European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00055.24T.1211.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Das Erstgericht gab der Räumungsklage mangels Abschlusses eines Mietvertrags zwischen den Parteien statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies die Klage ab.
Rechtliche Beurteilung
[2] Die außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.
[3] 1. Die Klägerin tritt der Beurteilung des Berufungsgerichts, im Jahr 2016 sei ein Mietvertrag über die verfahrensgegenständliche Wohnung zwischen den Parteien zustande gekommen, in ihrer außerordentlichen Revision nicht (mehr) konkret entgegen. Sie erblickt eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aber darin, dass das Berufungsgericht nicht von einer Auflösung dieses Mietvertrags ausgegangen sei. Es sei ein vom Beklagten als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer sowohl der Klägerin als auch einer anderen GmbH unterfertigter Mietvertragsentwurf des Jahres 2020 über das verfahrensgegenständliche Mietobjekt „vorgelegen“, wodurch der Mietvertrag mit dem Beklagten aufgelöst worden sei.
[4] Damit wird eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung schon deshalb nicht dargetan, weil die Klägerin in ihrer Argumentation zur Vertragsauflösung die Rechtsprechung zur Doppelvertretung außer Acht lässt:
[5] 2.1. Ein Fall einer Doppelvertretung, wenn also ein Vertreter für zwei Vertretene, für die er vertretungsberechtigt ist, ein Geschäft abschließt, ebenso wie das Selbstkontrahieren im engeren Sinn werden unter dem Oberbegriff des Insichgeschäfts zusammengefasst (RS0019621). Insichgeschäfte sind nur insoweit zulässig, als keine Interessenkollision droht und der Abschlusswille derart geäußert wird, dass die Erklärung unzweifelhaft feststeht und nicht unkontrollierbar zurückgenommen werden kann. Sie sind zulässig, wenn das Geschäft dem Vertretenen nur Vorteile bringt, keine Gefahr der Schädigung des Vertretenen besteht oder dieser einwilligt. Soweit die Gefahr einer Interessenkollision droht, handelt der Machthaber bei Doppelvertretung ebenso wie bei Selbstkontrahieren im engeren Sinn insoweit ohne Vertretungsmacht (RS0038756 [T5, T6]; RS0019621 [T3]). Keine Gefahr einer Interessenkollision besteht, wenn der gefährdete Vertretene dem Geschäftsabschluss – sei es durch vorherige Einwilligung, sei es durch nachträgliche Genehmigung – zugestimmt hat. Dabei kann die Zustimmung oder Genehmigung nicht wieder vom Vertreter erteilt werden (6 Ob 95/23y [T15]; RS0019350). Geht es um die Ausübung der Vertretungsmacht des Geschäftsführers einer GmbH, müssen vielmehr – ungeachtet der sonstigen Regelungen der Vertretung – alle übrigen Geschäftsführer zustimmen (6 Ob 298/05z). Ist nur ein einziger Geschäftsführer bestellt, muss entweder ein allfälliger Aufsichtsrat zustimmen oder die Gesellschafter selbst müssen vorher oder nachträglich die Genehmigung erteilen (6 Ob 95/23y [Rz 15]).
[6] 2.2. Im vorliegenden Fall behauptet die Klägerin auch in der außerordentlichen Revision nicht, dass eine Beendigung des Mietverhältnisses zum Beklagten und der Abschluss eines neuen Mietvertrags mit der GmbH für sie nur mit Vorteilen verbunden gewesen wäre, die Gefahr einer Schädigung nicht bestanden hätte oder die Zustimmung ihres aus dem Firmenbuch ersichtlichen zweiten selbständig vertretungsbefugten Geschäftsführers vorgelegen sei.
[7] Daher können darin, dass das Berufungsgericht nicht von einer wirksamen Beendigung des Mietvertrags zwischen der Klägerin und der Beklagten durch den Abschluss eines neuen Mietvertrags über dasselbe Mietobjekt ausging, eine Abweichung von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und eine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht erblickt werden.
[8] 3. Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
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