im Betrage von 3.087 S (darin enthalten an Umsatzsteuer 514,50 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
In einem im Miteigentum mehrerer Personen stehenden städtischen Miethaus befinden sich ebenerdig links vom Hauseingang mehrere Geschäftsräume, und zwar ein unmittelbar an das Stiegenhaus anschließender, von diesem betretbarer Verkaufsraum (4 m x 6,5 m) mit unmittelbarem Zugang von der 4 m breiten Straßenfront, hinter diesem Verkaufsraum hofseitig ein ebenfalls unmittelbar vom Stiegenhaus, aber auch vom straßenseitigen Verkaufsraum aus betretbarer Magazinraum (3 m x 5,5 m), hofseits an dem zuletzt genannten Magazinraum anschließend, aber ohne Zugang von diesem oder vom Hof ein Büroraum (5,5 m x 5 m) und straßenseitig an den erstgenannten Verkaufsraum anschließend, sowie straßenseitig dem zuletzt genannten hofseitigen Büroraum vorgelagert und mit diesem durch eine Türe verbunden ein Ausstellungsraum (5,5 m x 7 m) mit unmittelbarem Zugang von der 5,5 m breiten Straßenfront. Umstritten ist zwischen den Streitteilen die Benützung des zuletzt genannten 5,5 m x 7 m großen Ausstellungsraumes. Der Ehemann der Erstklägerin mietete diesen Geschäftsraum vom damaligen Hauseigentümer für die Zeit ab 1. Mai 1954 (auf unbestimmte Zeit). Er verwendete diesen Mietraum im Rahmen des von ihm geführten Elektrohauses. Im Jahre 1962 verpachtete der Ehemann der Erstklägerin sein Unternehmen an den Erstbeklagten und den Zweitkläger und überließ den beiden Pächtern damit auch die Nutzung der dem Unternehmen gewidmeten Mieträume, darunter den nun strittigen Ausstellungsraum. Der Erstbeklagte und der Zweitkläger führten das von ihnen gepachtete Unternehmen als Gesellschafter einer zwischen ihnen gegründeten offenen Handelsgesellschaft. (Der Zweitkläger kündigte das Gesellschaftsverhältnis zum 30.Juni 1987 auf, der Erstbeklagte stellte ein Übernahmsbegehren, obsiegte in erster Instanz, zog aber in der Folge sein Begehren unter Anspruchsverzicht zurück.)
Die Erstklägerin kündigte als (Erbin und Gesamt-)Rechtsnachfolgerin ihres Ehemannes die Unternehmenspacht zum 30. Juni 1987 auf und schloß für die Zeit ab 1.Juli 1987 einen (gleichartigen) Pachtvertrag (über das Unternehmen) mit dem Zweitkläger allein.
(Nach dem Vorbringen der Kläger habe der Zweitkläger am 30.Juni 1987 den strittigen Ausstellungsraum als Teil des Pachtunternehmens namens der offenen Handelsgesellschaft der Erstklägerin zurückgestellt und von dieser aufgrund des neuen Pachtvertrages als Pächter in eigener Person übernommen.)
Während der Pacht des Unternehmens durch die offene Handelsgesellschaft war eine Trennwand zwischen den beiden straßenseitigen Räumen entfernt worden. Im Zusammenhang mit der Aufkündigung der Unternehmenspacht zum 30.Juni 1987 stellte der Erstbeklagte anstelle der seinerzeitigen Trennwand eine Holzwand auf. Der Zweitkläger ließ den Ausstellungsraum zur Straße nach dem 30. Juni 1987 unversperrt.
Der Erstbeklagte brachte in den ersten Tagen des Juli 1987 an der straßenseitigen Türe des Ausstellungsraumes eine Sperrvorrichtung an. Dadurch wurde dem Zweitkläger der Zutritt zu diesem Pachtraum verwehrt.
Entgegen dem Einwendungsvorbringen des Erstbeklagten gestattete der Zweitkläger weder diesem noch dessen Schwiegersohn eine (Mit-)Benützung des Ausstellungsraumes bis zum Abschluß der Liquidation der offenen Handelsgesellschaft.
Die Hauseigentümer haben der Erstklägerin die Miete von Geschäftsräumlichkeiten, darunter auch jene des zwischen den Streitteilen strittigen Ausstellungsraumes (aus den Kündigungsgründen nach § 30 Abs 1 sowie § 30 Abs 2 Z 4, 6 und 7 MRG) zum 30.Juni 1987 gerichtlich aufgekündigt. Die Erstklägerin erhob fristgerecht Einwendungen. Der Rechtsstreit über die Aufkündigung war zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im Räumungsstreit noch anhängig.
Mit der Behauptung rechtswidriger Benützung des strittigen Raumes durch den Erstbeklagten sowie durch eine von diesem und seinem Schwiegersohn gegründete offene Handelsgesellschaft begehrten die Erstklägerin (als Hauptmieterin) und der Zweitkläger (als Unternehmenspächter, der als solcher den strittigen Raum "übernommen" habe) von den Beklagten die Räumung und Übergabe des strittigen Geschäftsraumes.
Das Prozeßgericht erster Instanz gab dem Räumungsbegehren beider Kläger gegen den Erstbeklagten statt (das Verfahren gegen die Zweitbeklagte ruht).
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil in Ansehung des von der Erstklägerin gestellten Räumungsbegehrens, änderte es aber in Ansehung des vom zweiten Kläger erhobenen Begehrens im klagsabweisenden Sinne ab.
Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Streitgegenstandes sowohl im bestätigenden als auch im abändernden Teil jeweils 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt. Weiters sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO sowohl in Ansehung des bestätigenden als auch in Ansehung des abändernden Teiles vorläge.
In rechtlicher Beurteilung hatte das Prozeßgericht erster Instanz gefolgert, daß beide Kläger als Bestandnehmer zur Verfolgung des Räumungsbegehrens berechtigt seien und dem Erstbeklagten kein Rechtstitel zur weiteren Raumnutzung zustünde. Den Umstand der gegen die Erstklägerin ausgesprochenen Aufkündigung unterzog das Prozeßgericht erster Instanz keiner Würdigung.
Das Berufungsgericht legte seiner rechtlichen Beurteilung die Erwägung zugrunde, daß die Erstklägerin als Hauptmieterin "unter anderem den gegenständlichen Raum an den Zweitkläger verpachtet hat". Es wertete deshalb den Zweitkläger als Untermieter und sprach ihm als solchen im Sinne der ständigen Rechtsprechung die Zuerkennung petitorischen Rechtsschutzes gegen Dritte ab. Den einem Hauptmieter von der ständigen Rechtsprechung in Billigung der Lehre zuerkannten petitorischen Rechtsschutz gegen Dritte gestand das Berufungsgericht der Erstklägerin ungeachtet der gerichtlichen Aufkündigung des Hauptmietverhältnisses auch noch für die Dauer des Kündigungsstreites zu.
Der Zweitkläger ficht die Abweisung seines Räumungsbegehrens aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Rechtsstellung eines Untermieters mit einem auf Wiederherstellung des klagsstattgebenden Urteiles erster Instanz zielenden Abänderungsantrag an. Der Erstbeklagte erhebt gegen den bestätigenden Teil des Berufungsurteiles aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 2 ZPO wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Kündigungswirkungen Revision mit einem auf Abweisung des Räumungsbegehrens zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag.
Der Erstbeklagte strebt die Bestätigung des Berufungsurteiles in dessen abänderndem Teil an.
Die Erstklägerin erachtet die Revision des Erstbeklagten mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als unstatthaft. Hilfsweise strebt sie die Bestätigung des Berufungsurteiles in seinem bestätigenden Teil an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Zweitklägers ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, aber nicht berechtigt.
Dem Zweitkläger kommt als Pächter eines Unternehmens, das in Räumen betrieben wird, deren Nutzung dem Verpächter aufgrund Mietvertrages zukommt, besitzrechtlich eine Stellung zu, die der eines Untermieters vergleichbar ist (vgl. etwa SZ 49/159; Würth in Rummel, ABGB, Rz 16 zu § 1098). Die Gewährung des sogenannten quasi-dinglichen Rechtsschutzes an den Mieter einer unbeweglichen Sache, der diese bereits in seine Verfügungsmacht genommen hat, ist eine weitgehend eigenständige Schöpfung der Rechtsprechung, deren systematische Einordnung und dogmatische Grundlegung nicht unproblematisch erscheint. Ihr liegt aber unausgesprochen die Erwägung zugrunde, daß zur Vermeidung einer einseitigen Verfielfältigung des Klagerechtes die Ausübung der einem dinglich Berechtigten zustehenden Schutzrechte gegen unbefugte Eingriffe durch Dritte auf den unmittelbaren Rechtsnehmer des dinglich Berechtigten beschränkt bleiben müsse und von diesem auch nicht im Rahmen einer zulässigen Weiterübertragung des obligatorischen Nutzungsrechtes weiter übertragen werden könnte.
Daran ist ungeachtet der in sich konsequenten gegenteiligen Ansicht von Apathy festzuhalten, weil im Rahmen eines bloß obligatorischen Nutzungsverhältnisses die am dinglichen Recht haftenden Schutzrechte höchstens der Ausübung nach mit den eingeräumten Nutzungsrechten, nicht aber als solche einer Übertragung und Weitergabe zugänglich sind.
Auch die Revision des Erstbeklagten ist im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO wegen der notwendigen Klärung der Rechtsstellung des gekündigten Bestandnehmers gegenüber widerrechtlichen Eingriffen Dritter zulässig, aber ebenfalls nicht berechtigt.
Dem Mieter einer unbeweglichen Sache, der diese gutgläubig in vertragliche Nutzung genommen hat, gewährt die Rechtsprechung seit der Zwischenkriegszeit mit Billigung der Lehre einen sogenannten quasi-dinglichen Rechtsschutz gegenüber einem schlechter berechtigten Dritten. Dabei wird diese mit einem unmittelbaren Klagerecht gegen Dritte verbundene quasi-dingliche Rechtsstellung an den redlichen Besitzerwerb geknüpft und nachfolgende Schlechtgläubigkeit als unerheblich angesehen. Dem Mieter verbleibt auch nach erfolgter Aufkündigung bis zur rechtskräftigen Beendigung des über diese abgeführten Rechtsstreites und die Erfüllung oder Durchsetzung des Urteilsspruches der besitzrechtliche Schutz gegenüber dem Bestandgeber wie auch gegenüber Dritten. Der Mieter mag zufolge Zustellung der Aufkündigung als schlechtgläubig zu behandeln sein, an der erworbenen Rechtsstellung in Ansehung der auf den seinerzeitigen gutgläubigen Besitzerwerb gegründeten Befugnisse gegenüber rechtswidrigen Eingriffen durch Dritte ändert sich aber während der Anhängigkeit des Kündigungsstreites nichts. Der diesbezüglichen Ableitung des Berufungsgerichtes ist beizutreten. Aus diesen Erwägungen ist keiner der beiden Revisionen stattzugeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
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