OGH 6Ob561/95

OGH6Ob561/951.6.1995

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schobel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Redl, Dr.Kellner, Dr.Schiemer und Dr.Prückner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Franz K*****, Chemiker, ***** vertreten durch Dr.Günter Blecha, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Fatmir R*****, Maurer, ***** vertreten durch Dr.Felix Spreitzhofer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 18. Jänner 1995, GZ 48 R 947/94 (ON 12), womit das Urteil des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 24.Mai 1994, GZ 6 C 1939/93t-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.436,48 (darin S 406,08 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt die Räumung der dem Beklagten mit Mietvertrag vom 29.4.1993 befristet auf drei Monate vermieteten Wohnung top Nr 24 im Haus G*****. Dem Beklagten sei zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bekannt gewesen, daß die Wohnung top Nr 24 mit der Wohnung top Nr 25 zusammengelegt werde und die Umbauarbeiten im Sommer 1993 nach Beendigung des Bestandverhältnisses in Angriff genommen werden sollten. Der Beklagte habe dem Kläger überdies mitgeteilt, daß er bereits eine andere Wohnung in Aussicht habe, auch aus diesem Grund sei das Mietverhältnis befristet worden. Der Beklagte verweigere die Räumung der seit 31.7.1993 titellos benützten Wohnung.

Der Beklagte wandte ein, es sei zwar ein befristeter Mietvertrag geschlossen worden, das Mietverhältnis sei auf Grund einer zwischen den Streitteilen getroffenen mündlichen Vereinbarung jedoch verlängert worden. Es liege überdies ein unzulässiger Kettenmietvertrag vor, weil der Beklagte bereits vor dem gegenständlichen Mietvertrag einen auf ein Jahr befristeten Mietvertrag über eine andere Wohnung im Haus des Klägers geschlossen habe.

Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren unter Zugrundelegung folgender Feststellungen statt:

Der Beklagte hatte am 28.4.1992 einen auf ein Jahr befristeten Mietvertrag über die Wohnung top Nr 16 im Haus G***** abgeschlossen, der am 30.4.1993 abgelaufen ist. Der Kläger war am Abschluß eines unbefristeten Mietvertrages nicht interessiert und hatte den Beklagten ausdrücklich darauf hingewiesen, daß eine Verlängerung des Vertrages nicht in Betracht komme. Während der Laufzeit dieses Bestandvertrages war auch die Familie des Beklagten, seine Ehefrau und vier Kinder, nach Österreich gekommen und wohnten in der nur aus Zimmer und Küche bestehenden Wohnung. Als der Mietvertrag auslief hatte der Beklagte eine größere Wohnung in Aussicht aber noch keine andere Wohnmöglichkeit. Da die soziale Situation des Beklagten triste war, eines seiner Kinder befand sich schon Monate in Spitalspflege, ein anderes besuchte in Österreich die Schule, überließ der Kläger dem Beklagten auf seine Bitte hin für einen Zeitraum von drei Monaten die Wohnung top Nr 24, welche der Kläger nach Freiwerden mit der Nachbarwohnung top Nr 25 zusammenlegen wollte, weil er grundsätzlich bestrebt war, aus den kleinen Mietobjekten im Haus größere Einheiten zu schaffen. Die Wohnungszusammenlegung war der Mieterin der Wohnung top Nr 25 bereits zugesagt.

Die Motivation des Klägers für den auf drei Monate vom 1.5.1993 bis 31.7.1993 befristet abgeschlossenen Mietvertrag war die Überlegung, daß bis 31.Juli 1993 das Schuljahr beendet und bis dahin die Zeit absehbar sein werde, für welche das kranke Kind des Beklagten noch der Krankenhauspflege bedürfe. Eine Verlängerung des Vertrages über den 31.7.1993 hinaus wollte der Kläger keinesfalls eingehen.

Der Beklagte hat die Wohnung top Nr 24 zum 31.7.1993 nicht geräumt. Eine mündliche Zusage des Klägers, der Beklagte könne weiterhin in der Wohnung bleiben, erfolgte nicht. Der Kläger hätte ohne Vertragsverlängerung einem Räumungsaufschub allenfalls zugestimmt, wenn für das kranke Kind noch Krankenhauskontrollen nötig gewesen wären. Da die Familie des Beklagten jedoch wieder nach Jugoslawien zurückkehrte, war ein solches Entgegenkommen des Klägers gegenstandslos.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, es treffe zwar zu, daß nach der zu Kettenmietverhältnissen entwickelten Judikatur eine Verlängerung des Mietverhältnisses auch dann vorliege, wenn, um eine offene befristete nicht durchsetzbare Verlängerung zu verschleiern über die im § 29 MRG normierten Fristen hinaus der Vermieter dem Mieter ein anderes etwa gleichwertiges Objekt in Bestand gebe, sei es im selben Haus oder auch in einem anderen dem Vermieter gehörenden Haus. Den judizierten Fällen sei aber gemeinsam, daß in Wahrheit eine Verlängerung des ursprünglichen Mietverhältnisses über die ursprünglich vereinbarte Zeit wiederum befristet erfolgen sollte. Eine solche Absicht sei dem Mieter im vorliegenden Fall nicht zu unterstellen. Die aus sozialer Motivation auf drei Monate befristet zur Verfügung gestellte weitere Wohnung im selben Haus des Vermieters habe nur dazu gedient, die Obdachlosigkeit des Klägers abzuwenden und komme der Gewährung eines Räumungsaufschubes gleich. Der Abschluß des neuen Vertrages sei nur erfolgt, um dem Kläger nach Ablauf des gewährten Aufschubes die Möglichkeit der Räumungsklage zu wahren.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge.

Allen als Kettenmietverträge qualifizierten aufeinanderfolgenden befristeten Mietverträgen (durch Rollentausch von Hausgenossen, Abschluß mehrerer befristeter Verträge im selben Haus oder einem anderen Haus desselben Vermieters) sei gemeinsam, daß das wirklich beabsichtigte Geschäft, nämlich die Verlängerung des ersten Mietvertrages verschleiert werden sollte, wobei es genügt habe, daß objektiv der Sinn und Zweck der umgangenen Norm vereitelt worden sei. Im vorliegenden Fall sei vom Kläger, der ausdrücklich darauf hingewiesen habe, an einer Verlängerung nicht interessiert zu sein, nach Ablauf der einjährigen Bestanddauer keineswegs ein Wohnungstausch geplant gewesen, vielmehr sollte die Wohnung top Nr 24 mit der Nachbarwohnung top Nr 25 zusammengelegt werden. Der Kläger habe daher auch kein Interesse an einer Vermietung dieser Wohnung gehabt. Er habe unter Beweis gestellt, daß keine Umgehung der Bestimmungen des MRG über die Befristung von Hauptmietverträgen sondern nur die Berücksichtigung der familiären Situation des Beklagten beabsichtigt gewesen sei. Das Verhalten des Klägers sei nicht anders zu sehen als wenn er nach Ablauf der Bestandzeit hinsichtlich der Wohnung top Nr 16 und Erwirkung eines Räumungstitels mit dem Exekutionsantrag zugewartet oder einem Antrag des Beklagten auf Räumungsaufschub zugestimmt hätte. Dem Kläger könne nicht unterstellt werden, er habe, um die wirklich beabsichtigte Vereinbarung nämlich die Verlängerung des bisherigen Mietvertrages, zu verschleiern, den Umweg eines Wohnungstausches gewählt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung zu der Frage fehle, inwieweit die Kenntnis beider Parteien, daß eine Verlängerung des Mietvertrages über die im § 29 Abs 1 MRG vorgesehenen Fristen hinaus nicht angestrebt werde, eine Umgehung dieser Bestimmungen ausschließe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, daß in allen Entscheidungen, in denen der Abschluß mehrerer zeitlich aufeinanderfolgender befristeter Verträge durch die selben Vertragsparteien über verschiedene Bestandobjekte sowohl im selben als auch in einem anderen Haus desselben Vermieters zu beurteilen war, die Rechtsansicht vertreten wurde, daß die Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 lit c (aF) MRG durch den Abschluß eines neuen Mietvertrages anstelle einer Vertragsverlängerung nicht mit dem Ziel umgangen werden kann, das wirklich beabsichtigte Geschäft - Verlängerung des ersten Mietvertrages - zu verschleiern und eine Umgehung der Bestimmungen über die Zulässigkeit befristeter Bestandverhältnisse immer dann vorliegt, wenn kein objektiver Grund für den Wohnungstausch vorliegt (zuletzt ecolex 1994, 535, 2 Ob 582/94). Schon aus der Einschränkung auf Fälle, in denen kein objektiver Grund vorliegt, ergibt sich, daß es, da Zeitmietverträge ja nicht schlechthin verboten sind, den Parteien möglich sein muß, nach Ablauf eines befristeten Mietvertrages die nicht in Umgehungsabsicht bestehenden Gründe darzulegen, aus denen sie über ein anderes Mietobjekt, wenn auch im selben Haus, einen weiteren auf kurze Zeit befristeten Mietvertrag abgeschlossen haben.

Im vorliegenden Fall lehnte der Kläger eine Verlängerung des Mietverhältnisses ab (und hatte für die Wohnung, wie sich aus dem Akt ergibt, bereits einen anderen Mieter). Wenn er, um den Beklagten, der selbst erklärt hatte bereits eine größere Wohnung in Aussicht zu haben, und dessen Familie aus den besonderen, festgestellten Gründen nicht der Obdachlosigkeit aussetzen, diesen eine wegen der in Kürze beabsichtigten Wohnungszusammenlegung nicht zur neuerlichen Vermietung freie Wohnung in seinem Haus auf die Dauer von nur drei Monaten zur Verfügung stellte, so kann darin keine Umgehung der zwingenden gesetzlichen Bestimmungen des § 29 MRG gesehen werden. Zutreffend haben die Vorinstanzen ausgeführt, daß dieser Fall nicht anders zu beurteilen ist als der Weg über die Einbringung einer Räumungsklage und Abschluß eines nicht im krassen Mißverhältnis zur Mietdauer stehenden Räumungsvergleiches oder zur Gewährung eines Räumungsaufschubes. Für die exekutive Durchsetzung der Räumung bei Weigerung des Beklagten die Wohnung zum Endtermin zu räumen wäre jedenfalls ein längerer Zeitraum als drei Monate erforderlich gewesen (vgl § 35 MRG).

Der hier zu beurteilende, auf drei Monate befristete Mietvertrag kann daher nicht als Kettenmietvertrag zur Umgehung der zwingenden Bestimmungen des § 29 (aF) MRG angesehen werden.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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