Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin und Widerbeklagte (in der Folge Klägerin) stützte ihr Begehren auf Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten und Widerklägers (in der Folge Beklagter) insbesondere darauf, der Beklagte habe sie beschimpft und mißhandelt, verfalle immer mehr dem Alkohol und unterhalte ehewidrige Beziehungen zu einer anderene Frau. Der Beklagte begehrte in der Widerklage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin. Er bestritt die ihm angelasteten Verfehlungen und brachte im wesentlichen vor, die ehelichen Auseinandersetzungen seien auf die Streitsucht der Klägerin zurückzuführen. Der Beklagte habe die Klägerin und einen anderen Mann in der ehelichen Wohnung dabei überrascht, als sie einander geküßt hätten. Die Klägerin habe mit einem Jugoslawen einen Badeausflug unternommen. Sie habe einen Freund, der in der Wohnung aus- und eingehe. Die Klägerin habe den Beklagten beschimpft, ihm Kaffee ins Gesicht geschüttet, seine Hose zerrissen und versucht, ihm das Gesicht zu zerkratzen. Weiters vernachlässige die Klägerin den Haushalt und die Kinder, habe vom Konto des Beklagten unberechtigt Geld abgehoben und die Ehewohnung grundlos verlassen. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden beider Teile und sprach aus, daß das Verschulden des Beklagten überwiege. Aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist folgendes hervorzuheben:
Der Beklagte konsumierte seit Beginn der Ehe übermäßig Alkohol. Er war vor allem an den Wochenenden ständig alkoholisiert. Wenn der Beklagte alkoholisiert war, kam es regelmäßig zu Streitigkeiten zwischen den Ehegatten, in deren Verlauf sie einander beschimpften. Es kam auch wiederholt zu Tätlichkeiten. Der Beklagte hat der Klägerin mehrmals Verletzungen zugefügt. Zu Pfingsten 1985 unternahm die Klägerin mit ihrer Tochter und einem jugoslawischen Arbeitskollegen einen Badeausflug. Damals wurden Fotos gemacht, die die Klägerin und den Arbeitskollegen in Badekleidung zeigen. Auf einem der Fotos hat der Arbeitskollege seinen Arm um die Klägerin gelegt. Die Klägerin traf sich fallweise mit diesem Mann und sprach sich mit ihm über ihre Eheprobleme aus. Etwa ab Mitte 1985 kam es öfters vor, daß die Klägerin, nachdem sie von der Arbeit nach Hause gekommen war, zwischen 18.00 und 19.00 Uhr wieder nach Linz fuhr und erst gegen Mitternacht nach Hause kam. Dies führte ab Oktober 1985 zu einer zunehmenden Vernachlässigung des Haushaltes. Nach einer ehelichen Auseinandersetzung am 28.November 1985, bei der der Beklagte der Klägerin eine Verletzung zugefügt hatte, verließ die Klägerin mit der Tochter die eheliche Wohnung und zog zu ihrer Mutter. Der Beklagte lernte Ende 1985 eine andere Frau kennen, die ihm, nachdem die Klägerin die Ehewohnung verlassen hatte, den Haushalt führt. Der Beklagte übernachtete bei dieser Frau, bezeichnete diese als seine Freundin und äußerte sich, daß diese sehr zärtlich und sehr lieb sei.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung lastete das Erstgericht dem Beklagten Alkoholkonsum, Tätlichkeiten gegenüber der Klägerin sowie die Aufnahme ehewidriger Beziehungen zu einer anderen Frau an. Es vertrat die Ansicht, die Eheverfehlungen der Klägerin, die mit einem Arbeitskollegen einen Badeausflug unternommen habe, mehrmals abends allein ausgegangen sei und den Haushalt vernachlässigt habe, seien demgegenüber als geringfügig anzusehen.
Beide Parteien bekämpften das Ersturteil mit Berufung, wobei der Beklagte die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bekämpfte und zur rechtlichen Beurteilung lediglich ausführte, hätte das Erstgericht die Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellungen richtig getroffen, dann wäre es zur Auffassung gelangt, daß das Verschulden keines der beiden Teile überwiege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und änderte das Ersturteil auf Grund der Berufung der Klägerin dahin ab, daß die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten geschieden, die Widerklage aber abgewiesen werde. Das Gericht zweiter Instanz übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und führte zur Rechtsrüge der Klägerin aus, beim Badeausflug mit dem Arbeitskollegen sei auch die Tochter der Streitteile mit gewesen. Aus den Feststellungen ergebe sich nicht, daß die Kontakte der Klägerin mit dem Arbeitskollegen über einen freundschaftlichen harmlosen Umgang hinausgegangen seien. Daß die Klägerin bei ihren abendlichen Aufenthalten in Linz erotische Kontakte zu anderen Männern gehabt habe, stehe nicht fest, ebensowenig, daß sie diese Abendausflüge gegen den erklärten Willen des Beklagten durchgeführt habe. Die Haushaltsvernachlässigung sei nicht konkretisiert und substantiiert, sodaß nicht beurteilt werden könne, ob dadurch der Tatbestand des § 49 EheG verwirklicht sei. Die Klägerin habe daher keine schweren Eheverfehlungen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu verantworten. Selbst wenn dies aber der Fall wäre, käme dem Widerklagebegehren keine Berechtigung zu, weil es wegen der schweren Verfehlungen des Beklagten sittlich nicht gerechtfertigt wäre. Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision, macht lediglich den Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO geltend, und stellt einen Aufhebungsantrag.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber erklärt selbst, lediglich Verfahrensmängel erster Instanz, die er in der Berufung nicht gerügt habe und die vom Berufungsgericht daher nicht beachtet worden seien, geltend zu machen. Er vertritt unter Hinweis auf Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 1909, die Ansicht, dies sei zulässig. Der Beklagte führt aus, das Erstgericht hätte ihn anleiten müssen, sein Vorbringen über die Haushaltsvernachlässigung zu konkretisieren und zu substantiieren, und legt dar, welche von ihm behaupteten aber nicht festgestellten Eheverfehlungen der Klägerin seiner Ansicht nach hätten berücksichtigt werden müssen.
Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß entgegen der von Fasching vertretenen Ansicht nach ständiger Rechtsprechung Verfahrensmängel erster Instanz, die im Berufungsverfahren nicht gerügt wurden, im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden können (EFSlg. 41.771 uva). Dies gilt zwar nicht für vom Grundsatz der Amtswegigkeit beherrschte Verfahren (EFSlg. 46.697), doch ist der Untersuchungsgrundsatz nach der neuen Rechtslage auf das Ehescheidungsverfahren nicht anzuwenden. Mängel des Verfahrens erster Instanz können daher auch in diesem Verfahren in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (EFSlg. 49.388, 52.235 ua). Auf die vom Beklagten gerügten Verfahrensmängel erster Instanz ist daher nicht einzugehen.
Der Revision war ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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