OGH 6Ob559/80

OGH6Ob559/809.4.1980

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lassmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger, Dr. Resch, Dr. Schobel und Dr. Melber als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj Christian K*****, vertreten durch seinen ehelichen Vater Franz K*****, dieser vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Rechtsanwalt in St. Pölten, wider die beklagte Partei Stadtgemeinde S*****, vertreten durch Dr. Werner Pennerstorfer, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen S 568.000,--, Leistung einer Rente und Feststellung infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 11. Jänner 1980, GZ 16 R 224/79-11, womit das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 24. Oktober 1979, GZ 6 Cg 235/79-7, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten dieses Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der mj Kläger (geb am 8. 4. 1974) erkrankte im November 1975 schwer. Er befand sich zunächst in stationärer Behandlung des Krankenhauses S***** und wurde nach einigen Tagen an die Universitäts-Kinderklinik nach Wien überstellt. Als Folge der Erkrankung besteht beim Kläger eine schwere organische Hirnschädigung.

Der durch seinen Vater vertretene Kläger (die Vollmacht des Rechtsanwaltes Dr. Gloß wurde auch von der Mutter des Klägers unterfertigt) brachte in seiner am 8. Juni 1979 eingebrachten Klage vor, die schweren Folgen seiner Krankheit seien darauf zurückzuführen, daß die Ärzte des Krankenhauses S***** aus Fahrlässigkeit schwere Fehler begangen hätten. Hievon habe der gesetzliche Vertreter des Klägers erst auf Grund eines Sachverständigengutachtens Kenntnis erlangt, welches das Kreisgericht St. Pölten im Rahmen eines Strafverfahrens gegen unbekannte Täter eingeleitet habe und welches am 6. 3. 1979 beim Kreisgericht St. Pölten eingelangt sei. Die beklagte Partei hafte als Rechtsträger des Krankenhauses für das Verschulden der Ärzte. Der Kläger begehrt als Schadenersatz einen Betrag von S 568.000,-- und eine monatliche Rente von S 4.000,-- ab 1. 7. 1979. Außerdem stellte er ein Feststellungsbegehren.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete unter anderem Verjährung ein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der dem Kläger angeblich durch fehlerhafte Behandlung zugefügte Schaden sei schon feststellbar gewesen, als sich der Kläger noch in der Universitäts-Kinderklinik befunden habe. Die Kenntnis des Schädigers sei im vorliegenden Fall belanglos, da nicht die Ärzte sondern die beklagte Partei als deren Dienstgeber in Anspruch genommen werde. Die Entschädigungsklage sei daher gem § 1489 ABGB verjährt. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Es führte aus, neben der Kenntnis des Schadens und des Ersatzpflichtigen sei für den Beginn der Verjährungszeit auch die Kenntnis des Ursachenzusammenhanges erforderlich. Es bedürfe also bei der Verschuldenshaftung auch der Kenntnis des Geschädigten von jenen Umständen, aus denen das Verschulden des Schädigers hervorgehe, sofern sich diese Umstände nicht schon aus der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens ergeben. Die Verjährungsfrist beginne erst zu laufen, wenn dem Geschädigten der seinen Anspruch begründende Sachverhalt soweit bekannt sei, daß er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg erheben könne. Die bloße Vermutung des Ursachenzusammenhanges reiche nicht aus. Nun behaupte der Kläger, sein gesetzlicher Vertreter habe erst durch das am 6. 3. 1979 eingelangte Sachverständigengutachten Kenntnis davon erlangt, daß der Schaden auf eine mangelhafte Behandlung im Krankenhaus S***** zurückgeführt werden könne. Treffe dies zu, habe der Kläger die Verjährungsfrist nicht versäumt. In diesem Fall bedürfe es einer Prüfung der Behauptungen zum Klagsanspruch selbst. Da das Erstgericht diese Tatsachen nicht erörtert habe, sei das Ersturteil aufzuheben gewesen.

Gegen diesen Beschluß des Berufungsgerichtes liegt der Rekurs der Beklagten vor, mit dem eine Wiederherstellung des Ersturteils angestrebt wird.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, daß die Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 erst beginnt, wenn dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt ist, daß die Klage mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden kann (SZ 18/171; 20/236; 40/40; 48/27; 8 Ob 516/79 uva). Zu den für das Entstehen des Ersatzanspruches maßgebenden Umständen, die dem Geschädigten im Sinne des § 1489 Satz 1 bekannt sein müssen, gehört daher nicht nur die Kenntnis des Schadens und des Schädigers sowie des Ursachenzusammenhanges zwischen dem Schaden und einem dem Schädiger anzulastenden Verhalten, sondern überall dort, wo der Ersatzanspruch des Beschädigten - wie hier - ein Verschulden des Schädigers voraussetzt, auch die Kenntnis jener Umstände, die im Einzelfall ein derartiges Verschulden begründen (4 Ob 511/79 ua). Darum besagt auch die herrschende Rechtsprechung, von der abzugehen auch im vorliegenden Fall kein Grund besteht, daß für jemanden, der durch einen ärztlichen Kunstfehler zu Schaden gekommen ist, ohne von dem Kunstfehler mangels entsprechenden Fachwissens Kenntnis zu haben, die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 Satz 1 ABGB solange nicht zu laufen beginnt, als diese Unkenntnis andauert, mögen ihm auch Schaden und Schädiger bekannt sein (7 Ob 279/56; 7 Ob 357/65; 8 Ob 213/66; 7 Ob 58/70). Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers, sein gesetzlicher Vertreter habe erst durch ein am 6. 3. 1979 eingelangtes Sachverständigengutachten Kenntnis davon erlangt, daß der Schaden auf eine mangelhafte Behandlung durch die Ärzte des Krankenhauses zurückzuführen sei, gelangte das Berufungsgericht daher mit Recht zu dem Ergebnis, die Sache sei noch nicht spruchreif.

Nicht berechtigt sind die Rekursausführungen, daß Berufungsgericht habe durch die Aufhebung des Ersturteiles das Prozeßergebnis vorweggenommen, weil es zum Ausdruck gebracht habe, das Gutachten der Universitätsklinik Innsbruck habe ein schuldhaftes Verhalten der Ärzte festgestellt. Das Berufungsgericht führte lediglich aus, daß das Vorbringen des Klägers über den erst durch das Sachverständigengutachten bekanntgewordenen Kunstfehler zu beachten bzw zu erörtern sei. Damit wurde über die Frage, ob im Krankenhaus S***** tatsächlich ein Behandlungsfehler unterlief, nichts gesagt. Wenn in dem erwähnten Gutachten Fehler der Ärzte bei der Behandlung des Klägers aufgezeigt werden, dann beginnt für eine auf diese Fehler gestützte Entschädigungsklage die Verjährungsfrist mit der Kenntnis dieses Gutachtens. Damit ist nichts darüber gesagt, ob tatsächlich Behandlungsfehler vorgekommen sind.

Die Meinung der Rekurswerberin, die Richtigkeit der oben dargelegten Rechtsansicht würde es jedem bei einem Verkehrsunfall Geschädigten ermöglichen, die dreijährige Verjährungszeit durch die Behauptung ad absurdum zu führen, er hätte erst jetzt Kenntnis vom Ursachenzusammenhang zwischen Schadensereignis und Schaden erlangt, ist verfehlt. Die bloße Behauptung, man habe erst jetzt vom Ursachenzusammenhang Kenntnis erlangt reicht nicht aus, wenn nicht gleichzeitig stichhältige Gründe dafür angegeben werden, weshalb diese Kenntnis nicht schon früher bestand. Der Kenntnis des Geschädigten von jenen Umständen, aus denen das Verschulden des Schädigers hervorgeht, bedarf es außerdem nur, soferne sich diese Umstände nicht schon aus der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des schädigenden Verhaltens ergeben (7 Ob 518/76, 1 Ob 651/77 ua). Beim Verkehrsunfall fällt der Beginn der Verjährungszeit daher in der Regel mit dem Unfallstag zusammen (8 Ob 77/78), da die Erkennbarkeit der maßgebenden Zusammenhänge beim Verkehrsunfall keine besondere Fachkunde erfordert.

Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin begann im vorliegenden Fall die Verjährungszeit nicht schon deshalb früher, weil der gesetzliche Vertreter des Klägers eine Strafanzeige erstattet und daher schon damals einen Verdacht hatte. Ein bloßer Verdacht genügt nämlich nicht, weil er nicht ausreichen würde, mit Aussicht auf Erfolg eine Klage zu erheben.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.

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